Ein Gipsbein steht Tätigkeiten im Büro mit längerem Anfahrtsweg oft im Weg. Im Homeoffice aber ist ein Krankenstand nicht immer gerechtfertigt – vor allem dort, wo flexibles Arbeiten gewünscht wird.

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Die Corona-Pandemie schafft vielfältige rechtliche Probleme. Das Arbeitsrecht ist davon besonders betroffen, wobei manche Themen künstlich aufgebauscht werden.

So forderte der Wirtschaftsbund jüngst, mit Covid-19 infizierte Mitarbeiter ohne Symptome während ihrer Quarantäne zur Arbeit im Homeoffice zu verpflichten. Nun gibt es für die Arbeit im Homeoffice seit April 2021 Regelungen. Wenn jemand zwar infiziert und damit für Büroarbeit rechtlich nicht dienstfähig, aber zur Arbeit im Homeoffice sehr wohl in der Lage ist, dann bedarf es laut § 2f AVRAG bloß einer Homeoffice-Vereinbarung, um die Sache zu regeln. Und eine solche wird kaum ein vernünftiger Arbeitnehmer ablehnen.

Fragen könnte man, ob es ein personenbezogener Kündigungsgrund ist, wenn jemand diese Vereinbarung verweigert. Das wird wohl nur in jenen Fällen möglich sein, in denen dringende und unaufschiebbare Arbeiten zu erledigen sind und sonst die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt werden.

Was heißt "krank sein"?

Diese Diskussion lenkt aber den Blick auf ein Thema, das zwar nicht mit Corona neu entstanden, aber einer näheren Betrachtung wert ist. Es geht um die Frage, was "krank sein" überhaupt bedeutet.

In einer deutschen Studie hieß es vor kurzem, dass "Beschäftigte im Homeoffice vermehrt trotz Krankheit arbeiteten". Aber ist man mit einem Gipsbein aus arbeitsrechtlicher Sicht tatsächlich krank, wie etwa eine Arbeitsrechtsprofessorin vor kurzem auf Ö1 behauptete? Krank ist krank, betonte sie.

Dem ist zu widersprechen: Krank ist eben nicht krank. Im Arbeitsrecht ist Krankheit kein medizinischer Begriff, sondern bedeutet, dass ein Arbeitnehmer "durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert" ist und deshalb gemäß § 8 Abs. 1 Angestelltengesetz den Anspruch auf Entgeltfortzahlung behält.

Schon daraus folgt klar, dass ein und derselbe Leidenszustand bei einem Bauarbeiter anders zu beurteilen ist als bei einer Bürokraft. Deshalb ist man mit einem Gipsbein nicht generell krank, im Sinne von arbeitsunfähig.

Bein hoch lagern möglich?

Hier kommt nun Covid-19 und Homeoffice wieder ins Spiel. Denn ob eine konkrete Gesundheitsbeeinträchtigung arbeitsrechtlich krank im Sinne von dienstunfähig macht, hängt nicht nur von der Art der Tätigkeit ab, sondern unter Umständen auch vom räumlichen Umfeld. Ein Gipsbein wird bei einer Arbeit im Homeoffice mit der Möglichkeit, das Bein hoch zu lagern oder sich vorübergehend hinzulegen, weniger leicht zur Arbeitsunfähigkeit führen als bei einer Tätigkeit in einem Büro mit längerer Anfahrt.

Und man kann zwar arbeitsrechtlich nur entweder dienstunfähig oder dienstfähig sein; es ist aber sehr wohl möglich, dass ein Arbeitnehmer mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung für einen Teil der von ihm arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeiten dienstfähig ist, für einen anderen hingegen nicht. So wird der Mitarbeiter mit Gipsbein, der seine Bürotätigkeit zum Teil im Sitzen, zum Teil aber durch Tragen schwerer Akten ausübt, für die letztgenannte Tätigkeit dienstunfähig sein, für die erstgenannte aber voll dienstfähig.

Daher darf ein Arzt einen Arbeitnehmer nicht einfach "krankschreiben"; er muss sich nicht nur mit der konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigung des Arbeitnehmers beschäftigen, sondern auch dessen genaue Tätigkeit erfragen. Dass dies in der Praxis kaum geschieht, ist bekannt. Zwar kann der Arzt die Angaben eines Arbeitnehmers über seine Tätigkeit kaum überprüfen, aber solche Angaben nicht einmal einzuholen ist pflichtwidrig.

Dass ärztliche Bestätigungen nicht immer unangreifbar sind, hat jüngst das deutsche Bundesarbeitsgericht (5 AZR 149/21) betont: Die durch eine Krankschreibung ausgelöste Vermutung, der Arbeitnehmer sei tatsächlich krank – soll heißen: dienstunfähig –, könne durch besondere Umstände erschüttert werden. Solche lägen etwa vor, wenn ein sich Arbeitnehmer nach einer Kündigung sofort in den Krankenstand begebe und dieser genau die Dauer der Kündigungsfrist abdecke.

Ist das Ausbeutung?

Man sollte beim Homeoffice daher nicht vorschnell "Ausbeutung" rufen und meinen, Arbeitnehmer würden nun vermehrt "in krankem Zustand" arbeiten. Denn Homeoffice ist nur ein besonders sinnfälliger Teil des vor allem von jüngeren Arbeitnehmern vehement forcierten Trends zur Flexibilisierung der Arbeit – zeitlich und räumlich. Und diese Flexibilisierung darf keine Einbahnstraße sein.

Wenn Arbeitgeberinnen es ihren Arbeitnehmern erlauben, an einem normalen Arbeitstag und ohne Inanspruchnahme von Urlaub "auf den Berg zu gehen", solange die Arbeit erledigt werde, dann können sie auch erwarten, dass diese abends oder am Wochenende auf eine E-Mail reagieren. Das entspricht den Bedürfnissen einer immer besser ausgebildeten Belegschaft in einer digitalen Welt. (Georg Schima, 21.2.2022)