Kann das Immunsystem selbst keine Antikörper produzieren, sollen das als Injektion verabreichte monoklonale Antikörper übernehmen.

Foto: imago images/Alexander Limbach

Es gibt die Menschen, die nicht geimpft werden können – oder die trotz Impfung nur eine sehr schwache Immunantwort produzieren. Das sind vor allem jene, deren Immunsystem aus Therapiegründen unterdrückt wird: etwa Menschen, die mit einem transplantierten Organ leben, oder jene, die Blutkrebs haben oder sich gerade einer Chemotherapie unterziehen müssen. Auch Dialysepatienten gehören dazu oder jene, die von einer Autoimmunkrankheit betroffen sind – zum Beispiel multiple Sklerose oder rheumatoide Arthritis.

Da ihr Immunsystem nicht ungehindert arbeiten kann, sind sie besonders anfällig für einen schweren Covid-19-Verlauf. Bis jetzt gab es neben der Impfung nur wenige Medikamente, die, bei einer Infektion in der Frühphase verabreicht, einen schweren Verlauf verhindern sollten. Ein vorbeugendes Pharmazeutikum war bislang nicht verfügbar.

Es gibt allerdings ein entsprechendes Medikament, das für Risikopatienten eine Art Alternative zur Impfung sein kann. Bei dem Medikament Evusheld, entwickelt vom Pharmaunternehmen Astra Zeneca, handelt es sich um monoklonale Antikörper, die, im Unterschied zu den bereits zugelassenen, bereits vor einer Infektion gegeben werden.

Einmalige Verabreichung

"Diese Antikörper werden, wie auch alle anderen, aus B-Zellen von genesenen Patienten gewonnen", erklärt Markus Zeitlinger, Pharmakologe an der Med-Uni Wien. "Dafür bringt man die Zellen dazu, im Reagenzglas immer weitere Antikörper zu produzieren. Diese werden dann biochemisch modifiziert, damit sie eine möglichst lange Halbwertszeit im Körper haben." Normalerweise würden die monoklonalen Antikörper nämlich innerhalb weniger Wochen abgebaut werden. Durch die Modifizierung sind Patientinnen und Patienten, die sie bekommen, zwischen sechs Monaten und einem Jahr geschützt.

Verabreicht wird das Medikament intramuskulär mittels Injektion. Es ist sehr gut verträglich, Nebenwirkungen gibt es praktisch nicht. "Direkt nach der Injektion kann es theoretisch zu einer allergischen Reaktion kommen. Das passiert aber sehr selten, etwa im Bereich 1 zu 1.000, man beobachtet die Menschen einfach eine Weile", weiß Zeitlinger. Zu einem späteren Zeitpunkt sind keine Nebenwirkungen bekannt.

Zusätzliche Schutzmöglichkeit

Das Gesundheitsministerium hat nun einen Vertrag mit Hersteller Astra Zeneca abgeschlossen, um für Menschen, bei denen eine Impfung nicht wirkt, eine Alternative zu haben, wie Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) betont: "Ich bin froh, dass wir nun auch dieser vulnerablen Gruppe eine Schutzmöglichkeit bieten können. Die Arzneimittel stellen eine wirksame Zusatzmaßnahme für Risikopatientinnen und -patienten dar, nutzen wir sie."

Evusheld wird im Laufe des März in Österreich verfügbar sein. Die Antikörperkombination wurde vor allem für Hochrisikopatientinnen und -patienten entwickelt, die entweder eine unzureichende Immunantwort auf einen Covid-19-Impfstoff aufweisen oder die nicht mit einem verfügbaren Covid-19-Impfstoff geimpft werden können und somit ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. In Österreich wird es vorbeugend zum Einsatz kommen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Patientinnen und Patienten noch nicht mit dem Virus in Kontakt gekommen sind.

Evusheld kann laut Mückstein in Österreich im Rahmen eines sogenannten Compassionate Use Programme bereits vor der Zulassung für Patienten mit besonders schweren chronischen oder lebensbedrohlichen Erkrankungen zur Verfügung gestellt werden. In den USA und weiteren Ländern wurde bereits eine Notfallzulassung für die Präexpositions-Prophylaxe von Covid-19 erteilt. Im Oktober 2021 startete die europäische Arzneimittelbehörde EMA ein laufendes Überprüfungsverfahren (Rolling Review). Sollten sich die Erwartungen und bisherigen Erkenntnisse bestätigen, ist daher bereits in wenigen Monaten mit einer Zulassung zu rechnen.

Nur für kleine Gruppe geeignet

Die Daten aus der Phase-III-Präventionsstudie "Provent" zeigen laut dem Hersteller eine robuste Wirksamkeit nach einer einmaligen intramuskulären Dosis. Im Vergleich zum Placebo verringerte Evusheld das Risiko, eine symptomatische Covid-19-Erkrankung zu entwickeln, um 83 Prozent, einen schweren Verlauf sogar zu 100 Prozent. Durch die lange Halbwertszeit der Antikörperkombination von Tixagevimab und Cilgavimab hielt die Wirkung mindestens sechs Monate an.

Was bedeutet das nun konkret? An der Studie haben rund 2.000 Personen teilgenommen, zwei Drittel erhielten das Medikament, ein Drittel ein Placebo. 17 Personen in der Placebogruppe hatten sich angesteckt, in der Gruppe, die Evusheld erhielt, waren es acht Personen. Da in dieser Gruppe doppelt so viele Menschen waren wie in der Placebogruppe, ergibt sich die Risikoreduktion um 83 Prozent. Pharmakologe Zeitlinger erklärt: "Das ist ein sehr gutes Ergebnis, allerdings müssen immer noch etwa 100 Personen eine Injektion bekommen, um einen Krankenhausaufenthalt zu verhindern."

Für jene, für die das Medikament zugelassen ist, sieht Zeitlinger es als wichtige Alternative, aber: "Ich würde diese Menschen trotzdem impfen, sie profitieren grundsätzlich davon, auch wenn die Immunität nicht ausreicht." Der Vorteil des Medikaments ist, dass es durch die einmalige Verabreichung logistisch relativ einfach in der Handhabung ist. In der Anwendung dürfte es aber eher teuer sein. Ein genauer Preis ist nicht bekannt, er dürfte sich bei etwa 3.000 Euro pro Dosis bewegen. Und ein Ersatz für die Impfung ist es natürlich nicht, es ist lediglich eine wichtige Zusatzschutzvariante für besonders Gefährdete.

Bei Omikron abgeschwächte Wirkung

Und es gibt einen weiteren Nachteil: Bei der Omikron-Variante ist die Wirksamkeit mit Sicherheit schlechter, weiß Zeitlinger: "Dieser monoklonale Antikörper hat, wie alle anderen auch, Wirksamkeitseinbußen bei Omikron. Die Zulassungsstudien wurden mit früheren Virusvarianten durchgeführt. Wir sehen im In-vitro-Modell, dass der Schutz bei Omikron deutlich schlechter ist." Eine Schutzwirkung ist nach wie vor gegeben, aber der monoklonale Antikörper muss mit Sicherheit an neue Varianten angepasst werden. (Pia Kruckenhauser, 24.2.2022)