Eine Ernährung ohne Kohlenhydrate ist auf Dauer nicht empfehlenswert. Besser: essen, worauf der Körper wirklich Appetit hat und was einem guttut.

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Ex-Fußballprofi David Beckham macht schon länger keine Sportschlagzeilen mehr. Stattdessen gibt er jetzt Ernährungstipps. Erst vor kurzem teilte er mit, seine Frau Victoria Beckham esse ausschließlich gegrillten Fisch und gedünstetes Gemüse. Damit ernährt sie sich recht einseitig. Und sie befolgt damit ziemlich genau die Regeln einer Low-Carb-Diät: nämlich Kohlenhydrate massiv zu reduzieren.

Der Ursprung des Low-Carb-Hypes geht unter anderem zurück auf den Kardiologen Robert Atkins. Er war selbst fettleibig und suchte nach einem Weg, um nachhaltig abzunehmen. 1972 veröffentlichte er sein Buch "Diät-Revolution", einen Bestseller, der die immer noch verbreitete Atkins-Diät propagierte, die auf eiweiß- und fetthaltige Lebensmittel setzt. Alles, was Kohlenhydrate enthält, ist dagegen verpönt. Notiz am Rande: Besonders erfolgreich dürfte er seine Diät selbst nicht angewendet haben. Bei seinem Tod im Jahr 2003 wog er 117 Kilo – bei einer Körpergröße von 182 Zentimetern – und war somit deutlich übergewichtig.

Nichtsdestotrotz erfreut sich Low Carb seit den 1970er-Jahren in verschiedenen Ausformungen ungebrochener Beliebtheit, es ist quasi der heilige Gral der Abnehmwilligen. Es gilt dabei nicht nur als Mittel zur Gewichtsreduktion, viele sehen es auch als die gesündere Ernährungsform an. Dem widerspricht Ernährungswissenschafter und Buchautor Uwe Knop. Er kommt sogar zu einem ganz anderen Schluss: "Die massive Reduktion von Kohlenhydraten ist einer der beliebtesten Besser-Esser-Hypes, doch Studienkenner wissen schon lange, dass dieses Märchen wissenschaftlich nicht haltbar ist."

Kein relevanter Vorteil

Erst im Jänner 2022 wurde das in einer Review des Cochrane Institute untersucht. Der Report, der auf Pub-Med in der National Library of Medicine publiziert wurde, untersuchte insgesamt 61 Studien mit fast 7.000 Teilnehmern. Diese hatten Low-Carb-Diäten und Diäten mit ausgeglichenem Kohlenhydratanteil miteinander verglichen und festgestellt: Es kann kein relevanter Vorteil im Hinblick auf andere Diäten festgestellt werden. Untersucht wurden Gewichtsverlust, aber auch Veränderungen der Risiken für Herzkrankheiten wie Bluthochdruck, Blutzuckerspiegel oder Cholesterinwerte.

Knop erklärt: "Die Ergebnisse der aktuellen Review sind insofern nicht besonders überraschend, da bereits eine Vielzahl an Studien der vergangenen Jahre vergleichbare Ergebnisse geliefert hat. Es macht keinen Unterschied, ob mit Low Carb, also wenig Kohlenhydraten, oder mit High Carb, also besonders vielen Kohlehydraten, abgespeckt wird – die kurzfristigen Erfolge sind vergleichbar."

Ernährungsexpertinnen und Ernährungsexperten gehen davon aus, dass allein die Reduktion von Kohlenhydraten nicht ausreicht, um das eigene Wunschgewicht dauerhaft halten zu können oder sogar einen positiven Effekt für die allgemeine Gesundheit zu erzielen. Stefan Lorkowski vom Institut für Ernährungswissenschaften in Jena meint etwa, es sei naiv zu glauben, dass allein eine Änderung der Relation von Kohlenhydraten und Fetten ausreiche, um Gewicht zu verlieren. Es komme vielmehr auf die ernährungsphysiologische Qualität der Nahrungsmittel und vor allem die Energiebilanz an.

Zwar seien Low-Carb-Diäten kurzfristig häufig von Erfolg gekrönt. Das liege aber am ehesten daran, dass man sich für die Dauer der Diät intensiv mit der eigenen Ernährung auseinandersetze und bewusst weniger und meist auch Gesünderes zu sich nehme.

Individuell abgestimmt

Generell werden einseitige Diäten oder Ernährungsweisen von Ernährungsexpertinnen und Wissenschaftern immer weniger als zielführend angesehen. Der Trend geht vielmehr zur personalisierten, individuellen Ernährung – also jener Essensform, die zu einem passt und die man auch gut verträgt. Denn nur so könne man es schaffen, langfristig Erfolge zu erzielen. Knop betont: "Es gibt so viele gesunde Ernährungsformen, wie es Menschen gibt, denn jeder Mensch is(s)t anders."

Zu Beginn jeder Ernährungsumstellung empfiehlt der Experte deshalb, absolut ehrlich zu sich selbst zu sein. Jeder und jede soll sich die Frage stellen: Will ich wirklich abnehmen oder folge ich nur einem gesellschaftlichen Druck? Diese Selbstreflexion ist laut Knop das Mittel zum Erfolg. Dann muss der eigene, ganz persönliche Weg gefunden werden, der Weg, der perfekt zu einem passt. "Es bringt nichts, wenn Sie beispielsweise jeden Morgen frühstücken, obwohl sie keinen Hunger haben, nur weil sie gehört haben, dass ein gutes Frühstück dazugehört", sagt der Ernährungswissenschafter.

Auf den eigenen Körper zu hören ist also das Wichtigste – und vor allem: nur zu essen, wenn man wirklich Hunger hat. Knop erklärt: "Ein Grund für Übergewicht kann Emotional Eating, also emotionales Essen sein. Man isst nicht, weil man Hunger hat, sondern aus Kummer, Stress, Langeweile oder auch Einsamkeit." Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen. Wer beginnt, seinen Körper gut zu beobachten und so zu verstehen, was er braucht und was ihm guttut, kann eine langfristige Ernährungsumstellung starten. Dann sind auch keine Low-Carb- oder andere Diättrends mehr nötig. (Jasmin Altrock, 23.2.2022)