Schlechte Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit, Umweltverschmutzung – all das soll mit dem Lieferkettengesetz verbessert werden. Der Entwurf liegt nun auf dem Tisch.

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Brüssel – Die EU-Kommission hat am Mittwoch den Gesetzesvorschlag für das Lieferkettengesetz präsentiert. Demnach sollen große europäische Unternehmen künftig laufend kontrollieren, ob ihre Zulieferer Umweltstandards und Menschenrechte einhalten. Liegen Verstöße vor, müssen die Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um die Situation vor Ort zu verbessern. Tun sie das nicht, drohen Geldstrafen und Schadenersatzzahlungen.

Die Regelung soll, wie berichtet, für Unternehmen gelten, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen und im Jahr mehr als 150 Millionen Euro Umsatz machen. In sensiblen Bereichen wie der Bekleidungsindustrie oder der Lebensmittelproduktion gelten besondere Regelungen: Hier sollen schon kleinere Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 40 Millionen Euro verpflichtet werden. Betroffen wären insgesamt rund 13.000 europäische Unternehmen.

Hehres Ziel, aber nicht durchführbar

Viel Lob erhält der Gesetzesentwurf jedoch nicht. Für Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich, verfolgt das Lieferkettengesetz zwar ein hehres Ziel, es sei aber weder durchführbar noch zielführend: "Dass der einzelne Händler in Österreich immer nachvollziehen können soll, unter welchen Bedingungen jeder Rohstoff gewonnen und jedes Vorprodukt hergestellt worden ist, das nach vielen Zwischenstationen irgendwann bei ihm landet, ist in der Praxis eine Illusion", sagt der Handelsexperte.

"Mit dem EU-Lieferkettengesetz ist es wie mit einem Tigerbaby: Wir sind sehr froh, dass es endlich da ist – aber die Augen muss es erst aufmachen und Zähne müssen noch wachsen", kommentiert Stefan Grasgruber-Kerl, Lieferkettenexperte bei der Menschenrechtsorganisation Südwind, den Entwurf. Ihm stößt sauer auf, dass nach dem aktuellen Entwurf nur die größten Konzerne in der EU davon betroffen wären. Das seien nur circa 0,2 Prozent der EU-Unternehmen. Die für die Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen so wichtige zivilrechtliche Haftung sei zwar enthalten, biete aber noch zu viele Schlupflöcher.

"Es ist höchste Zeit, dass Europa ein strenges Lieferkettengesetz bekommt", sagt SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath. Unternehmen müssten endlich Verantwortung für Klimakrise, Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung entlang der europäischen Lieferketten tragen.

Richtlinie "genau ansehen"

Die Wirtschaftskammer (WKO) sprach sich zwar für einen einheitlichen Rechtsrahmen aus, der vorgelegte Entwurf zum EU-Lieferkettengesetz sei jedoch ein "untaugliches Mittel" und für Unternehmen "in der Praxis nicht umsetzbar", sagt WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf. Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, teilte mit, dass die Industrie das Lieferkettengesetz unterstützen wird.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) begrüßte die Pläne, will sich eine entsprechende Richtlinie aber "sehr genau ansehen". Viele Unternehmen nähmen ihre Verantwortung im Bereich der Menschenrechte schon jetzt wahr, es dürfe nicht zu viel Bürokratie entstehen. Lob für den "ambitionierten Vorschlag" kam vom grünen Koalitionspartner. Er biete "eine Riesenchance für unsere Betriebe", sagt Grünen-Wirtschaftssprecherin Elisabeth Götze.

Der Vorschlag wird nun dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Billigung vorgelegt. Nach seiner Annahme haben die EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen und der Kommission ihre Umsetzungsvorschriften zu übermitteln. EU-Parlament-Vizepräsident Otmar Karas (ÖVP) betonte, dass die EU als größter Binnenmarkt der Welt nicht zulassen dürfe, dass es zu einem nationalen Fleckerlteppich unterschiedlicher Regelungen komme. Dafür werde sich das EU-Parlament einsetzen. (bpf, 23.2.2022)