Über Globuli mit besonderen "Inhaltsstoffen" schreibt der Autor Christian Kreil im Gastblog.

Bei der "Muttermilch von fünf verschiedenen Müttern" denkt der eine oder andere wohl an einen bizarren Fetisch und geht dabei doch fehl. Die "Muttermilch von fünf verschiedenen Müttern" führt uns in eine Manufaktur für homöopathische Arzneimittel in Retz. Der Hersteller Homeocur, der offenkundig mit der "Apotheke zum weißen Engel" ident ist, bietet das Mittel feil, fein verdünnt in Form von Globuli. Zäpfchen aus der "Milch von 5 verschiedenen Müttern" gibt es auf Anfrage. Abgegeben wird das Mittel laut Webseite nur gegen ärztliche Verschreibung. Nicht zu verwechseln ist das Mittel mit der "Muttermilch einer Frau, die einen Jungen geboren hat" und das wiederum nicht mit der "Muttermilch einer Frau, die ein Mädchen geboren hat." Den Homöopathen mangelt es bei ihren Heilmitteln zwar per definitionem an Substanz, an Fantasie mangelt es ihnen nicht.  

Kreative Globuli werden in den Apotheken angeboten.
Foto: Getty Images/iStockphoto/icefront

Homöopathische "Arzneimittelprüfungen": Sachen zum Lachen 

Wie kommt man dazu, Muttermilch als fiktive Medizin zu propagieren? Diese Frage stellt natürlich nur der wissenschaftlich verblendete Ignorant, der das Simile-Prinzip der Homöopathie nicht kennt. Es besagt: Ein Mittel lindert beim Kranken exakt jene Symptome, die exakt dieses Mittel bei einem Gesunden hervorruft. Die Frage, die einem auf der Zunge liegt: Welche Beschwerden soll Muttermilch bei Gesunden hervorrufen und warum sollen die Bubenmutter-Muttermilch und Mädchenmutter-Muttermilch und der gemischte Satz von gleich fünf Müttern unterschiedlich wirken?

Eine Anfrage bei Homeocur nach etwaigen "Arzneimittelprüfungen" bleibt leider unbeantwortet. "Arzneimittelprüfungen" in der Homöopathie haben sich das Anführungszeichen redlich verdient. Sie sind eine recht lustige Angelegenheit, allerdings nur für die Leserschaft der Protokolle. Der Prüfer oder die Prüferin stürzt sich bei der Arzneimittelprüfung schließlich tollkühn in ein Abenteuer mit allerlei Substanzen, die man nicht im Kühlschrank haben will.

Auch die Milch von allerlei Tieren soll Medizin sein

Homeocur macht nicht nur aus menschlicher Muttermilch Medizin, sondern auch aus der Milch des Dackels, der Sau, des Affen und schließlich auch aus der Milch unseres lustigen Freundes Flipper, dem Delphin. Ehe uns ein wenig ekelt, sei daran erinnert: Auch bei der homöopathischen "Arzneimittelprüfung" arbeitet die Branche mit "Hochpotenzen". Goldstandard ist die Verdünnung C30, das entspricht etwa einem Molekül einer beliebigen Substanz in einer Wasserkugel mit einem Durchmesser von 150 Millionen Kilometern. Das ist der Abstand von der Erde zur Sonne.

Mit anderen Worten: Bei der homöopathischen Arzneimittelprüfung testen Probanden und Probandinnen, wie sie auf wirkstofflose Zuckerkugeln reagieren, um vorherzusehen, bei welchen Beschwerden die wirkstofflosen Zuckerkugeln einzusetzen sind.

Medizin aus allen denkbaren menschlichen Säften

Nachdem uns die Arzneimittelschmiede Homeocur nicht weiterhelfen kann bei der Indikation ihrer eigenen Muttermilch-Medizinen, wird die Stiftung Gurutest bei einem Hersteller in Deutschland fündig. Die Dr.-Kunkel-Apotheke in Titisee-Neustadt stellt homöopathische Mittel aus Blut, Urin, Stuhl, Haar und anderen menschlichen Körpersäften her. Derlei Mittel nennt man bei den Schüttlern unter den Pharmazeuten Nosoden.

Die Angaben zu Muttermilch-Nosoden sind sehr ausführlich. Hier haben die Probanden bei der Arzneimittelprüfung nicht geschlampt und zu Protokoll gegeben: "Speichelfluss im Schlaf, ein Kloßgefühl im Hals und Mangel an Lebenswärme scheinen ebenfalls Milch-Symptome zu sein." Die sind auch bei einer schieren Unzahl von psychischen Beschwerden indiziert, unter anderem bei "Abneigung gegen Suppe" und bei einem "Mangel an mütterlichem Instinkt".

Heiße Getränke und Koitus verstärken die Wirkung von Muttermilch

In dieser Apotheke hat man auch die Milch von Hund und Katz getestet: Sie seien demnach "hilfreich bei Beschwerden durch den Tod der milchgebenden Spezies, also Lac caninum (Hundemilch) bei Beschwerden durch den Tod eines Hundes." Die Apotheke verrät: "Aus diesem Grund stellen wir auf Wunsch auch aus der Milch aller Haus- und Schmusetiere Nosoden her." 

Zurück zu den Muttermilch-Nosoden. Abschließend verrät die Kunkel-Apotheke auch, was die Wirkung homöopathischer Muttermilch-Arzneien verstärkt: "Trinken, heiße Getränke, Koitus." (Christian Kreil, 2.3.2022)

Christian Kreil bloggt rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. 2021 erschien sein Buch "Fakemedizin".

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