Die Rufe in Richtung Apple werden lauter.

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Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine wird zunehmend auch zu einem Offenbarungseid für westliche Unternehmen – allen voran die einflussreiche Techbranche. Denn auch wenn Russland über die Jahre immer wieder den Konflikt mit Google, Facebook und Co gesucht hat, so machen doch diese Unternehmen in und mit dem Land doch weiter gutes Geld. In der aktuellen Situation haben dafür aber viele Beobachter kein Verständnis mehr, und so erhöht sich zunehmend der öffentliche Druck.

Apple soll handeln

In einem öffentlichen Brief fordert Mychajlo Fedorow, stellvertretender Ministerpräsident der Ukraine, Apple zu Sanktionen gegen Russland vor. Der iPhone-Hersteller sollte nicht nur den Verkauf seiner Produkte sondern auch den Betrieb seiner Services in dem Land einstellen – inklusive des App Stores. Fedorow betont dabei, dass er sich mit diesem Anliegen direkt an Apple-Chef Tim Cook gewandt hat.

Der parallel als Minister für digitale Transformation agierende Politiker, ist davon überzeugt, dass ein solcher Schritt sinnvoller als viele andere Sanktionsmaßnahmen wäre. Immerhin würde nicht zuletzt die russische Jugend motivieren, sich gegen die militärische Aggression ihres Landes zu stellen.

Vogel-Strauß-Politik

Eine Antwort von Apple gibt es bisher nicht. Wie viele andere Unternehmen gibt man sich bei der Firma bislang sehr zurückhaltend zur aktuellen Situation. In einem Tweet hatte Cook lediglich am Freitag seiner "Besorgnis" über die Situation Ausdruck verliehen und betont, dass man humanitäre Anstrengungen unterstützen wolle.

Was ist mit Google?

Auch bei Google versucht man derzeit noch mit dem absoluten Maßnahmenminimum durchzukommen. Man beobachte den Krieg in der Ukraine und arbeite rund um die Uhr daran, Desinformationskampagnen aufzudecken und ukrainische Nutzer vor Cyberangriffen zu schützen. Dazu gibt man mehrere Tipps, etwa die Nutzung der sogenannten "Advanced Protection", die Google-Konten äußerst effektiv vor Einbruchsversuchen schützt.

Unterdessen wurden die Rufe lauter, dass Google auch dort durchgreifen soll, wo es vielleicht für das eigenen Geschäft unerfreulicher wäre: Auf Youtube. Über die Videoplattform wurde nämlich nicht nur eifrig russische Propaganda geteilt, die entsprechenden Kanäle durften sogar weiterhin Werbungen schalten und somit Geld verdienen. Am Samstagabend war damit aber Schluss. Youtube verkündete eine vorübergehende Sperre für das Geschäftsmodell mehrerer russischer Kanäle – darunter auch der Staatssender RT. In der Ukraine sollen diese Sender vorerst gar nicht mehr verfügbar sein.

RT gibt es auch bei Magenta und A1

Bei RT drücken auch österreichische Firmen bisher lieber ein Auge zu. Sowohl im Kabelprogramm von Magenta als auch bei A1 TV ist dieser seit Jahren eine fixe Größe. Das ist angesichts dessen, dass über den Sender seit Jahren offen Desinformation betrieben wird, bereits länger nicht unumstritten, mit der aktuellen Situation verschärft sich die Kritik nun aber.

Bei Magenta versucht man sich auf Nachfrage des STANDARD zu diesem Thema der eigenen Verantwortung zu ziehen. Man sei eine neutrale Plattform, die sich an gesetzliche Regelungen zu halten habe. In diesem Fall habe man einen aufrechten Vertrag mit dem Anbieter, den man nicht einfach brechen könnte, solange dieser eine gültige Sendelizenz habe – was hier der Fall sei. Eine solche sei für die ausgestrahlte englischsprachige Ausgabe von RT vor Jahren in Großbritannien für die gesamte EU erteilt worden.

Ausgerechnet Meta

Doch zurück zu den Techriesen aus den USA, dort sticht nämlich einer hervor, von dem das wohl kaum jemand erwartet hätte: Meta oder wie viele noch immer lieber sagen: Facebook. Das Unternehmen hatte nämlich am Samstag als erstes die Seiten von russischen Staatsmedien demonetarisiert. Erleichtert wurde diese Entscheidung allerdings durch eine zuvor von der staatlichen Medienaufsicht ausgesprochenen Teilsperre Facebooks. Diese war wiederum eine Reaktion darauf, dass Meta mehrere Artikel von Staatsmedien nach Faktenchecks als falsch gekennzeichnet hatte.

Weniger freiwillig ist die Rolle von Twitter in der aktuellen Situation: Nachdem derzeit über die Plattform viele unabhängige Berichte zur Lage in der Ukraine kursieren, die der offiziellen Darstellung des russischen Staates widersprechen, wurde die Plattform am Samstag von den meisten Providern des Landes gesperrt.

Pornhub gesperrt?

Am Samstag kursierte dann aber auch noch ein Bericht, der einen schweren Schlag für viele russische Internet-User in den Raum stellte. Angeblich habe mit Pornhub die weltweit größte Pornoplattform ihre Tore für russische User versperrt. Wie so viele derzeit kursierende Berichte, stellte sich diese Behauptung aber schnell als falsch heraus. Die – ohne jegliche Sachbeweise getätigte – Aussage eines einzelnen Users war hier von vielen unüberprüft übernommen worden.

MWC reagiert

Eine echte Reaktion auf die aktuelle Lage gab es hingegen von der es viele wohl am wenigsten erwartet hätten. Der Mobile World Congress, der am Montag in Barcelona startet, hat einige russische Aussteller ausgeladen. Auch einen eigenen russischen Pavilion, in dem sonst die Mobilfunkneuerungen aus dem Land präsentiert werden, wird es nicht geben. Das kommt deswegen überraschend, da der MWC durch die Covid-Lage ohnehin schon massiv an Relevanz und Ausstellern verloren hat.

Kommt das Runet?

Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, könnte sich auch zeigen, wie erfolgreich die seit Jahren laufenden Vorbereitungen für eine noch radikalere Maßnahme waren: die Abtrennung des russischen Internets vom Rest der Welt waren. Dieses "Runet" genannte Unterfangen wurde in den vergangenen Jahren bereits mehrfach getestet, die rechtlichen Grundlagen bestehen seit 2019.

Doch selbst wenn das russische Intranet auf einer technischen Ebene problemlos laufen würde – was aufgrund der auch dort starken Verschränkung mit Services von Microsoft, Google und Amazon durchaus bezweifelt werden darf – würde man mit einem solchen Schritt fraglos weite Teile der eigenen Bevölkerung verärgern. Denn auch wenn Russland gezielt lokale Anbieter forciert, so sind doch die Services von Apple bis Google für viele weiterhin unerlässlich. (Andreas Proschofsky, 26.2.2022)