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Bitcoin am Scheideweg: Crasht der Kurs, oder ist die Talsohle schon durchschritten?

Foto: BENOIT TESSIER/Reuters

Wer in Bitcoin oder andere Kryptowährungen investiert hat, braucht aktuell einmal mehr gute Nerven. Nach der Unsicherheit aufgrund erwarteter Zinsanpassungen durch die US-Notenbank sorgte in den vergangenen Tagen und Wochen vor allem die Zuspitzung des Russland-Ukraine-Konflikts für Nervosität in den Finanzmärkten. Dass Bitcoin und der Rest des Kryptomarkts davon nicht ausgenommen sind, zeigte sich einmal mehr in der Nacht auf Dienstag.

Putins Ukraine-Rede lässt Bitcoin-Preis abstürzen

Während bzw. nach Wladimir Putins Rede, in der der russische Präsident die Separatistengebiete in der Ostukraine anerkannte und die Entsendung von Truppen bekanntgab, gab der Bitcoin-Preis vorübergehend auf 36.400 Dollar nach und lag damit 20 Prozent niedriger als beim letzten Zwischenhoch vor etwa zwei Wochen. Wer freilich beim Allzeithoch im November 2021 bei knapp 70.000 Dollar eingestiegen ist, sieht sich aktuell mit einem Minus von 45 Prozent konfrontiert – bei vielen Altcoins sind die Verluste noch höher.

Die Signale, wie es mit Bitcoin und folglich dem gesamten Kryptomarkt weitergehen wird, sind äußerst widersprüchlich. Schon in den vergangenen Wochen mehrten sich einige Anzeichen darauf, dass die Talsohle für Bitcoin bei knapp 33.000 Dollar erreicht sein könnte. Die Angst vor einem großen Krieg mit Russland und den weitläufigen gesellschaftlichen, aber auch wirtschaftlichen Implikationen sorgte auch im Kryptomarkt für neue Panik. Manche der Parameter, die positiv gedeutet werden können, bleiben aber gültig.

Tatsächlich ist die Zahl der längerfristig gehaltenen Bitcoin erstaunlich hoch. 60 Prozent aller verfügbaren Coins wurden seit mindestens einem Jahr nicht bewegt, blieben trotz aller Volatilität von ihren Besitzern also unangetastet. Das suggeriert, dass das prinzipielle Vertrauen in die Kryptowährung über die Jahre steigt. Darauf deutet auch die aktuelle Rekordanzahl an über 9,5 Millionen Adressen hin, die zumindest 0,01 Bitcoin halten.

Wenige Bitcoin auf Kryptobörsen

Ein weiterer Hinweis darauf, dass es in den kommenden Tagen oder Wochen nicht zum Totalausverkauf kommt, ist auch die niedrige Zahl von Bitcoin, die auf Kryptobörsen zirkulieren. Der tiefste Wert seit drei Jahren könnte darauf hindeuten, dass die besonders vermögenden Bitcoin-Besitzer derzeit keinen Grund sehen, bei Preisen um und unter 40.000 Dollar zu verkaufen. Verschieben die sogenannten Whales riesige Bitcoin-Summen auf die Börsen, kann das ein Anzeichen dafür sein, dass große Verkäufe anstehen und der Preis – zumindest vorübergehend – crasht.

Das kurzzeitige Schicksal des Kryptomarkts dürfte abgesehen von den geopolitischen Turbulenzen aber ohnehin einmal mehr von den US-Börsen, dabei insbesondere den Technologieaktien sowie der Entwicklung des Dollars abhängen. Steigt der Dollar-Kurs, tut sich normalerweise auch der Bitcoin schwerer.

Gold profitiert von Krise

In der Kryptoszene hat sich bei vielen die Ansicht durchgesetzt, dass Bitcoin das neue digitale Gold ist, mit dem Kapital längerfristig gesehen etwa gegen die Inflation wertgesichert werden kann. In der aktuellen Situation trifft das bisher allerdings noch nicht zu. So erwies sich echtes Gold einmal mehr als Krisenanlage und steht aktuell mit 1.900 Dollar pro Unze beim höchsten Wert seit acht Monaten. Wer beim Allzeithoch im August 2020 Gold erworben hat, ist aktuell aber immer noch mit fast neun Prozent im Minus.

Die Bitcoin-Preisentwicklung der vergangenen Jahre in der Wochenansicht.
Foto: Tradingview

Wie gut oder schlecht der Kryptomarkt performt, ist ungeachtet der tiefroten Zahlen seit November 2021 zu einem Gutteil auch Sache der Perspektive und des beobachteten Zeitrahmens. Wer etwa während des Corona-bedingten Totalcrashs im März 2020 in Bitcoin investierte, hält aktuell immer noch bei plus 870 Prozent. Eine Investition in den Index der US-Techbörse Nasdaq brachte ein Plus von aktuell 140 Prozent, mit Gold steht im selben Zeitraum ein Plus von 30 Prozent beim eigenen Investment.

Damit bestätigt sich einmal mehr die Binsenwahrheit, dass es beim extrem volatilen Kryptomarkt besonders stark auf den richtigen Investitionszeitpunkt und ein entsprechendes rigoroses Risikomanagement ankommt. (Martin Stepanek, 22.2.2022)