Wenn erst einmal autonom fahrende Lkws auf den Straßen unterwegs sein werden – wie lange wird es dann noch dauern, bis der erste Countrysong in die Charts kommt, bei dem ein Trucker von seinem Truck verlassen wurde? Solche und ähnliche Gedanken können einem durch den Kopf gehen, wenn man auf der Autobahn unterwegs ist. Tatsächlich stieg das Verkehrsaufkommen der dicken Brummer während der Pandemie deutlich an, der Lkw-Verkehr legte von 2020 auf 2021 um acht Prozent zu. Auch im Vergleich zum Vorpandemiejahr 2019 nahm er um 2,6 Prozent zu, wie die Asfinag berechnete. Prognosen gehen sogar von einer weiteren Zunahme um 30 Prozent bis 2030 aus.

Der Transport ist für zehn Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich – 99 Prozent davon kommen von der Straße. Der Zuwachs des Güterverkehrs muss also auf der Schiene erfolgen, wollen wir an den Klimazielen festhalten und un seren Konsum, der die globalen Warenströme verursacht, nicht gänzlich überdenken.

Auch der Schienengüterverkehr hat in den vergangenen Jahren zugenommen – allerdings nicht so stark wie der Lkw-Verkehr. Und so sank der Anteil der Transporte auf der Schiene am gesamten Güterverkehr von 33 Prozent im Jahr 2010 auf 28 Prozent im Jahr 2020. Wie man bei der ÖBB Railcargo versichert, sei man damit immer noch EU-weit im Spitzenbereich. Dennoch sehe man im Wettbewerb mit der Straße einen "Kampf unter ungleichen Bedingungen".

Hauptargument Preis

Für die Straße als Transportweg spricht aus Unternehmenssicht einiges. Mit dem Lkw ist man flexibler, es geht einfacher, man ist billiger und oft auch schneller unterwegs – weil man mit dem Lastwagen von Tür zu Tür fahren kann, während das mit der Eisenbahn nur selten geht.

Inzwischen hat fast jeder Ort sein eigenes Industriegebiet. An Gleisanschlüsse hat man aber nicht gedacht. Schon da beginnt der Wettbewerb also ungleich zu werden.

Während eine Straßenanbindung an ein Betriebsgelände öffentlich finanziert werde, müsse man für eine Anschlussbahn selbst tief in die Tasche greifen, erklärt der Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Die Förderobergrenze liege bei 40 Prozent und maximal 2,5 Millionen Euro.

Rückbau der Infrastruktur

Schwer wiegt auch, dass immer mehr Gleise im ganzen Land rückgebaut werden, weil sie nicht mehr wirtschaftlich sind. Güterbahnhöfe im Stadtzentrum werden aufgelassen, Güterterminals oder Hubs als Warendrehscheibe eher an der Peripherie gebaut, was weiteren Verkehr generiert. Von einem gleisgebundenen Hub in der Stadt allerdings könnte man sogar mit alternativen Antrieben die letzte Meile einer Fracht bestreiten.

Eines der letzten Musterbeispiele, wie Bahnfracht funktioniert, kann man am Erzberg sehen. Dort wird das Erz vor Ort auf den Zug verladen und dann international zugestellt.

Den Laster einfach auf den Zug draufpacken – so einfach ist es leider nicht.
Foto: Marie Jecel

"Der große Vorteil der Schiene ist, dass man auf ihr sehr gut schwere Lasten transportieren kann", erklärt Wolfgang Schellerer, Geschäftsführer beim Transportunternehmen Felbermayr, das sich auf Spezialtransporte und Schwerlasten konzentriert. Die Bahn spielt ihre Vorteile vor allem bei Massengütern wie Kohle oder Stahl aus, generell eben bei allem, was sehr schwer ist und in großen Mengen transportiert wird. Der Nachteil ist, dass die Frachten wie auch auf der Straße nicht unendlich groß sein können – die Tunnel und Oberleitungen gelten hier als der limitierender Faktor. Es kommt hinzu, dass schwere Bahntransporte relativ teuer, Lkw-Transporte aber vergleichsweise günstig sind.

Keine Kostenwahrheit

Es gebe bei Lkws keine Kostenwahrheit, sagt Christian Gratzer vom VCÖ: "Durch mangelnde verursachergerechte Besteuerung ist der Lkw-Transport in der EU zu billig." Die externen Kosten des Güterverkehrs betragen in der EU 208 Milliarden Euro, "davon verursacht der Lkw-Verkehr 94 Prozent". Externe Kosten, die durch Gesundheitsschäden wegen Abgasen, Lärm oder Unfällen entstehen, durch Straßenabnützung oder wegen Klimaschäden, würden von der Allgemeinheit und künftigen Generationen bezahlt. Erst "mit der Einführung der CO₂-Bepreisung kommen wir langsam in die richtige Richtung".

Dramatisch fasst die Transportausgangs lage Sebastian Kummer, Professor für Transport und Logistik an der WU Wien, zusammen: "Bis auf den Umweltaspekt spricht alles für den Lkw. Die Bahn hat einen riesigen Nachteil, wenn etwas schwer prognostizierbar und schwer zu planen ist", sagt Kummer. Ist alles unsicher, gibt es zum Beispiel Lieferengpässe. Weiß ein Lieferant nicht, wie groß sein Transport sein wird, dann wird er das Verkehrsmittel wählen, das flexibler ist.

Kombinierte Verkehrslösungen

Dazu kommt eine längerfristige Entwicklung: Die Nachfrage nach Stahl, Kohle, also allem, was gut und viel mit der Schiene transportiert wird, geht laufend zurück. Dafür steigt die Nachfrage nach schnellen Konsumgütern. Zudem braucht der Güterverkehr auf der Schiene eine eigene Infrastruktur. Nur weil irgendwo ein Bahnhof steht, ist das nicht auch gleichzeitig eine Güterverladestation. Wenn es eine Trendwende im Güterverkehr geben solle, dann könne die, ist Kummer überzeugt, nur aus kombinierten Verkehrslösungen bestehen – der Nutzung von Bahn, Lkw und Binnenschifffahrt.

In Linz steht bereits ein solcher trimodaler Hafen. Wolfgang Schellerer ist auch überzeugt, dass es künftig wichtig sein wird, alle drei Verkehrsträger zu bedienen. Damit gehen noch andere Adaptierungen einher: "Große Behälter mit bis zu 500 Tonnen werden inzwischen direkt im Hafen produziert, um gleich verladen werden zu können."

Gerade besonders schwere Transporte nach Deutschland finden mittlerweile fast immer auf dem Wasserweg statt, weil sie auf der Straße nicht mehr genehmigt werden oder extrem teuer wurden. Doch auch die Binnenschifffahrt ist nicht problemlos – sie fährt durch Naturschutzräume und wird mit Öl betrieben. Das könnte man durch alternative Treibstoffe ersetzen. Wie auch den Sprit der Lkws. Aber wer weiß, ob die nicht schon jahrelang autonom fahren, bevor sie wirklich emissionslos werden. (Guido Gluschitsch, Daniela Rom, 24.2.2022)