Auch an der Urheberschaft einer Autoexplosion in Donezk vom Freitag gab es Zweifel.

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Die Lage sei eskaliert, nun seien eilige Maßnahmen nötig. Das ist den Videos zu entnehmen, in denen Denis Puschilin und Leonid Pasetschnik, die Chefs der beiden prorussischen Separatistenrepubliken im östlichen Staatsgebiet der Ukraine, die Bevölkerung zur Evakuierung aufrufen. Wie sich nun zeigt, gibt es damit aber ein Problem: Laut den Metadaten, die sich in den via Telegram verbreiteten Videos auslesen lassen, wurden die beiden Dateien offenbar schon vor zwei Tagen erstellt. Die Daten liegen neben zahlreichen anderen Medien auch der Agentur AP vor, die über sie berichtete.

Damals gab es die aktuelle Eskalation noch nicht – im Gegenteil herrschte am Mittwoch nach der russischen Ankündigung eines Teilabzugs der Truppen von der Grenze zur Ukraine gerade Hoffnung auf Entspannung. Zu einer tatsächlichen Eskalation kam es erst am Tag danach, als insbesondere Truppen der Separatisten begannen, die Stellungen der ukrainischen Armee zu beschießen.

Fake-Videos und Warnungen

Dass die Videos offenbar schon davor aufgenommen wurden, stützt die Darstellung westlicher Staaten und der Ukraine, wonach sowohl Evakuierungen als auch Warnungen aus den besetzten Donbass-Gebieten vor allem dazu dienen sollen, die Stimmung anzuheizen. Die USA und weitere westliche Staaten warnen bereits seit Wochen davor, dass Russland einen Anlass für einen Angriff auf die Ukraine erfinden wolle.

US-Außenminister Antony Blinken hatte erst am Donnerstagabend vor einer solchen Aktion gewarnt. Er sagte allerdings, es sei denkbar, dass ein Angriff mit chemischen Waffen dabei vorgespielt oder tatsächlich verübt werde. Zuvor hatten die USA schon vor einigen Wochen davon gesprochen, dass in den Separatistengebieten "Fake-Videos" aufgenommen werden sollten, die die Folgen eines Sprengstoffanschlages zeigen sollen. Am Freitag gab es in Donezk tatsächlich eine Explosion, als ein Auto des Sicherheitschefs der "Volksrepublik" explodierte. Opfer gab es dabei allerdings keine.

Auch die Außenministerinnen Deutschlands und Frankreichs, Annalena Baerbock und Jean-Yves Le Drian äußerten am Abend ihre Sorge, "das inszenierte Vorfälle als Vorwand für eine Eskalation missbraucht werden könnten.

Zweifelhafte Evakuierung

Die Evakuierungen aus Luhansk und Donezk sind indes offenbar angelaufen. Zumindest ist dies Videos und Fotos zu entnehmen, die aus den beiden Städten nach außen dringen. Zu verifizieren sind sie kaum, nur wenige ausländische Journalisten dürfen dort einreisen, sie stehen in ihrer Arbeit unter permanenter Bewachung. In den besetzten Gebieten leben rund zwei Millionen Menschen, nach Russland gebracht werden sollen vorerst nur Alte, Kinder und Frauen. Die Behörden sprachen von etwa 700.000 Menschen. Um sie in die Stadt Rostow am Don bringen zu können, wo ihnen der russische Staat ein Ankunftsgeld von 10.000 Rubel (etwa 114 Euro, ca. zwei Monatspensionen in der Ostukraine) versprochen hat, wären bei 50 Passagieren pro Bus 14.000 Fahrten nötig.

Auf Telegram warnten die Separatisten unterdessen vor einer neuen Gefahr. Demnach sei zu befürchten, dass Evakuierungsbusse von der Ukraine aus beschossen würden. Kiew weist das vehement zurück und fürchtet, dass damit die Saat für eine neuerliche Fake-News-Aktion gesät werden könnte. (red, 18.2.2022)