Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Ähnlich verhält es sich mit Blicken, Augenbewegungen, Gesichtsausdrücken und Körperhaltung.

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Ein Schulterzucken, vor der Brust verschränkte Arme oder eine hochgezogene Augenbraue: Ganz ohne Zuhilfenahme von Lautsprache können Menschen ihrem Gegenüber durch Mimik, Augenkontakt, Körpersprache, Gestik und Haltung unterschiedliche Dinge verständlich machen. Das funktioniert am besten, wenn wir einen Menschen gut kennen. Es klappt aber auch bei wildfremden Personen – teils gar mit FFP2-Maske vorm Gesicht –, wie sich etwa in der Schlange an der Supermarktkasse zeigt. Wippt jemand konstant mit dem Fuß und verdreht die Augen, verstehen wir das Signal: Die Person ist genervt, vielleicht gestresst, jedenfalls aber unzufrieden mit der langen Warterei.

Als wichtigster Kommunikationskanal neben der Lautsprache gilt das Gesicht. Mehr als 7000 verschiedene Ausdrücke können damit erzeugt werden und den emotionalen Zustand eines Menschen verraten. Augenkontakt und Blickrichtung zeigen indes, worauf die Aufmerksamkeit gerichtet ist.

Zwischen den Worten

Zu welchem Anteil Kommunikationsinhalte nonverbal transportiert werden, sorgt in der wissenschaftlichen Gemeinschaft noch immer für Debatten. Die Zahlen reichen von 25 Prozent bis hin zu 93 Prozent, wobei dieser Höchstwert in Studien eruiert wurde, die in den 1960er-Jahren durchgeführt und heute unter anderem aufgrund der geringen Anzahl von Teilnehmenden kritisiert werden. "Eigentlich ist es unmöglich, diese Anteile zu quantifizieren", sagt dazu Ulrich Ansorge vom Institut für Psychologie der Kognition, Emotion und Methoden der Universität Wien. Verbale Information sei zum Großteil überhaupt nicht durch nonverbale Information zu ersetzen. "In dem Sinne wird der größere Teil an Informationen verbal übertragen."

Während gewisse Komponenten nonverbaler Kommunikation kulturell höchst unterschiedlich aufgefasst werden, existieren auch starke Parallelen. Im 1872 erschienenen Buch "The Expression of the Emotions in Man and Animals" schrieb Charles Darwin, dass menschliche Ausdrucksformen von Emotionen angeboren und in allen Kulturen universell seien.

Weltweites Verständnis

Der US-amerikanische Psychologe Paul Ekman identifizierte im Zuge seiner Forschung sechs universelle Emotionen, die Menschen weltweit ähnlich ins Gesicht geschrieben stehen: Glück, Trauer, Wut, Ekel, Überraschung und Angst. Für Ansorge ist klar, dass "nonverbale Verständigung den Unterbau für die Entwicklung komplexer Kommunikation darstellt". Heute werde das in der Individualentwicklung deutlich.

"Der nichtverbale Säugling muss zwangsläufig nonverbal kommunizieren, um seine Bedürfnisse nach Nahrung und Schutz durch andere zu artikulieren und sicherzustellen", sagt Ansorge. Im Lauf der Evolution habe der Mensch anfangs im vorsprachlichen Niveau in Gruppen zusammengelebt. Nonverbale Elemente garantierten den sozialen Zusammenhalt und stellten sicher, dass Menschen schon in frühen Sozialverbänden systematisch Nahrung sammeln oder Tiere jagen konnten.

Erkenntnisse aus der Neurologie legen ebenfalls nahe, dass die menschliche Sprache durch Weiterentwicklung aus einer Gestensprache entstand. Die enge Nachbarschaft von Gehirnregionen, die an der Verarbeitung von Gesten und Sprachsignalen beteiligt sind, untermauert diese Hypothese. Mag die Frühphase dieser Entwicklung teils noch im Dunkeln liegen, so enträtseln Forschende heute immer subtilere Formen und Bestandteile nonverbaler Kommunikation.

Am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen erkannte ein Wissenschaftsteam, dass die Länge des Augenblinzelns in einem Gespräch bestimmt, wie ausführlich oder knapp die Antwort auf eine Frage ausfällt. Je länger das Blinzeln dauerte, desto kürzer wurde geantwortet.

Aufgrund der Corona-Pandemie hat sich die Kommunikation teils radikal verändert. Anstatt im Klassenzimmer oder im Besprechungsraum trifft man sich zum virtuellen Meeting. In etlichen Bereichen begegnen Menschen einander lediglich maskiert. Dass dabei vieles verloren geht und auch Missverständnisse aufkommen, scheint logisch. Zwar lassen Masken die wichtige Augenpartie frei, manche Scherze oder ironische Bemerkungen kommen ohne zugehöriges Grinsen aber nicht oder falsch an.

Irritation via Kamera

Wesentlich größere Beeinträchtigungen der Kommunikation verortet Ansorge bei virtuellen Gesprächen oder Lehreinheiten. Die Technik steht dem menschlichen Auge vielfach nach, geringe Auflösung und Helligkeit erschweren es, die Mimik des Gegenübers gut zu erkennen, zudem fallen über Körpersprache und -haltung transportierte Inhalte aus dem Bild und damit weg. Zusätzlich ist der Anblick des eigenen Kamerabildes enorm stressbesetzt. "Wir sind nicht daran gewöhnt, uns im Gespräch selbst zu sehen – dennoch wandert unsere Aufmerksamkeit stets zum eigenen Bild", sagt der Experte für Wahrnehmungspsychologie.

Das irritiere und koste Zeit, die ansonsten zur Interpretation des Gegenübers zur Verfügung stehe. Ansorge empfiehlt, das eigene Kamerabild abzuschalten, um sich besser auf andere Teilnehmende konzentrieren zu können. Ansonsten leiden etwa Einfühlungsvermögen und Anteilnahme. Eine Konsequenz zeige sich auch in der Lehre, wo Vortragende Studierende etwa auch durch nonverbale Signale mitreißen könnten. "Fällt diese Möglichkeit weg, leidet darunter die Motivation, den verbalen Inhalten zu folgen", sagt Ansorge. (Marlene Erhart, 1.3.2022)