Russlands Präsident Putin inszenierte den Montag besonders öffentlichkeitswirksam.

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Für die russische Bevölkerung sollte es so wirken, als würde ein besonnener Staatsmann seine Optionen abwägen und seinen Beratern aufmerksam zuhören, um dann eine ausgereifte Entscheidung zu treffen, wie man mit den selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk in Moskau verfahren solle. Doch offenbar waren die Ereignisse, die am Montag zur Anerkennung der Separatistengebiete im Osten der Ukraine führten, eine von langer Hand vorbereitete Choreografie – unter der Regie von Wladimir Putin, der ebenso die Hauptrolle spielte.

Die selbsternannten – und nun von Russland anerkannten – Präsidenten von Donezk und Luhansk veröffentlichten gleichzeitig Reden in Richtung Moskau, in denen sie um die Anerkennung ihrer Staaten baten. Die Lage spitze sich zu, man benötige die Unterstützung Russlands und fordere gleichzeitig einen "Freundschafts- und Kooperationsvertrag", der auch militärische Hilfe beinhalte.

In der offiziellen Version trat Russlands Präsident Wladimir Putin kurzfristig mit dem nationalen Sicherheitsrat zusammen. Die Sitzung wurde öffentlichkeitswirksam "live" übertragen. Putin betonte extra, dass man sich vorher weder abgesprochen habe noch diese Besprechung geplant habe.

"Fehler" korrigiert

Doch Nahaufnahmen von Armbanduhren der Teilnehmer zeigten, dass das Treffen offenbar bereits Stunden vor der Ausstrahlung stattgefunden hat. Die Sicherheitsberater der Präsidenten saßen in einem seltsam anmutenden Halbkreis vor dem Präsidenten, der allein an einem Tisch Platz genommen hatte. Die Offiziellen wurden nacheinander aufgerufen und mussten in ein Mikrofon sagen, welche Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt sie favorisieren würden. Brav sprachen sich die Männer reihum für eine Anerkennung der "Volksrepubliken" aus. Doch nicht alle dürften ihren Text korrekt gelernt haben.

Nachdem der Chef des Auslandsgeheimdiensts, Sergej Naryschkin, zuerst zu leise gesprochen hatte – Putin forderte ihn auf, deutlicher zu sprechen –, verlangte er schließlich, dass die Separatistengebiete in der Russischen Föderation aufgehen sollen. Putin machte Naryschkin schnell auf dessen "Fehler" aufmerksam: "Darüber sprechen wir heute nicht, darüber diskutieren wir heute nicht", sagte der Präsident tadelnd: Es gehe hier um die Anerkennung der Republiken.

Vorbereitete Rede

"Wir haben acht Jahre lang verhandelt", sagte Putin während der Sitzung: "Wir befinden uns in einer Sackgasse." Und schließlich beendete er die Besprechung und baute gleichzeitig etwas Spannung ein: "Ich habe mir eure Meinungen angehört. Ich werde mich noch heute entscheiden."

Und die Entscheidung kam in Form einer Rede am Montagabend. Einer Rede, die länger vorbereitet gewirkt hat, als es die offizielle Zeit zwischen dem Sicherheitsratstreffen und der Ansprache zugelassen hätte. Putin sprach in den 56 Minuten der Ukraine ihr Existenzrecht ab. Das Land sei von Bolschewisten geplant worden. Sollte die Ukraine den Kommunismus hinter sich lassen wollen, dann werde Russland zeigen, was es bedeute, diesen Schritt zu setzen. Der Westen, so Putin, habe Russland jahrelang ignoriert: "Ihr wolltet uns nicht als Freunde, aber ihr hättet uns nicht zu Feinden machen müssen."

Truppen in Richtung Donbass

Es folgte die Ausstrahlung der Unterzeichnung der Dekrete für die Anerkennung der "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk im Beisein der Gebietsführer Pasechnik und Pushilin. Der von ihnen offiziell geforderte Freundschafts- und Kooperationsvertrag wurde Realität, und Putin mobilisierte Truppen in Richtung Donbass.

Doch offenbar war die Tinte auf den Verträgen schon seit längerem trocken. Manche gehen davon aus, dass Putin die Dekrete bereits vor seinen Forderungen nach Sicherheitsgarantien an den Westen unterschrieben hatte. Dann waren die vergangenen Wochen bereits Teil der Choreografie mit dem Ziel der Invasion in die Ukraine. (Bianca Blei, 22.2.2022)