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Der russische Finanzsektor wurde durch die Sanktionen des Westens massiv eingeschränkt. In den USA müssen Banken innerhalb von 30 Tagen alle Konten der Sberbank (Russlands größte Bank) schließen, die bislang Geschäfte in US-Dollar ermöglicht haben. Die VTB (Russlands zweitgrößte Bank) ist von noch härteren Maßnahmen getroffen. Fast 80 Prozent aller russischen Bankvermögen sieht laut dem US-Finanzministerium damit Ziel der aktuellen Sanktionen.

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Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit seinem Einmarsch in der Ukraine neue Fakten geschaffen. Auf diese hat die EU in der Nacht auf Freitag mit neuen Sanktionen reagiert. Heftig umstritten war innerhalb der EU die Frage, ob man Russland vom internationalen Zahlungsverkehr Swift ausschließen soll. Diese Karte wurde am späten Samstagabend gezogen. Welche Maßnahmen jetzt beschlossen wurden und wie hart diese Russland treffen.

Frage: Welche neuen Sanktionen hat die EU gegen Russland beschlossen?

Antwort: Gemeinsam mit den USA und Großbritannien wurde ein umfangreiches Sanktionspaket beschlossen. Im Wesentlichen zielen die Maßnahmen auf die Bereiche Transport, Export, Energie und das Finanzsystem ab. Ziel ist es, die russischen Banken vom internationalen Finanzsektor auszuschließen. Mit den Sanktionen gegen den Transportsektor soll verhindert werden, dass der russische Luftverkehr an Ersatzteile und technische Komponenten kommen kann. Exportkontrollen gibt es auch für Hightech-Produkte und Software. Die wirtschaftliche Entwicklung Russlands und die Entwicklung in den Bereichen Industrie, Hochtechnologie und Weltraumtechnik sowie im Erdölbereich soll damit geschwächt werden.

Frage: Was bedeuten die Maßnahmen für die russischen Banken?

Antwort: Das Ziel ist, Russlands Bankensektor von allen Geschäften im westlichen Finanzsystem auszuschließen. Die betroffenen Institute können weder neue Kredite vergeben noch welche aufnehmen und auch keine Geschäfte mit anderen westlichen Banken machen. Damit verliert der russische Finanzsektor seinen Zugang zum US-Dollar, der für die Abwicklung internationaler Geschäfte gebraucht wird. Für die Ratingagentur Fitch hat dieser Schritt große Auswirkungen, weil er sich auch auf die Kreditwürdigkeit der russischen Banken auswirkt. Generell sei es effektiv, den Finanzsektor zu treffen, sagt Lisandra Flach vom Ifo-Institut zur "Süddeutschen Zeitung". Das schade den russischen Unternehmen stark und sei deshalb wirksamer als andere Sanktionen. Damit wird auch die Refinanzierung russischer Staatsunternehmen in der EU verhindert.

US-Institute müssen innerhalb von 30 Tagen alle Konten der Sberbank (Russlands größte Bank) schließen, die bislang Geschäfte in US-Dollar ermöglicht haben. Die VTB (Russlands zweitgrößte Bank) ist von noch härteren Maßnahmen betroffen. Fast 80 Prozent aller russischen Bankvermögen sind laut dem US-Finanzministerium damit Ziel der Sanktionen.

Ursula van der Leyen hat mit ihren Kollegen ein weitreichendes Sanktionspaket gegen Russland vorgelegt.
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Frage: Angekündigt wurde, dass "die EU das härteste Sanktionspaket beschließt, das sie je beschlossen hat" – so formulierte es der Außenbeauftragte Josep Borrell. Ist das so?

Antwort: Na ja – es sind aktuell sehr weitreichende Maßnahmen, die vor allem die wirtschaftliche Entwicklung Russlands verzögern sollen. Die Sanktionen zielten darauf ab, das Wirtschaftswachstum zu lähmen, Kreditkosten zu erhöhen, die Inflation zu steigern, den Kapitalabfluss zu verstärken und die industrielle Basis allmählich "auszuhöhlen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Der Ausschluss großer Banken vom europäischen und amerikanischen Markt heißt, dass russische Kreditinstitute mit Zweigstellen in der ganzen Welt ihre Geschäftsgrundlage in den USA und der EU verlieren.

