Kämpfen sich russische Panzer bald ins ukrainische Kerngebiet vor? Das weiß wohl nur Wladimir Putin.

Foto: AFP

In einer aufsehenerregenden Rede am Montagabend erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin, er werde Truppen in die Ostukraine schicken. Diese sollen in den von ihm als unabhängige Staaten anerkannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk für "Frieden" sorgen. Doch wird ihm das reichen?

Wie weit Putin in der Ukraine gehen wird, weiß vielleicht nur er selbst – wenn er das überhaupt schon entschieden hat. Kenner der Szene spekulieren derweil über die möglichen Szenarios einer russischen Invasion der Ukraine. Der STANDARD hat die wichtigsten zusammengefasst.

1. Separatistengebiete

Bis Montagabend noch Spekulation, so gilt dieses Szenario nun als relativ fix. Per Dekret erkannte er die "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk als unabhängig an. Demnach darf Russland dort auch Militärbasen eröffnen. Wann die sogenannten Friedenstruppen in den Osten der Ukraine einrücken werden, ist noch unklar – ebenso wie genau die Truppenstationierung aussehen wird und wo die Grenzen der "Volksrepubliken" gezogen werden. In dieser Situation könnte Putin die restliche Ukraine mit gezielten Nadelstichen wie Anschlägen oder Cyberangriffen weiter verunsichern und destabilisieren.

2. Ostukraine

Gibt sich Putin damit nicht zufrieden, könnte er die beiden Oblaste Luhansk und Donezk zur Gänze einnehmen, vor allem aus wirtschaftlichen, sprich industriellen Gründen. Auch wird seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 immer wieder darüber spekuliert, dass der russische Machthaber eine Landverbindung zur Halbinsel schaffen möchte.

3. Vormarsch bis zum Dnepr

Wagt sich Putin weiter in den Westen, könnte er den Dnepr als natürliche Grenze nutzen. Laut dem Washingtoner Thinktank CSIS könnten die Truppen von Norden über Belarus, im Osten über Russland und im Süden über die Krim einmarschieren und dann die Osthälfte der Ukraine mitsamt der Hauptstadt bis zum Fluss besetzen.

4. Totale Besetzung

Wenn die Ukraine aus historischer Sicht zu Russland gehöre, wie Putin sagte, wird er vor einer totalen Besetzung womöglich nicht zurückschrecken. Doch das wäre für das wirtschaftlich nicht potente Russland mit einem erheblichen finanziellen und personellen Aufwand verbunden, müssten die Besatzungstruppen ein Land, das mehr als siebenmal so groß wie Österreich ist, kontrollieren. Zweifellos würde es dann auch zu Aufständen und Anschlägen eines Widerstands kommen, der vermutlich aus dem Ausland unterstützt würde.

5. Marionettenregierung

Schließlich wäre auch ein zeitlich begrenzter Einmarsch ins ukrainische Kerngebiet möglich, um in Kiew eine Marionettenregierung zu installieren. Ob sich diese dann auf Dauer im Amt halten kann, hängt davon ab, wie viele Truppen Moskau im Land stationiert lässt. (Kim Son Hoang, 22.2.2022)

Russland soll mit der Anerkennung der Separatistengebiete gegen das Minsker Abkommen verstoßen haben. Doch was steht in der Friedensvereinbarung von 2015? Wir erklären es.
DER STANDARD