Das P50 Pocket ist ein schickes Smartphone, das zur Benutzung einlädt.

Foto: STANDARD/aam

Das P50 Pocket ist klein und sexy – und es ist faltbar. Das erste wirklich ernstzunehmende Smartphone für die enge Hosentasche vom chinesischen Tech-Konzern Huawei bietet tatsächlich viel Platz für Lob, speziell was die Designsprache des Handys betrifft. Aber wenn man in den letzten Jahren beim Testen von Smartphones etwas gelernt hat, dann war es wohl der Spruch: Wo viel Glanz, da ist auch Schatten.

Faltbare Handys sind erwachsen geworden. Nach vielen Gehversuchen, die oftmals Kompromisse darstellten, bieten Hersteller wie Samsung, Oppo oder Microsoft mittlerweile spannende Ideen, die ihre Nische gefunden haben. Bei vielen trifft aber weiterhin das Motto "form follows function" zu, etwa wenn man aus einem Telefon gleichzeitig ein Tablet machen will. Das Pocket hingegen will gar nicht mehr sein als ein kleines Smartphone und scheint auf den ersten Blick vielmehr für ein Modemagazin entworfen zu sein als für Tech-Begeisterte. Die kleinen Diamanten, die die Oberfläche zieren, schmeicheln nicht nur den Augen, sondern auch den Fingern. Dann noch das Kameramodul, das ähnlich wie das Außendisplay die Form eines Bullauges hat und gemeinsam mit diesem den Gesamteindruck vermittelt, sie würden als Augenpaar die Szenerie beobachten.

Aber der Reihe nach.

Kein Spalt zu sehen – beeindruckend.
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Laute Designsprache

Wie erwähnt ist die Optik des Pocket eine der großen Stärken. Die hochwertige Verarbeitung lässt den nicht gerade niedrigen Preis von rund 1.300 Euro schon erahnen. Wer hier noch eins draufsetzen will, bestellt das Gerät in Gold – dezentere Naturen greifen zu den ebenfalls edel wirkenden Varianten in Weiß oder Schwarz. Die 190 Gramm, ein paar Sandkörner mehr Gewicht als das sich für einen Vergleich aufdrängende Samsung Flip 3, liegen gut in der Hand und bestätigen das Gefühl, hier viel Technik in der Hand zu haben.

Das wohl auffälligste Merkmal beim Pocket ist die Tatsache, dass das Smartphone im zusammengefalteten Zustand tatsächlich keinen Spalt lässt – es schließt praktisch nahtlos. Das sieht nicht nur sehr gut aus, es verhindert auch, dass sich weder Dreck noch in der Hosentasche befindliche Taschentücher in den Spalt verirren. Hier hat Konkurrent Samsung mit dem Flip 3 klar das Nachsehen.

Foodblogger freuen sich ebenfalls über gute Fotos.
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Klappt man das Handy auf, öffnet sich ein 6,9 Zoll großes 120-Hz-OLED-Display, das mit 2.790 x 1.188 Pixel auflöst und eine Pixeldichte von 442 ppi aufweist. Die meisten Käufer werden aus Interesse gleich an den Knick im Display fassen, um zu sehen, wie elegant diese bisherige Schwachstelle in vielen Smartphones gelöst wurde. Eines vorweg: so dezent wie beim Pocket durfte man diese Technik noch selten erleben. Natürlich ist die Stelle mit dem Finger spürbar, wenn man darüberfährt, etwa wenn man über eine Website scrollt. Wirklich störend oder sogar dazu führend, dass man mit dem Finger hänge bleibt, ist die Einbuchtung nicht. Auch optisch ist die Stelle wahrnehmbar, aber keine haltbaren Kritik wert.

Aufgrund der technischen Möglichkeiten verschwimmt das Display auch nicht oder gibt sich sonst große Blößen. Die Touch-Erkennung läuft mit 300 Hz, was jeglicher Eingabeverzögerung den Kampf ansagt. Das Format von 21:9 ist das klassische Kinoformat, was das Genießen von Filmen auf den diversen Streaming-Diensten ohne unangenehme Verzerrungen oder schwarze Ränder ermöglicht.

Wer mit einem Maßband zu Hause prüfen will, wie groß das Pocket im Vergleich zu seinem aktuellen Smartphone ist, dem seien folgende Zahlen anvertraut: Aufgeklappt reden wir von 170 x 75,5 x 7,2 Millimeter, zugeklappt von 87,3 x 75,5 x 15,2 Millimeter.

Mit 6,9 Zoll und einem 21:9-Format entfaltet das Smartphone im offenen Zustand seine wahre Größe.
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Starke Kameras

Das Pocket einfach aufgeklappt vor sich hinzustellen, um zum Beispiel gemütlich einen Videocall abzuhalten, funktioniert leider nur bedingt. Einrasten kann das Gerät nicht, weshalb man sich eigentlich nur zwischen geschlossenem und offenem Zustand entscheiden kann. Ist es zugeklappt, kann man dank eines 1 Zoll großen runden Displays ein paar grundsätzliche Funktionen abrufen, beispielsweise die Uhrzeit, einen Spiegel oder das Wetter. Für das Lesen von Nachrichten ist das an eine Smartwatch erinnernde Display leider nur bedingt geeignet – hier gibt sich etwa das Flip 3 mit einem dreimal so großen Bildschirm lesefreundlicher.

