"Meine Gedanken sind bei den Opfern dieser sinnlosen Aggression", sagt Ex-Kanzler Christian Kern.

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Eigentlich wollte der ehemalige ÖBB-Manager und Ex-Kanzler Christian Kern diesen Schritt nicht gehen. Nun sieht er keinen Ausweg mehr. Kern wurde nach seiner Zeit als SPÖ-Chef Aufsichtsrat der russischen Staatsbahn RZD. Das sei keine politische Aufgabe oder Lobbyingtätigkeit, sondern vielmehr ein Job für einen Branchenkenner, sagte er dem STANDARD vor wenigen Stunden. Da sah Kern noch keine Notwendigkeit dafür, sein Mandat aufgrund des Ukraine-Konflikts zurückzulegen. Der ehemalige Regierungschef warnte auch eindringlich vor einer offenen Konfrontation.

Staatsbahn "Teil einer Kriegslogistik geworden"

Mittlerweile greift Russland die Ukraine an. Und Kern zieht sich als Aufsichtsrat von der russischen Staatsbahn zurück. "Ich habe heute in den Morgenstunden die Organe der Joint Stock Company Russian Railways RZD darüber informiert, dass ich mein Mandat im Direktorium mit sofortiger Wirkung zurücklege", sagt Kern dem STANDARD. "Seit heute Nacht ist die RZD tatsächlich Teil einer Kriegslogistik geworden. Ich bedauere das zutiefst."

Kern betont, dieser Aufgabe aus inhaltlichem Interesse nachgekommen zu sein, aber angesichts der aktuellen Ereignisse sei diese Entscheidung leider alternativlos. "Meine Gedanken sind bei den Opfern dieser sinnlosen Aggression", schließt Kern.

Schüssel bleibt in seiner Position

Mit Wolfgang Schüssel sitzt überdies ein ehemaliger ÖVP-Regierungschef seit einigen Jahren im Board of Directors des russischen Mineralölkonzerns Lukoil. Bisher teilte Schüssels Sprecherin Heidi Glück mit, dass es keine Notwendigkeit gebe, dieses Mandat zurückzulegen. Das Unternehmen sei an der Londoner Börse notiert und keine Staatsfirma. Bei dieser Meinung bleibe Schüssel, erklärt Glück in einer neuerlichen Stellungnahme. "Es gibt derzeit auch kein Sanktionsregime gegen Lukoil."

Ex-Außenministerin Karin Kneissl wiederum sitzt im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft, der von einem Putin-Vertrauen geleitet wird. Kneissl wollte mit dem STANDARD zuletzt grundsätzlich nicht mehr sprechen. (Jan Michael Marchart, 24.2.2022)