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"Es gibt keine schlechte Werbung" – es ist nicht ganz klar, ob die Credit Suisse das in dem Fall auch so sieht.
Wien – Mit einer Nachricht aus anonymer Quelle an die "Süddeutsche Zeitung" ging es los. Was mit den Panama Papers begann, wiederholte sich bei den Paradise Papers. Am Sonntagabend gab es nun eine neue Enthüllung, die in München ihren Ausgang nahm. Unter dem Namen Suisse Secrets hat ein Recherchenetzwerk aus 160 Journalistinnen und Journalisten von 48 Medien aufgedeckt, wie Diktatoren, Geheimdienstchefs und Kriminelle ihre Vermögen in einer der bedeutendsten Schweizer Banken gebunkert haben sollen: der Credit Suisse. Es geht um 18.000 Bankkonten, auf denen mehr als 100 Milliarden Dollar liegen.
Die Schweiz gilt als einer der intransparentesten Finanzstandorte der Welt. Sowohl die Regierung als auch die Banken betonen zwar, den Finanzplatz verändert und weniger attraktiv für Schindluder gemacht zu haben. Doch die aktuellen Daten rücken diese Aussagen in ein sehr schiefes Licht. Interne Aufzeichnungen der zweitgrößten Bank des Landes belegen laut "SZ", dass sie über viele Jahre hinweg korrupte Autokraten, mutmaßliche Kriegsverbrecher sowie Menschenhändler, Drogendealer und andere Kriminelle als Kunden akzeptiert hat.
Konten bis in die 1940er-Jahre
Die Unterlagen geben demnach Aufschluss über Konten von mehr als 30.000 Kunden weltweit und weisen auf mutmaßliche Versäumnisse der Bank bei der Überprüfung ihrer Kunden hin. Die Credit Suisse weist die Vorwürfe zurück. Ein Großteil der Konten sei zudem längst geschlossen worden. Wie viele tatsächlich noch aktiv sind, gehe aus den Daten nicht hervor. Laut "SZ" reichen die Konten bis in die 1940er-Jahre zurück, wobei mehr als zwei Drittel nach dem Jahr 2000 eröffnet wurden.
Arme Bevölkerung und korrupte Eliten – das sind Kennzeichen für Länder, die oft in den Suisse-Secrets-Daten auftauchen. Venezuela, Ägypten, Ukraine und Thailand stechen etwa mit einer vierstelligen Zahl an Konten hervor, aber auch viele afrikanische Staaten.
(K)eine genaue Prüfung
Suisse Secrets zufolge haben Kriminelle bei der Bank Konten eröffnen beziehungsweise auch dann behalten können, wenn die Bank längst hätte wissen können, dass sie es mit Straftätern zu tun hat. Dabei gelten für Banken bei solchen Personen, genauso wie bei Staats- oder Regierungschefs, Ministern, Geheimdienstlern und Unternehmern mit fragwürdigen Geschäftspraktiken, besonders strenge Sorgfalts- und Prüfungspflichten.
Ein auf den Philippinen verurteilter Menschenhändler und ein ägyptischer Mörder finden sich ebenso in den Daten wie mutmaßlich in krumme Geschäfte verwickelte Kardinäle und der 2008 wegen Bestechung verurteilte frühere Siemens-Manager Eduard Seidel, heißt es in dem Medienbericht.
Prominente Namen
Laut "SZ" haben die Söhne des verstorbenen ägyptischen Herrschers Hosni Mubarak hunderte Millionen Schweizer Franken gelagert. Viel Geld dürfte auch von dem ehemaligen algerischen Machthaber Abdelaziz Bouteflika in der Schweiz liegen, ebenso von der früheren Ehefrau und dem Sohn des aktuellen kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew und dem amtierenden jordanischen König Abdullah II.
Lange Liste von Enthüllungen
Die "SZ" hat die Daten mit der Investigativplattform Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) geteilt, ebenfalls mitgearbeitet haben die "New York Times", der "Guardian", "Le Monde", "La Stampa", NDR und WDR und aus Österreich das Nachrichtenmagazin "Profil".
Die aktuellen Enthüllungen reihen sich in eine lange Liste. Regelmäßig machen investigative Journalistennetzwerke wie das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) aber auch einzelne Medien auf Missstände aufmerksam.
