Brennende Ölquellen nach dem Abzug der Iraker aus Kuwait. Der Golfkrieg 1991 gegen Saddam Hussein wurde mit dem Einverständnis Moskaus geführt.

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Der Vergleich kam in den vergangenen Tagen eher nicht von ganz Jungen, sondern von Älteren, die sich an die Ereignisse von 1990 und 1991 noch gut erinnern können: ein Überfall, ein brutaler Angriffskrieg, der sich seit Wochen abgezeichnet hatte; diplomatische Versuche, ihn doch noch zu stoppen; letztlich der Einmarsch, der, obwohl vorhersehbar, die Welt völlig überraschte.

Und da war natürlich auch die Argumentation des Aggressors Saddam Hussein: Abgesehen von allem, was er Kuwait damals aktuell vorwarf (Ölpreisdumping, Öldiebstahl, Grenzverletzungen), handle es sich ja nicht um einen echten Staat, Kuwait sei historisch ein Teil des Irak und die kuwaitische Staatlichkeit eine Erfindung der Briten, um ihre Hegemonie in der Region auszuüben. Wie sich die Bilder gleichen.

Es ist frappierend, die Schlagzeilen von damals nachzulesen. Hosni Mubarak, damals seit knapp neun Jahren ägyptischer Präsident, reiste Ende Juli zur Vermittlung an den Golf. Die Washington Post titelte nach Abschluss seiner Mission: "Laut Mubarak werden Irak und Kuwait dieses Wochenende Gespräche aufnehmen." Saddam Hussein hatte ihm ins Gesicht gelogen. Am 2. August 1990 marschierten Saddam Husseins Republikanische Garden in Kuwait ein. In den nächsten Monaten versuchte das irakische Regime, die kuwaitische Identität auszulöschen.

Umgeben von Ja-Sagern

Ohne die Regime gleichsetzen zu wollen – eine Berichterstattung wie jene aktuell von ausländischen Korrespondenten aus Moskau war aus Bagdad nicht ansatzweise möglich –, sagte man damals über den irakischen Präsidenten Saddam Hussein das, was heute über Wladimir Putin gesagt wird: Die Entscheidungen traf er ganz allein, sein innerer Kreis musste mitziehen. Den Diktator umgaben nur Ja-Sager.

Die Invasion von Kuwait – einem arabischen Bruderland – war bei den Eliten unpopulär, obwohl das Narrativ vom "künstlichen Staat" Kuwait im Irak weit verbreitet war – und obwohl sich viele später dann doch an den in Kuwait geraubten Gütern bedienten. Protest war ohnehin unmöglich.

DER STANDARD

Die Vergleiche zwischen den beiden Männern sind – wie immer in solchen Fällen – natürlich nur beschränkt zutreffend. Angesichts des Angriffs Russlands auf die Ukraine, den viele als das Ende einer Epoche bezeichnen, ist ein anderer Aspekt wichtiger: Diese Epoche – die Weltordnung nach dem Ende des Kalten Kriegs – wurde ebenfalls durch einen Krieg eingeläutet, und zwar genau den Golfkrieg, mit dem Saddam Hussein zu Jahresbeginn 1991 wenige Monate nach seinem Einmarsch wieder aus Kuwait vertrieben wurde.

Am 16. Jänner 1991 begannen die Luftschläge auf Bagdad, am 24. Februar erfolgte die Offensive der US-geführten Bodentruppen, was das Ende des Krieges einläutete. Am gleichen Kalendertag 31 Jahre später startete Russland seinen Ukraine-Überfall.

Geopolitische Gemengelage

Der Golfkrieg 1991 war nur in einer damals völlig neuen geopolitischen Gemengelage überhaupt möglich. Es gab die Sowjetunion noch, aber sie war – nach der Wende in Europa 1989 – angeschlagen. Saddam Hussein war seit 1979 an der absoluten Macht, dem Jahr der Islamischen (oder besser: islamisierten) Revolution in Teheran. 1980 überfiel Saddam den Iran, was vom Westen – aber auch vom irakischen Bürgertum – hingenommen wurde, galt er doch als Bollwerk gegen die schiitischen Mullahs.

Der Iran-Irak-Krieg war 1988 zu Ende, der Irak finanziell schwer angeschlagen, dennoch rüstete Saddam Hussein weiter auf. 1991 wurde er gestoppt. Seine eigene Bedeutung für den Westen überschätzte er zwar, aber immerhin wurde er trotz des verlorenen Kriegs als Abschreckung gegen den Iran im Amt belassen und erst 2003 gestürzt

Vor allem hatte Saddam nicht verstanden, dass 1990/91 das Ende des Kalten Kriegs einen heißen Krieg im Nahen Osten, den gegen ihn, erst möglich machen würde. Moskau rührte nicht nur keinen Finger, als sich die US-geführte Koalition von fast 600.000 Mann sammelte, um Saddam aus Kuwait herauszuwerfen – und das Gleichgewicht im Nahen Osten zugunsten des Westens zu verändern. Moskau machte politisch sogar mit.

Nur eine Resolution

Zuerst stimmte Moskau im Uno-Sicherheitsrat in New York für die zunehmend schärferen Resolutionen, die den Druck auf Saddam Hussein aufbauten. Am 29. November 1990 verabschiedete der Sicherheitsrat schließlich Resolution 678, die dem Irak "alle nötigen Mittel" androhte für den Fall, dass er nicht aus Kuwait abziehen würde. Die Sowjetunion stimmte mit Ja, China enthielt sich, die nichtständigen Mitglieder Jemen und Kuba stimmten mit Nein.

