Da ist der Wurm drin: Wurst- und Backwaren aus Marmor.
Foto: Simon Veres

Ohne Erwin Wurm wäre es vielleicht gar nicht dazu gekommen: Als der Szenegastronom Martin Ho eine Galerie für das seit 2021 von ihm bespielte Kleine Haus der Kunst gegenüber der Secession suchte, brachte ihn der Künstler mit seinem Berliner Galeristen zusammen. Szenestar Johann König wollte schon länger einen Standort in Wien aufbauen. Et voilà – knapp ein halbes Jahr nach der Eröffnung wird Erwin Wurm eine Einzelausstellung gewidmet.

In dieser serviert der 1954 in Bruck an der Mur geborene Künstler ein Menü von gigantischem Ausmaß: Zu prallen Wurstwaren wie Frankfurtern, Knackern und einem Kärntner Hartwürstel reicht er typisch österreichisches Gebäck wie ein Salzstangerl, eine Langsemmel und sogar ein Kipferl. Auf Betonsockeln ragen die aus Marmor gefertigten Lebensmittel vertikal und stramm, ja fast brav in die Luft.

Werktitel oder Promi-Kindernamen? "Dignity", "Sublime", "Subject" und "Doubt".
Foto: Simon Veres

Toxisches Kulturgut

Das Paar Frankfurter beispielsweise mutet mit seinen Ausmaßen fast wie ein Fetisch an: Es misst fast drei Meter, wiegt drei Tonnen und besteht aus weißem Paonazzo-Marmor. Steinsorten wie Breccia oder Opera Fantastica zeichnen ihre einzigartigen Musterungen über die Bäuche und Falten der Backwaren

Gewohnt Banales wird bei Wurm ins Überdimensionale aufgeblasen, Alltägliches mit Außergewöhnlichem kombiniert, Materie und Material steigen in den Ring. Alles ironisch natürlich! Nach den bekannten Gurkerl-Skulpturen vervollständigt er so seine Würstelstand-Speisekarte sowie das phallische Formen-Repertoire.

Wurm bezeichnet die einfache Kombination aus Semmel und Würstel als wichtiges Gericht aus Kindheit und Studentenzeit. Außerdem versteht er sie als gesellschaftliches Sinnbild auch auf einer Metaebene: "Es steht auch für eine bestimmte Kategorie an weißen Männern, die sich am Würstelstand über ihr Weltbild unterhalten – ein Weltbild, das von Enge, Vorurteilen und Intoleranz geprägt ist, von antifeministischer Haltung gar nicht zu sprechen", so die Erklärung im Pressetext. Wurst als toxisches Kulturgut?

Mahlzeit: Knacker, Langsemmerl, Kärntner Hartwürstel, Frankfurter.
Foto: Simon Veres

Knacker namens "Honor"

Die Titel der Skulpturen treiben das Spielchen ad absurdum und erinnern an Promi-Kindernamen: Respect, Dignity oder Honor. Sie alle stammen aus der Werkserie Icons, die Wurm in den letzten zwei Jahren geschaffen hat, bereits 2021 zeigte sein Salzburger Galerist Thaddaeus Ropac einige Arbeiten daraus. Von den nun im Kleinen Haus der Kunst ausgestellten großen Skulpturen sind drei von Ropac, die restlichen stammen von König.

Obwohl man das nicht an die große Glocke hängen möchte, wird auch künftig auf Zusammenarbeit gesetzt. Von Gerüchten, die zur Eröffnung der König-Galerie in Wien kursierten, dass es sich mehr um einen Ausstellungsraum als um eine Verkaufsgalerie handle, distanziert man sich. Als klassische Galerie wird es alle zwei Monate eine neue Ausstellung geben, auch digitale Künstler wie der gefeierte Refik Anadol sollen nach Wien kommen. Szene trifft also Szene. (Katharina Rustler, 25.2.2022)