"Alle Möglichkeiten, um Russland zu schaden, hat die EU bislang aber noch nicht ausgeschöpft", sagt Harald Oberhofer, Professor am Institut für Internationale Wirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien, der "Zeit". Es scheine, als wolle sich die EU vorbehalten, noch einmal nachzuschärfen, wenn die aktuellen Sanktionen Putin nicht an den Verhandlungstisch zurückführen, sagt Oberhofer.

Frage: Was ist Swift eigentlich?

Antwort: Swift ist ein sicheres Kommunikationssystem unter Banken, das für die internationale Abwicklung von Zahlungen gebraucht wird. Ein Beispiel: Möchte Kunde A Geld an Kunden B im Ausland überweisen, dann schickt die Bank von Kunde A eine Swift-Nachricht an die Bank des Kunden B. In dieser standardisierten Nachricht stehen der Absender, der Betrag, die Kontonummer und der Swift-Code (BIC) der Bank. Aufgrund dieser Informationen nimmt Bank B die Gutschrift vor.

Frage: Wie groß ist Swift?

Antwort: Derzeit nutzen mehr als 11.000 Banken, Börsen und Finanzdienstleister in 210 Ländern dieses Netzwerk. 2005 wurden täglich rund fünf Billionen Dollar über Swift auf Bankkonten angewiesen, im Jahr 2018 ist der Betrag auf 35,62 Billionen Euro gestiegen. Juristisch abgesicherter Zahlungsverkehr über Ländergrenzen hinweg ist heute praktisch nur mit Swift möglich.

Frage: Seit wann gibt es Swift, und wem gehört das System?

Antwort: Swift steht für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication. Organisiert ist Swift als Genossenschaft, diese ist im Besitz privater Großbanken. Swift sitzt in Brüssel, genauer gesagt in La Hulpe. Seit 1973 wird dieses System für Überweisungen genutzt. Neben dem Swift-Board haben die Zentralbanken der G10-Länder (USA, Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, die Niederlande und Schweden) eine Aufsichtsfunktion.

Frage: Wurde Swift bei anderen politischen Konflikten schon als Maßnahme eingesetzt?

Antwort: Ja. Im März 2012 wurde erstmals in der Geschichte des Netzwerks der internationale Datenverkehr zwischen Swift und den iranischen Banken blockiert. Das erfolgte als Maßnahme der EU und des Europäischen Rats gegen wegen des iranischen Atomprogramms. Der iranische Außenhandel brach daraufhin ein, es kam damit in der Folge aber zu einer Versorgungskrise im Land. Die Maßnahme galt von 2012 bis 2016 und gilt erneut seit 2018. Der Zahlungsaustausch mit dem Iran erfolgt seither nur noch durch Transfer von Bargeld über Grenzen sowie über kleinere iranische Banken, die noch nicht blockiert sind.

Eine Blockade für den internationalen Zahlungsverkehr würde Russland hart treffen – aber auch die Bevölkerung und in Russland tätige westliche Unternehmen.
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Frage: Was bedeutet es, Russland aus Swift auszuschließen?

Antwort: Russland könnte Zahlungen dann keineswegs mehr so schnell und so gut gesichert abwickeln wie bisher. Russland hat in den vergangenen Jahren aber sein eigenes Zahlungssystem SPFS aufgebaut, an das viele Banken in Anrainerstaaten wie Kasachstan, Armenien oder Kirgisistan angeschlossen sind. So könnten Banken Zahlungen mit Swift beispielsweise nach Kasachstan schicken und von dort aus mit dem russischen Zahlungssystem nach Russland weiterleiten – zumindest solange die beteiligten Banken selbst nicht sanktioniert sind. "Das wurde schon zu Sowjetzeiten so ähnlich gemacht", sagte der Experte Sergej Hestanow vom russischen Broker Otkritie Investizii im russischen Wirtschaftssender RBK.

Frage: Warum zögerte der Westen, Russland von Swift zu trennen?