Neben dem kleinen Display befindet sich als optischer Zwilling das Kameramodul, bestehend aus einer 40-Megapixel-Hauptkamera, einer 13-Megapixel-Ultraweit-Kamera und einer 32-Megapixel-Ultra-Spectrum-Kamera. Letztere dient der Verbesserung der gemachten Aufnahmen. Die Selfie-Kamera mit 10,7 Megapixeln wird für die meisten Nutzer reichen.

Die Qualität der Bilder kann sich sehen lassen, sowohl bei Tag als auch bei Nacht. Speziell die Schärfe der Fotos weiß zu begeistern. Interessanterweise übertreibt es das Pocket oft mit der Farbsättigung, was Puristen mit Hang zu einer möglichst akkuraten Darstellung der Realität sauer aufstoßen könnte. So bleibt auch bei Huawei das Flagship P50 Pro in Sachen Kameraqualität vorn, der Abstand zu der faltbaren Konkurrenz wird allerdings zunehmend kleiner.

Ein völlig sinnfreies Feature, aber wohl dazu eingebaut, um Tests des Geräts noch etwas länger zu machen, ist die Möglichkeit eines Kameramodus mit dem Namen "fluoreszierend". Bei Nacht oder in dunklen Räumen sorgt das für – interessante optische Erlebnisse, wie man auf einem der im Test befindlichen Fotos erkennen kann.

Wer gerne Videos schießt, der freut sich auf eine 4K-Unterstützung, in Ultrazeitlupe darf zumindest in 1.080 p gefilmt werden. Ansonsten finden sich Standards wie Panoramaaufnahmen und ein Nachtmodus. Unter dem Punkt Dokumente erkennt die Kamera Rechnungen und Ähnliches auf einem Blatt Papier und schneidet automatisch den Rest des Bildes weg, um die Dokumente ohne weitere Bearbeitung verschicken zu können.

Nachtaufnahmen überzeugen, auch wenn die Farben oft intensiver wirken als notwendig.
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Da war noch was

Ja, es muss auch hier erwähnt werden: Auch das Pocket darf keine Google-Dienste nutzen. Es gibt zwar Wege, wie man manche davon zum Laufen bringt – etwa ein Gmail-Konto in der Mail-App von Huawei oder Outlook einrichten –, aber Google selbst warnt vor solchen Aktionen, lädt man doch eine dritte Partei auf den eigenen Datenhighway. Tatsächlich kann man aber mit vielen Microsoft-Apps Google fast vergessen machen – außer Maps, da gibt es tatsächlich keine Alternative.

Via die Suchfunktion Petal Search findet man ansonsten die meisten wichtigen Apps. Neben dem grünen Pass, der Lieblingsbank und Handyparken kann man so auch die populären Apps wie Netflix oder Tiktok laden. Wo die Apps genau heruntergeladen werden, weiß man nicht immer – elegant ist das nicht, und Datenschützer schlagen wohl genauso die Hände über dem Kopf zusammen wie Rechtsanwälte. Ja, der Play Store fehlt dem Pocket, das ist unbestritten. Noch immer nervig ist zudem das Huawei-Betriebssystem EMUI 12, das auch in seiner aktuellen 12er-Version sehr schnell im Hintergrund Apps schließt, wodurch man gelegentlich Nachrichten in diversen Messenger-Diensten verpasst.

Positiv anzumerken ist – und das ist für ein faltbares Smartphone nicht selbstverständlich –, dass der Akku einen sicher durch den Tag bringt, auch bei intensiver Nutzung von Apps und Spielen. Platz für zwei SIM-Karten findet sich genauso wie ordentliche Lautsprecher. Was hingegen fehlt, ist 5G-Unterstützung – verbaut ist der Snapdragon 888 4G aus dem Vorjahr, der aktuellen Vergleichen gut standhält, aber natürlich dennoch einen Kompromiss darstellt. Auf auf den bereits in den meisten aktuellen Smartphones verbauten Schutz gegen Staub und Wasser muss man verzichten.

Fotos im Modus "fluoreszierend" sind eine Spielerei, aber witzig für ein paar Aufnahmen in völliger Dunkelheit.
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Fazit

Die immer größer werdenden Flagship-Phones der meisten Hersteller schreien förmlich nach einer Möglichkeit, sie kompakter werden zu lassen, um auch in klassische Männerjeans zu passen – ja, auch für den Fall, dass man sich einfach nur bequem hinsetzen will. Das Pocket erfüllt diesen Zweck, besticht durch ein wunderbares Display, starke Kameras, einen verlässlichen Akku und ja, es fühlt sich wirklich gut an. Wer auf 5G und Google-Dienste verzichten kann beziehungsweise keinerlei Bedenken beim Sideloading von Apps verspürt, der bekommt mit dem Pocket ein edles Stück Hardware, das, zumindest was den Faltmechanismus betrifft, aktuell ganz vorn mitspielt.

Wer diese Kompromisse nicht eingehen will, der findet mit dem Flip 3 von Samsung eine weniger elegante, dafür aber um immerhin rund 250 Euro günstigere Alternative. Beide Faltphones sind bereits in Österreich verfügbar.

Disclaimer: Für den Testzeitraum hat Huawei dem STANDARD ein Gerät zur Verfügung gestellt.

(Alexander Amon, 24.2.2022)