Wie oder ob die Impfpflicht in den kommenden Wochen und Monaten umgesetzt werden soll – darüber herrscht momentan noch Unklarheit. Der Protest dagegen reißt trotzdem nicht ab.

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"Spinn ich? Oder was ist los mit der Politik?" Mit diesen Worten leitete Madeleine Petrovic, ehemalige Bundessprecherin der Grünen, eine Pressekonferenz am Montag ein. Rund um die Weihnachtszeit sei es gewesen, als ihre Gedanken "durcheinandergegangen" seien, erläuterte die Ex-Spitzenpolitikerin. Es geht um die Impfung gegen Corona, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und die konträre Position, die Petrovic in diesen Angelegenheiten zur aktuellen Regierungspolitik einnimmt.

Deshalb ist sie nun auch mit der Gruppe "Grüne gegen Impfpflicht" Teil eines Bündnisses, das sich gegen die Impfpflicht starkmacht. "Die Zeit der Impfungen und der Zwangsmaßnahmen ist vorbei", proklamierte sie. Petrovic hält das Gesetz für verfassungswidrig und kündigt den "Weg zu Gerichten, auch zu europäischen Instanzen" an.

Fixstarter

Das ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil das Impfpflichtgesetz ihr Parteikollege Wolfgang Mückstein inhaltlich zu verantworten hat. Neben den grünen Impfpflichtgegnerinnen und -gegnern haben sich dem Bündnis weitere Gruppen angeschlossen, die zum Teil auch bei Demonstrationen auftreten – etwa die "kritischen Polizist:innen", die einen Brief an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) schrieben.

Überhaupt versammelten sich neben Petrovic andere Fixstarter der sogenannten "maßnahmenkritischen" Szene: zum Beispiel Andreas Sönnichsen, der kürzlich wegen seiner Aussagen zu Corona seinen Job an der Medizinischen Universität Wien verlor. Das werde ohnehin noch ein gerichtliches Nachspiel haben, kündigte dieser bei der Pressekonferenz an.

Die Maßnahmen seien mit der Überbelegung der Spitalsbetten begründet worden, doch das sei "hausgemacht" gewesen, glaubt der Mediziner. Seine Theorie: Menschen in Quarantäne seien im Stich gelassen worden und hätten sich dann aufgrund ihrer Verzweiflung nicht anders zu helfen gewusst, als die Gesundheitshotline 1450 zu rufen und dann mit der Rettung ins Spital gebracht zu werden. Dort hätten Betroffene sich dann mit Spitalskeimen infiziert und seien "erst richtig krank" geworden und verstorben.

Überlastung der Spitäler

Tatsächlich kann es passieren, dass die Gesundheitshotline 1450 nach der Schilderung des Krankheitszustands von Betroffenen eine ärztliche Abklärung veranlasst, etwa durch den Ärztefunkdienst. Dieser entscheidet dann, ob eine weitere Abklärung im Spital notwendig ist. Aufgrund der Quarantänebestimmungen kann es sein, dass Betroffene mit der Rettung ins Spital gebracht werden, auch wenn es sich um keinen akuten Notfall handelt. Dass Ärztinnen und Ärzte gerade angesichts der angespannten Situation in den Spitälern eine derartige Abklärung veranlassen, wenn sie nicht medizinisch geboten ist, erscheint nicht schlüssig.

Aber eigentlich habe man ohnehin "zu keinem Zeitpunkt eine Überlastung des Gesundheitssystems" gehabt. Eine Aussage, der wohl viele Ärztinnen und Pfleger, die in den letzten beiden Jahren in Spitälern arbeiteten, widersprechen würden, wie zahlreiche Berichte von Intensivstationen zeigen. "Wir arbeiten eigentlich tagtäglich am Limit", formulierte es eine Stationsleiterin in einer STANDARD-Reportage. "Geht es sich heute noch aus?" Reichen die Betten? Jeden Tag plage sie die große Sorge: "Kriegen wir es noch einmal hin?" Berichte aus der Praxis, die Sönnichsen und seine Mitstreiter wohl kaltlassen; schließlich sprach er am Montag von einer "künstlichen Engstelle", die von Medien verbreitet worden sei.

Uni-Gruppe

Aufgetreten ist auch ein Aktivist der Vereinigung "Studenten stehen auf", die auch immer wieder bei Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen auffällt. Robert Dernberger, der Politikwissenschaften an der Universität Wien studiert, sprach davon, dass kritische Studenten als "Spinner oder Nazis" abgestempelt würden. Viele dieser Tendenzen würden aber nicht erst seit zwei Jahren existieren, vielmehr seien die aktuellen Entwicklungen erst durch das vorherrschende "Klima der politisch korrekten Konformität" ermöglicht worden. Eine Diktion, die an die Politik des Rings Freiheitlicher Studenten (RFS) erinnert, der auch gegen die Corona-Politik an den Hochschulen Stimmung macht.

Der Umweltaktivist Peter Weish – damaliger Sprecher des Gentechnikvolksbegehrens – sprach für die ebenfalls beteiligte "Plattform Respekt", die Anti-Impf-Flyer vor Schulen verteilt. Er vermutet, es sei "von Anfang an nicht um Gesundheit gegangen, denn dann hätte man anders agiert". Vielmehr sei die "Agenda der Pharmaindustrie durchgezogen worden". Nun seien aber immerhin viele "aufgewacht". Diesen Optimismus teilt er mit Petrovic: "Man kann nicht die ganze Zeit die ganze Gesellschaft belügen", sagte diese. "Die Wahrheit wird auf den Tisch kommen." Wer laut Petrovic wen belogen haben soll, blieb allerdings offen. (Vanessa Gaigg, 21.2.2022)