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Gas strömt noch ungehindert durch die Leitungen, die Preise haben aber wie bei Rohöl einen Satz nach oben gemacht.

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Es ist wieder einmal eingetreten, was bei Krisen oder Kriegen mit geopolitischen Implikationen immer passiert: Die Aktienbörsen schmieren ab, die Energiebörsen kriegen sich gar nicht mehr ein. Erstmals seit 2014 ist der Preis für Rohöl am Donnerstag auf fast 106 Dollar je Fass (159 Liter) geschnellt. Vor acht Jahren war es die Annexion der Krim, die die Märkte geschockt hatte, jetzt treibt der Einmarsch Russlands in der Ukraine auch den Gaspreis in lichte Höhen.

Das Ende der Fahnenstange ist das, was wir jetzt gezeigt bekommen, noch nicht. Experten sehen den Ölpreis schon bei 125 Dollar je Fass – und beim Gaspreis spricht einzig die Jahreszeit dafür, dass sich mit Auslaufen der Heizsaison eine leichte Entspannung, freilich auf hohem Niveau, einstellen wird. Die russische Aggression ist zweifellos der Auslöser, aber nicht der einzige Grund für die Preisexplosion.

Rohöl

Mit einer Tagesproduktion von rund 11,5 Millionen Fass ist Russland der drittgrößte Erdölproduzent der Welt nach den USA und Saudi-Arabien. Etwa zehn Prozent des in Österreich verarbeiteten und verbrauchten Rohöls ist russischen Ursprungs.

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Während der Pandemie wurde die Produktion von Rohöl zurückgefahren. Die Reservekapazitäten sind bescheiden. Auch das treibt die Preise nach oben.
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Der Einmarsch Russlands in die Ukraine kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, abgesehen davon, dass es einen günstigen gar nicht geben kann. Die weltweiten Reservekapazitäten, die kurzfristigst mobilisiert werden könnten, liegen nach Berechnungen der US-Bank JP Morgan aktuell bei 2,8 Millionen Fass am Tag. Das ist um fast die Hälfte weniger als die Menge, die historisch gesehen als guter Puffer zur Entschärfung von Preisspitzen in Krisen gegolten haben.

Ein Grund ist die Pandemie. Mit dem Ausbruch von Corona im Frühjahr 2020 haben die internationalen Ölkonzerne die Produktion im Gleichschritt mit der stark gesunkenen Nachfrage infolge des Wirtschaftseinbruchs drastisch zurückgefahren. Auch Investitionen in neue Förderstätten wurden großteils auf Eis gelegt. Für das Weltklima war das zwar gut, für die Brieftaschen der meisten Bürger und Bürgerinnen ist es schon jetzt und in Zukunft wohl noch mehr eine Last.

Die globale Nachfrage nach Rohöl wird Schätzungen zufolge heuer im Schnitt auf gut 100 Millionen Tagesfass steigen. Hohe Nachfrage bei weniger Zusatzproduktion und starken Zweifeln, wie es mit Russland weitergeht, heißt hohe Preise.

Gas

Bei Erdgas ist die Abhängigkeit des Westens von Russland noch ausgeprägter als bei Rohöl. Russland ist Europas mit Abstand wichtigster Erdgaslieferant, etwa 40 Prozent des in der EU verbrauchten Gases kommen dorther. Österreich bezieht gar 80 Prozent des Gases aus dem Osten. Die Preise sind nach dem Einmarsch in der Ukraine stark gestiegen, sodass sich die von Dimitri Medwedew geäußerte Drohung nicht mehr unrealistisch anhört. Russlands früherer Präsident hat über Twitter verbreitet, dass sich die Gaspreise nach dem vorzeitigen Aus für die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 auf 2000 Euro je 1000 Kubikmeter verdoppeln könnten.

Russische Gaslieferungen durch die Ukraine nach Österreich waren am Donnerstag durch den Einmarsch Russlands im Nachbarland nicht beeinträchtigt.
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Zum Zeitpunkt seiner Aussage am Dienstag lag der Preis für Gas an der Amsterdamer Börse bei 830 Euro oder 79 Euro je Megawatt. Aktuell liegt der Preis bei 115 Euro oder rund 1215 Euro pro 1000 Kubikmeter. Dabei haben sich die Gaspreise bereits seit dem Sommer vervielfacht.

Nun mehren sich Stimmen, die auf eine Diversifizierung des Gasbezugs drängen. Zweitwichtigster Gaslieferant für Österreich ist Norwegen. Auch dieses Gas kommt über Pipelines, kostet dem Vernehmen nach aber um einiges mehr als das Russengas. Dabei geht es – wohlgemerkt – um die in Langfristverträgen vereinbarten Liefermengen. Diese Preise sind um einiges tiefer, als die auf den Spotmärkten gehandelten Mengen an Gas kosten. Wirklich in die Karten schauen lässt sich niemand. Diversifizieren ist aber leichter gesagt als getan.

Eine oft genannte Option ist Flüssiggas (LNG), das per Schiff aus anderen Weltgegenden nach Europa geholt werden könnte. Insbesondere Frankreich und Spanien, aber auch Italien beziehen LNG bereits in größerem Stil; sie haben in den vergangenen Jahren die entsprechende Infrastruktur geschaffen, sprich in Entladeterminals investiert. Aber auch hier gilt: LNG ist in der Regel um einiges teurer als Pipelinegas, weil Zusatzkosten für die Verflüssigung des Gases und die anschließende Regasifizierung sowie den Schiffstransport anfallen.

In Europa geht die Produktion seit Jahren zurück. Was die Situation zuletzt verschärft hat, sind die vergleichsweise schwach gefüllten Gasspeicher. Bei den Lieferungen aus Russland wurde am Donnerstag Entwarnung gegeben, Gas komme an wie vereinbart.

Haushalte

Für alle, die mit Gas heizen oder kochen, bedeutet das zumindest preislich nichts Gutes. Viele Haushalte haben schon Post von ihrem Energieversorger und die Information erhalten, dass sich Gas, aber auch Strom verteuern.

Heizen mit Gas ist teuer wie schon lange nicht und wird vermutlich noch längere Zeit teuer bleiben.
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Elektrische Energie ist deshalb vom Gaspreis beeinflusst, weil sie nicht nur in Wasserkraftwerken oder mittels Wind- und Solaranlagen erzeugt wird, sondern insbesondere im Winter mangels Alternativen auch in Gaskraftwerken. Die jüngsten Vorkommnisse rund um die Ukraine und das, was noch kommen könnte, deuten jedenfalls nicht auf eine Entspannung an der Preisfront hin.

Autofahrer

Schlechte Karten haben derzeit, und wohl noch länger, Autofahrer und Autofahrerinnen. Die Preise für Benzin und Diesel, die in Österreich bereits in der Vorwoche Rekordhöhen erreicht haben, sind weiter im Steigen begriffen.

Tanken geht jetzt schon schwer ins Geld und wird in den kommenden Tagen vermutlich noch teurer.
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Wer mit dem Elektroauto fährt, ist auch nicht aus dem Schneider. Wer nicht die Möglichkeit hat, die Autobatterie mit Strom vom eigenen Dach zu laden, muss dies an der Stromtankstelle tun, zu bereits gestiegenen und voraussichtlich noch weiter steigenden Preisen. (Günther Strobl, 25.2.2022)