Die Rohre sind zwar längst verbunden, die Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 liegt aber auf Eis.

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Es war in der Pressekonferenz Dienstagmittag, in der das vorläufige Ende der Ostseepipeline Nord Stream 2 verkündet wurde. Die umstrittene Leitung, in der Gas aus Russland nach Deutschland und weiter nach Zentraleuropa strömen sollte, gehe nicht in Betrieb, sagte Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Reaktion auf den russischen Einmarsch in den besetzten Gebieten der Ostukraine.

Dass Nord Stream 2 für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt wird, kommt nicht überraschend, wurde sie doch seit geraumer Zeit als möglicher Teil eines umfassenderen Sanktionspakets genannt. De facto wird mit diesem Schritt zumindest kurzfristig nicht mehr und auch nicht weniger Gas aus Russland nach Europa kommen. Die Röhre ist noch nicht zertifiziert, sie hätte bestenfalls im zweiten Halbjahr 2022 eine Betriebsbewilligung erhalten.

Europas Achillesferse

Moskau reagierte gelassen auf die Entscheidung, die Ostsee-Pipeline auf Eis zu legen. Die russische Regierung habe keine Angst und glaube nicht an Tränen, sagte Vize-Außenminister Andrej Rudenko laut der Nachrichtenagentur Tass.

Das Einfrieren des Projekts Nord Stream 2, in dem knapp 730 Millionen Euro der OMV – einer von fünf Finanzierungspartnern des Gazprom-Projekts – stecken, ist das nach außen hin sichtbarste Zeichen der verhärteten Fronten zwischen Ost und West. Andere Auswirkungen im Bereich Energie, einer der Achillesfersen Europas im Russland-Konnex, gab es am Dienstag nicht – außer bei den Preisen. Während die Liefermengen Berichten von Händlern und auch der heimischen Regulierungsbehörde E-Control zufolge unverändert geblieben sind, haben sich etwa Gas, insbesondere aber Rohöl deutlich verteuert.

Ölpreis so hoch wie seit 2014 nicht mehr

So ist der Preis für die in Europa maßgebliche Nordseesorte Brent schon Dienstagfrüh um knapp vier Prozent auf fast 100 Dollar je Fass (159 Liter) geklettert. Ähnlich hoch war der Preis für Rohöl zuletzt im September 2014, als Russland die Krim annektiert hatte. Österreich hat zuletzt rund zehn Prozent seines Rohölbedarfs aus Russland bezogen.

Im Gegensatz zu Öl ist Europas Abhängigkeit von Russland bei Gas deutlich größer. Rund 40 Prozent der in der EU benötigten Erdgasmengen kommen von dort, Österreich importiert gar 80 Prozent aus Russland. Wurde Erdgas zu Wochenbeginn auf der Erdgas-Handelsplattform CEGH (Central European Gas Hub) in Wien noch um 74 Euro je Megawattstunde (MWh) gehandelt, waren es am Dienstag mit 78 Euro um vier Euro mehr. Die Preise waren in den vergangenen Tagen aber auch schon bei 80 Euro je MWh, was laut Beobachtern die Nervosität der Märkte aufzeigt.

Verwundbar bei Gas

"Gas ist heikel", sagte Johannes Benigni, Energieanalyst bei JBC Energy, dem STANDARD. Russisches Gas lasse sich nicht so einfach und schon gar nicht kurzfristig ersetzen. Beispiel LNG (Liquified Natural Gas): "80 Prozent der weltweiten Flüssiggasmengen gehen nach Asien", weist Benigni hin. Wegen des vergleichsweise milden Wetters ist der Bedarf dort seit Jahresbeginn niedriger, und so konnte mehr LNG aus den USA nach Europa verschifft werden." Hat das mit dem Preis zu tun? "Nein", sagt Benigni. "Die Frage ist schlicht: Wer braucht das Gas? Wenn die Asiaten es brauchen, kaufen sie es, da können die Europäer rauf- und runterhüpfen, wie sie wollen. Die Asiaten werden immer mehr zahlen."

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Ein mit Flüssiggas befülltes Tankschiff, das möglicherweise von Katar aus Kurs auf Europa nimmt. Die EU möchte die Abhängigkeit von russischem Pipelinegas senken und verstärkt auf Liquified Natural Gas (LNG) setzen.
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Neben LNG, was sehr wohl eine Option für Europa sei und von Gasgroßhändlern auch gekauft werde, sollte Europa mehr darauf schauen, noch effizienter mit Energie umzugehen. Jede eingesparte Kilowattstunde sei besser als eine verbrauchte, egal ob in einem Gaskraftwerk erzeugt oder mittels Wind- bzw. Solarenergie, sagt Carola Millgramm, Leiterin der Gasabteilung in der E-Control. Entwarnung könne noch nicht gegeben werden, weil die ungewöhnlich tiefen Speicherstände sowohl in Österreich als auch anderswo in Europa über den Sommer erst wieder auf "normal" gebracht werden müssten. "Sonst haben wir dasselbe Problem im nächsten Winter", sagt Millgramm.

Die Nord-Stream-2-Pipeline, die bereits mit Gas befüllt ist und nur auf grünes Licht der Bundesnetzagentur in Bonn wartet, könnte irgendwann doch noch in Betrieb gehen, schätzen Beobachter. Der Begriff "irgendwann" sei aber gerade in der jetzigen Situation "sehr dehnbar", wird eingestanden. (Günther Strobl, 22.2.2022)