Der fälschlicherweise als "Federkrone des Montezuma" bekannte aztekische Kopfschmuck aus dem 16. Jahrhundert. Zu sehen im Weltmuseum Wien – mit temporär neuem Text.

KHM mit MVK und ÖTM

Wien – Mexikanische Aktivisten fordern seit jeher die Rückgabe des fälschlicherweise als "Krone des Montezuma" bekannt gewordenen aztekischen Federschmucks, eines der Highlights im Weltmuseum in Wien. Der aus dem frühen 16. Jahrhundert stammende Kopfschmuck ist aus den grün-bläulich schimmernden Federn des Quetzal-Vogels sowie über eintausend Goldplättchen gefertigt und ist der einzige noch erhaltene seiner Art. Wie der Federschmuck nach Europa gelangte, ist bisher unklar. Er stehe nicht mit dem Aztekenfürsten Moctezuma in Verbindung, sondern sei der Kopfschmuck eines Priesters, soweit der aktuelle Stand der Forschung.

Eine mexikanisch-österreichische Expertengruppe bescheinigte dem filigranen Schmuck Transportunfähigkeit. Dennoch empfinden viele, die Federkrone wäre am richtigen Platz in Mexiko. Das entsprechende Anliegen haben nun der Dokumentarfilmemacher Sebastián Arrechedera und der Publizist Yosu Arangüena an einer besonders originellen Stelle deponiert. Wie sie dem spanischen Onlinemedium "El Confidencial" (17.2.2022) erzählten, haben sie unter Mithilfe von Freiwilligen rund fünfzig Audioguides mit einem vom mexikanischen Aktivisten Xokonoschtletl Gómora eingesprochenen neuen Text ins Weltmuseum Wien eingeschleust. So geht analoges Daten-Hacking!

Zugehörigkeitsfragen

Das Weltmuseum bestätigt die STANDARD-Anfrage und kann der kreativen Intervention viel abgewinnen. "Es passt sehr gut in unsere Idee der Vielstimmigkeit", so eine Sprecherin. Auch wenn wissenschaftlich viele Fragen offen seien, so sei es dennoch wichtig und notwendig, diese Zugehörigkeitsfragen im Kontext postkolonialer Aufarbeitungsprozesse zu stellen. Die raffinierte Aktion wird als "spannender Beitrag zur aktuellen Diskussion im Umgang mit dem postkolonialen Erbe in ethnografischen Museen" gewertet.

Gómora, der Aktivist, hat sein Leben der Rückgewinnung des Federschmucks gewidmet und vertritt Ansichten ohne wissenschaftliche Evidenz. Davon distanzieren sich teilweise sogar die beiden Audio-Schleuser. Trotz fehlender Daten seien aber die Fragen zu historischen Raubzügen und den Konquistadoren legitim.

Im Besitz der Republik

In Gómoras achtminütigem Text, der auch auf der Webseite "truthaudioguides.com" nachzuhören ist, kündigt er eine "sehr kurze Zusammenfassung der Wahrheit" an. Sie sei ihm von seinen Vorfahren mündlich überliefert worden. Demnach sei der Schmuck sehr wohl die "Krone des Montezuma", und sie sei von den Europäern gewaltsam geraubt worden. Die professionell gemachte Tonspur ist auf Deutsch, Englisch und Spanisch abrufbar.

Erstmals tauchte der altmexikanische Quetzal-Federschmuck 1596 im Nachlassinventar zu den Rüstkammern und der Kunstkammer des Tiroler Landesfürsten Erzherzog Ferdinand II. auf. Von dort, aus der Ambraser Sammlung, gelangte er Anfang des 19. Jahrhunderts nach Wien. Es sei, so das Weltmuseum, "eine denkbare Position zu sagen: Es ist wichtiger, dass dieses Objekt zurückgeht, als dass es erhalten bleibt." Das Weltmuseum sieht sich allerdings in erster Linie für Forschungs- und Konservierungsfragen verantwortlich, weshalb das fragile Exponat, das sich im Besitz der Republik befindet, nicht bewegt wird. Man sei indes interessiert daran, die Diskussion aktiv zu begleiten, und überlegt im Anschluss an die Aktion, Stimmen aus der mexikanischen Community in der Kunstvermittlung einzubauen. (Margarete Affenzeller, 21.2.2022)