Antwort: Weil es ein Rückschlag sein könnte für den Westen. Ohne Swift gerät man quasi zurück in eine Welt, in der Bargeld wieder physisch um die Welt gebracht werden muss. Leiden die Zahlungsströme, leiden auch die Warenströme. Das wiederum würde viele Unternehmen im Westen treffen. Westliche Unternehmen, die in Russland produzieren, würde eine Trennung von Swift ebenso treffen, weil deren Einfuhren, Ausfuhren oder Einkäufe vor Ort nicht mehr so einfach möglich wären, wenn der Zahlungsverkehr blockiert würde. Auch Forderungen westlicher Unternehmer an russische Firmen wären nur noch schwer einzufordern. Das könnte sich negativ auf die Liquidität westlicher Unternehmen auswirken. Zudem würde ein Ausschluss von Swift auch die russische Bevölkerung treffen.

Frage: War es das jetzt mit den Sanktionen, oder folgen noch weitere?

Antwort: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) geht davon aus, dass ein drittes Sanktionspaket folgen wird, und dieses werde sich sehr zielgerichtet und intensiver an diejenigen richten, die im Kreml tatsächlich Macht und Einfluss haben. Laut EU-Kreisen soll auch die Möglichkeit geschaffen werden, das Vermögen russischer Oligarchen in der EU einzufrieren.

Schritte gegen Einzelpersonen

Frage: Wird der Westen auch gegen Oligarchen vorgehen?

Antwort: Das ist scheinbar in Vorbereitung. Schritte gegen Einzelpersonen gelten nämlich als effektive Wirtschaftssanktion. Der Druck auf die russische Regierung würde damit wohl steigen, weil damit Personen und Unternehmen und somit jene Akteure direkt betroffen sind, die beste Verbindungen zum Kreml haben. Wird das Geld der Oligarchen im Westen eingefroren, erhöht das auch die politischen Kosten für Putins Krieg. In Summe wollen die Staats- und Regierungschefs die Maßnahmen so gestalten, dass die russische Bevölkerung weitgehend davon verschont bleibt. Treffen will man die Führung in Moskau, Oligarchen aus der Umgebung Putins und Unternehmen, die direkt am Vorgehen Russlands gegen die Ukraine beteiligt sind.

Frage: Welche Maßnahmen würden Russland am meisten wehtun?

Antwort: Russland braucht das Geld aus seinen Energieexporten. Würde die EU ein Importverbot für russisches Erdgas verhängen, würde dies das Land treffen. Laut den Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft würde ein Gasembargo die russische Wirtschaftsleistung um fast drei Prozent schmälern. Bislang liefert der russische Staatskonzern Gazprom laut Angaben der EU-Kommission rund 40 Prozent der in der EU verbrauchten Gasmenge. Hierfür rasch Alternativen aufzustellen ist mit hohen Kosten für Europa verbunden.

Noch richten sich die Sanktionen des Westens nicht direkt gegen Wladimir Putin. Laut US-Präsident Joe Biden liegt ein Plan dafür aber auf dem Tisch.
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Frage: Wurden Sanktionen auch direkt gegen Putin verhängt?

Antwort: Noch nicht. Die Financial Times berichtete am Freitag, dass die EU plant, die Vermögenswerte von Putin und Außenminister Sergej Lawrow einzufrieren. US-Präsident Joe Biden betonte zuvor, dass diese Option auf dem Tisch liege, das sei "kein Bluff".

Frage: Kann man messen, wie stark die Sanktionen gegen Russland auf Europa zurückschlagen werden?

Antwort: Für die aktuellen Sanktionen wird das noch zu früh sein. Es gibt aber auch Sanktionen gegen Russland, die seit 2014 gelten, als Putin die Krim annektierte. Laut Wifo haben diese Sanktionen samt Gegenmaßnahmen Russlands die deutsche Wirtschaftsleistung um rund sechs Milliarden Euro verringert – das waren 0,2 Prozent des BIP. Die Auswirkungen auf die gesamte EU bewegen sich in einer ähnlichen Größenordnung, wobei einzelne Länder unterschiedlich mit Russland verbunden sind. Für Russland waren laut Wifo die Kosten deutlich höher: Mit rund 35 Milliarden Euro haben sie Putin rund zwei Prozent des BIP gekostet.

Frage: Wird Russland sich das alles gefallen lassen?

Antwort: Nein. Putin hat bereits Vergeltungsmaßnahmen angekündigt. Noch ist unklar, wie diese aussehen werden. Am meisten könnte Putin wie gesagt Europa treffen, wenn er die Erdgaslieferungen einschränkt oder gar stoppt. (Bettina Pfluger, 25.2.2022)