Auch beim Schnellladen sind Herstellerangaben mit Vorsicht zu genießen.

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Während sich chinesische Smartphone-Hersteller mit immer höheren Ladegeschwindigkeiten gegenseitig zu übertrumpfen versuchen, gibt man sich bei den Branchengrößen in dieser Hinsicht relativ zurückhaltend. Sowohl Apple als auch Samsung unterstützen bislang nur eine vergleichsweise konservative Ladeleistung. Mit der Galaxy-S22-Reihe sollte sich das nun eigentlich ändern, erste Tests zeichnen aber ein ziemlich ernüchterndes Bild.

Vergleich

Bei GSM Arena hat man sich die Ladeleistung mehrerer S22-Modelle mit unterschiedlichen Ladegeräten angesehen und kommt dabei zu einem für die Nutzer wenig erfreulichen Ergebnis. Das neue 45-Watt-Ladegerät macht nämlich kaum einen Unterschied zum alten 25-Watt-Netzteil.

So war ein S22 Ultra mit dem offiziellen 45-Watt-Ladegerät nach 30 Minuten bei einem Ladestand von 61 Prozent angekommen. Das ist an sich kein schlechter Wert, die Realität ist aber, dass mit einem 25-Watt-Charger im selben Test 60 Prozent erreicht wurden. Beim S22+ waren es 64 bzw. 62 Prozent – also ebenfalls ein kaum relevanter Unterschied.

Vollladung

In den Tests von Sammobile ist der Abstand zwar eine Spur größer, aber auch hier eigentlich in keinem relevanten Ausmaß – zumindest keinem, der die Anschaffung eines neuen Ladegeräts rechtfertigen würde. Vor allem, da der 45-Watt-Charger bei einer Vollladung des S22 Ultra gerade einmal um vier Minuten schneller war.

Keine Überraschung

Das ist aus Nutzersicht unerfreulich, allerdings auch nicht ganz überraschend, wie bereits vor einigen Monaten an dieser Stelle ausführlich erläutert wurde. Ein Teil des Problems ist schlicht eine falsche Erwartungshaltung, die durch zwar gängige, aber doch irreführende Angaben der Hersteller erzeugt wird.

Die volle Ladeleistung gibt es bei solchen Schnellladetechnologien generell nur für einen sehr kurzen Zeitraum, meist wenige Minuten ganz am Anfang des Ladeprozesses. Danach wird diese bald stark reduziert, um den Akku nicht zu sehr zu belasten. Das heißt auch, dass ein 45-Watt-Ladegerät schon prinzipiell bei weitem nicht so viel schneller ist, wie es die fast doppelte Ladeleistung vermuten lassen könnte.

Zudem wird gegen Ende hin dann schon sehr langsam geladen, wodurch bei der Gesamtladezeit dann kaum mehr ein nennenswerter Unterschied übrig bleibt. Das ist dann auch der Grund dafür, warum die Hersteller oft lieber angeben, wie viel Ladung in 30 Minuten zu erreichen ist, als wie lange eine Vollladung braucht. Zudem ist bekannt, dass so mancher der chinesischen Hersteller hier schummelt, um bessere Werte zu erzielen. Deren Geräte behaupten, dass sie vollgeladen sind, bevor das überhaupt der Fall ist.

Zu wenig Unterschied

Trotz all dem Gesagten überrascht das Ergebnis dann doch etwas, denn selbst wenn man dies bedenkt, sollte der Unterschied doch etwas stärker ausgeprägt sein. Entweder hat Samsung hier also tatsächlich irgendwie technisch gepatzt, oder man hat reichlich kreativ geworben – beziehen sich die 45 Watt doch nur auf das Ladegerät und heißen nicht notwendigerweise, dass das Smartphone auch wirklich so viel zieht.

Vorgeschichte

Ähnliche Diskussionen gab es schon vor einigen Monaten rund um das Pixel 6, bei dem sich herausstellte, dass es mit dem offiziellen 30-Watt-Charger nie über 23 Watt hinauskommt – was dann ebenfalls kaum mehr einen Unterschied zu früheren Ladegeräten darstellt. In diesem Fall gibt es aber zumindest eine Erklärung: Das entsprechende Ladegerät ist nicht zuletzt für den drahtlosen Pixel Stand gedacht, der ebenfalls eine Ladung mit 23 Watt ermöglicht. Und dafür braucht es aufgrund der Effizienzverluste durch Wireless Charging eben ein entsprechend starkes Netzteil.

Im Fall von Samsung wiederholt sich gewissermaßen die Geschichte: Schon beim Note 10+ im Jahre 2019 warb das Unternehmen mit 45 Watt Ladeleistung – nur um diese Behauptung nach sehr ähnlicher Kritik wieder zurückzuziehen. Umso überraschender ist, dass man dieses Spiel nun wenige Jahre später wiederholt. (apo, 22.2.2022)