Ein kleiner Überblick über große Enthüllungen:
Pandora Papers, Oktober 2021, ICIJ
Die Pandora Papers enthüllten heimliche Geschäfte über Konstrukte mit Briefkastenfirmen. Insgesamt sollen mehr als 330 Politiker betroffen sein, daneben zahlreiche Unternehmer, Sportgrößen, Prominente und Kriminelle. Ob ihre Geschäfte wirklich illegal sind, müssen allerdings die Behörden im Einzelfall prüfen.
Die Daten geben Aufschluss über die wahren Eigentümer von mehr als 27.000 Offshorefirmen. Die 11,9 Millionen vertraulichen Unterlagen umfassen Gründungsurkunden von Briefkastenfirmen und Trusts, E-Mails, Abrechnungen und andere Dokumente und decken laut ICIJ "jeden Winkel der Welt ab".
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Fincen Files, September 2021, Buzzfeed
Ein Datenleck im US-Finanzministerium ermöglichte einen Einblick in die gravierenden Probleme bei der Geldwäschebekämpfung. Bei den Fincen Files handelt es sich um rund 2.100 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen von US-Banken hauptsächlich aus den Jahren 2008 bis 2017. Darin melden die Banken der US-Meldestelle Fincen Transaktionen. Die Institute sollen trotz strenger Regeln mutmaßliche Kriminelle als Kunden akzeptiert und für diese Überweisungen in Milliardenhöhe durchgeführt haben.
Das International Consortium of Investigative Journalists nennt global tätige Großbanken, die trotz Bußen wegen Geldwäscherei weiterhin Milliardenbeträge undurchsichtiger Herkunft verschoben haben sollen: JP Morgan, HSBC, Standard Chartered Bank, Deutsche Bank und Bank of New York Mellon.
Mehr zu den Fincen Files erfahren Sie hier.
Paradise Papers, November 2017, ICIJ
Die Paradise Papers, 13,4 Millionen Dokumente, zeigten, wie Reiche über Briefkastenfirmen oder andere Geschäfte in intransparenten Steueroasen wie Isle of Man, Malta oder Bermudas Steuern vermeiden oder Gewinne machen. Das heißt nicht, dass die Praktiken illegal sein müssen. Im Zentrum der Enthüllungen stand die auf den Bermudas gegründete Anwaltskanzlei Appleby. Aus dieser Firma, die auf die Gründung und Betreuung von Briefkastenfirmen spezialisiert ist, stammen rund 6,8 Millionen vertrauliche Dokumente.
Aus Österreich tauchte das Meinl-Imperium in den Dokumenten auf – und auch der Investmentbanker Wolfgang Flöttl, der einen Milliardenbetrag der Bawag verspekuliert hat. Die Dokumente gaben tiefe Einblicke in die komplexen Strukturen der Offshore-Finanzwelt. So ließ sich detailliert nachvollziehen, wie beispielsweise Apple oder Nike in Europa erzielte Gewinne nahezu steuerfrei ins Ausland transferieren.
Mehr zu den Paradise Papers erfahren Sie HIER.
Panama Papers, April 2016, ICIJ
Die Panama Papers haben enthüllt, wie zahlreiche Politiker, Sportfunktionäre, Milliardäre, Prominente und Unternehmen mit Briefkastenfirmen in Steueroasen in ihren Heimatländern Steuern umgingen. Es handelte sich bis zum damaligen Zeitpunkt um das größte Datenleck der Geschichte. Enthalten waren Details zu mehr als 214.000 Offshorefirmen, die mit Personen in mehr als 200 Ländern in Verbindung standen.
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Weitere Skandalenhüllungen
Bereits 2013 wurden durch die sogenannten Offshore-Leaks Briefkastenfirmen von Prominenten öffentlich. 2014 entfachten die Luxemburg-Leaks Diskussionen über die Steuervermeidungsstrategien von Großkonzernen in der EU. Und im Jahr 2015 brachten tausende vertrauliche Dokumente der britischen Großbank HSBC, die Journalisten zugespielt wurden, zahlreiche Mächtige weltweit in Erklärungsnot. (and, 20.2.2022)