US-Präsident George H. W. Bush traf, ein paar Tage bevor der Text im Sicherheitsrat präsentiert wurde, mit Michail Gorbatschow, seit März 1990 sowjetischer Präsident, zusammen. Dieser ließ sich davon überzeugen, dass nicht mehr zwei Resolutionen nötig waren, wie von Moskau eigentlich gewünscht, sondern nur mehr eine Resolution, die zwei Schritte – letzte Chance und Drohung – enthielt. Washington und Moskau drohten Bagdad gemeinsam mit Krieg.

Mit sich selbst beschäftigt

Formell agierte die US-geführte Koalition im Namen Kuwaits, das sein Selbstverteidigungsrecht ausübte. War zu Beginn des Prozesses, der zur Operation "Desert Storm" führte, auf Wunsch der Sowjetunion noch eine "Koordination der Aktionen" (Resolution 665 von Ende August 1990) vorgesehen, so wurden später Planung, Management und Koordination der militärischen Operationen gegen den Irak den USA überlassen.

Ein verblüffendes Monopol, das nur dadurch zu erklären ist, dass die sterbende Sowjetunion vor allem mit sich selbst beschäftigt war. Moskau sah die Kooperation als den besten Weg, sich in eine neue Ordnung nach dem Kalten Krieg zu integrieren. Und genau diese Ordnung will Wladimir Putin gute dreißig Jahre danach ein und für alle Mal beenden.

Ein paar Tage vor Beginn des Krieges, am 9. Jänner 1991, händigte US-Außenminister James Baker seinem irakischen Amtskollegen Tariq Aziz in Genf einen Brief aus: Darin machten die USA klar, dass, sollte der Irak biologische oder chemische Waffen einsetzen, mit der "stärksten möglichen Antwort" zu rechnen sei. Es war die letzte implizite, aber dennoch klare Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen in einem konkreten Krieg – bis zu jener von Wladimir Putin, der "Konsequenzen, wie ihr sie in eurer Geschichte noch nie erlebt habt", in den Raum stellte. Man könnte also auch sagen, die Epoche wird von zwei Atomwaffendrohungen eingerahmt, einmal gegen den Aggressor, einmal von ihm.

Der Irak mitsamt Saddam Hussein wurde nach dem Krieg 1991 durch schwerste Wirtschaftssanktionen "eingefroren". Im Nahen Osten öffneten sich neue Türen: wie der israelisch-palästinensische Friedensprozess, der durch die Madrider Konferenz im Oktober 1991 gestartet wurde, als deren gemeinsame Sponsoren USA und Sowjetunion, die es zwei Monate später nicht mehr gab, auftraten.

Lawrow als Uno-Botschafter

Der Konsens zwischen Washington und Moskau zum Irak und zu anderen Themen zerfiel bald danach. Botschafter der Russischen Föderation bei der Uno in New York war von 1994 bis 2004 der jetzige russische Außenminister Sergej Lawrow, ein wortgewaltiger Sparringpartner der USA schon vor deren – auf falschen Behauptungen aufgebauten – Einmarsch im Irak im März 2003. Aber Moskau musste ihn hinnehmen, abgesehen davon, dass die Jahre danach zur krachenden Niederlage der US-Pläne im Irak wurden. Die russische Botschaft in Bagdad wurde zur Anlaufstelle aller jener, mit denen die USA nicht reden konnten oder wollten.

Die Grenze war für Russland jedoch im Krieg in Syrien ab 2011 erreicht, als der langjährige Verbündete in Damaskus ins Wanken geriet: Russland leistete Unterstützung und verhinderte 2015 durch sein Eingreifen den drohenden Sturz Bashar al-Assads. Seitdem hat Russland seine militärische Präsenz in Syrien weiter ausgebaut: Den Fuß in der nahöstlichen Tür hat es nicht zurückgezogen, sondern quasi das ganze Bein nachgeschoben.

Den Mittelmeerhafen Tartous, wo sich die russische Marinebasis befindet, hat Moskau 2019 auf 49 Jahre geleast, also bis 2068, die russische Luftwaffenbasis in Khmeimim wurde groß ausgebaut. Aus Tartous wurden am 8. Februar sieben Schiffe der russischen Nordflotte ins Schwarze Meer verlegt, um an den dem Einmarsch in der Ukraine vorangehenden Manövern teilzunehmen.

US-Präsident Joe Biden warnte vor einem "Weltkrieg", sollten sich russische und US-Streitkräfte in der Ukraine gegenüberstehen. Im syrischen Nordosten unterstützen noch ein paar Hundert US-Soldaten die kurdischen Milizen, die nach 2014 gegen den "Islamischen Staat" kämpften und ihn heute in Schach halten. Außerdem unterhalten die USA eine Militärbasis in al-Tanf, nahe der Grenze zum Irak.

Dafür, dass Russen und Amerikaner nicht versehentlich aneinandergeraten, wie bereits einmal 2018 passiert, gibt es einen "deconfliction channel" (Konfliktvermeidungskanal). Vielleicht wird er für Moskau in Zukunft nicht mehr so wichtig sein. Es ist zu fürchten, dass sich nicht nur in Europa die Epoche der Koexistenz dem Ende zuneigt. (Gudrun Harrer, 26.2.2022)