Mark Lanegan ist tot. Derr US-Sänger starb im Alter von 57 Jahren in Irland.

Foto: Pias

Als vor zwei Jahren seine Autobiografie Sing Backwards and Weep erschien, wurden diese seine Unkraut-vergeht-nicht-Memoiren ein Bestseller und seitdem in mehrere Sprachen übersetzt. Es sind die Erinnerungen eines Ausnahmesängers: Mark Lanegan, geboren am 25. November 1964 in Ellensburg im US-Bundesstaat Washington, hinein in eine kaputte Familie, der im Punkrock einen Ausweg erkannte und sich Hals über Kopf darin verlor. Eine Besprechung des Buchs ist hier nachzulesen.

Dieser Weg führte ihn ab Mitte der 1980er innerhalb weniger Jahre auf die größten Bühnen der Welt – im Grunge-Boom bekam der Intimfreund von Kurt Cobain mit seiner Band Screaming Trees, noch so eine kaputte Familie, ein Stück vom Kuchen ab. Doch je größer der Erfolg wurde, desto mehr driftete Lanegan in seine Drogensucht ab.

Süchtig und obdachlos

Wiewohl beständig am Arbeiten und Veröffentlichen war der Sänger mit den damals langen roten Haaren schwer süchtig, dazu kriminell, gewaltbereit und obdachlos – bis ihm schließlich die Witwe Cobains, Courtney Love, das Leben rettete und ihn in eine noble Entzugsklinik nach Los Angeles verpflanzte. Das war Ende der 1990er.

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Was nach einem Happy End aussah, sollte keines werden. Zwar erlebte Lanegan in den Jahren danach eine zweite Weltkarriere, wurde ein großer Name, war jedoch beständig auf der Flucht vor seinen Dämonen. Er schien diese halbwegs im Griff zu haben, wenngleich immer wieder von Rückfällen die Rede war.

Schwere Covid-Erkrankung

Ende letzten Jahres erschien ein zweiter Band an Memoiren, Devil in a Coma, der seine Covid-Erkrankung aus 2020 beschreibt – ein Martyrium. Wochenlang lag er im künstlichen Koma, war taub und bewegungsunfähig – schien sich nach langen Monaten aber gefangen zu haben, doch nun ist Mark William Lanegan in Irland gestorben. Dort hatte er die letzten beiden Jahre verbracht.

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Lanegans Spuren in dem, was man unscharf mit Alternative Music bezeichnen kann, sind enorm. Mit den Screaming Trees gehörte er in den 1980ern zum Katalog des einflussreichen SST-Labels,; sie verzeichneten mit Nearly Lost You einen MTV-Hit aufgrund des Soundtracks zu Cameron Crowes Film Singles – und veröffentlichten 1996, als der Trend längst ausverkauft worden war, das phänomenale Album Dust.

Sein erstes Soloalbum The Winding Sheet (1990)das erste von mehreren, das der Mann mit den tätowierten Händen für Sub Pop einspielte – etablierte ihn nicht nur als Rocksänger, sondern auch als eigenständigen Songwriter und düsteren Balladenkaiser.

Unzählige Kollaborationen

Berüchtigt war er früh schon, berühmt wurde er wegen seiner Stimme, einem Kellerbariton, der viele und vielfältige Kollaborationen veredelte. Lanegan sang für The Queens of the Stone Age, betrieb mit Greg Dulli von den Afghan Whigs die Band Gutter Twins und sang für dessen Projekt Twilight Singers – oder zuletzt mit Kris Kristofferson und Moby.

Zu weiteren Wegbegleitern und Begleiterinnen zählten PJ Harvey, Isobel Campbell, Nick Cave, und natürlich war er tief in die Seattle-Szene und ihre unzähligen Projekte verstrickt. Etwa in die Allstar-Group Mad Seasons.

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Außerdem sang er auf dem letzten Album von Gun Club, bevor deren Kopf Jeffrey Lee Pierce kurz darauf starb. The Gun Club war jene Band, die ihm in den 1980ern sein Erweckungserlebnis beschert hatte – mit dem Album Fire of Love. Wobei seine Stimme so zerschossen war, dass die Aufnahme letztlich nicht verwendet wurde.

Er brachte Kurt Cobain den Blues nahe, wohnte mit seinem Freund Dylan Carlson von den Drone-Göttern Earth zusammen (Carson besorgte Cobains Schrotflinte) oder tourte als Sänger der Soulsavers im Vorprogramm von Depeche Mode um die Welt. David Gahan war natürlich auch ein Haberer.

Er stand im Vorprogramm von Johnny Cash auf der Bühne, als der mit seinen American Recordings eine Renaissance erlebte, oder mit Waylon Jennings oder dem Wu-Tang-Clan. Selbst mit dem Vorarlberger Matt Boroff nahm er auf.

Deep Soul und Elektronik

Zu seinen besten Soloarbeiten zählen Bubblegum oder die Sammlung von Coverversionen I'll Take Care of You. In den Zehnerjahren wagte er sich in elektronische Gefilde – mit teils etwas halbgaren Ergebnissen, blieb jedoch immer interessiert an neuer Musik.

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Im Gespräch erwies Lanegan sich als zurückhaltend und höflich, wiewohl seine explosive Art in seinen Memoiren nicht zu seinem Vorteil, dafür reichlich dokumentiert ist. Er war darin gnadenlos mit sich selbst, nannte sich mehr als einmal "das größtes Arschloch" auf Erden und belegte diese Behauptung auf vielen langen Seiten. Sing Backwards and Weep ist wohl eine der härtesten Musikerbiografien, die es gibt.

Gleichzeitig konnte er feinsinnig und fachkundig über Gospel reden, kannte sich im Deep Soul ebenso aus wie im Blues. Sein Humor war wie sein Spitzename "Dark Mark" mattschwarz. All das fand Eingang in seine Kunst, die dem Workoholic eine globale Fangemeinde beschert hat. Diese trauert nun um eine der besten Stimmen, eine der verwegenen Figuren des Fachs. Mark Lanegan wurde 57 Jahre alt, eine genaue Todesursache ist zurzeit nicht bekannt. (Karl Fluch, 22.2.2022)