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Der Ausschluss vom internationalen Zahlungssystem Swift muss alle relevanten Banken treffen, nicht nur wenige.

Foto: Reuters/Dado Ruvic

Die EU-Staaten sind seit Donnerstagfrüh über ihren Schatten gesprungen, und das gleich mehrmals. Die bisher beschlossenen Wirtschaftssanktionen gegen Russland sind einzigartig in ihrer Breite und potenziellen Wirksamkeit. Und Tag für Tag werden die Maßnahmen verschärft. Die Millionen-Rubel-Frage lautet nun: Wird das reichen?

Sanktionen sind das außenpolitische Mittel der Wahl im 21. Jahrhundert. Mit ihnen wird auf Staaten Druck ausgeübt, ohne dass zu Waffen gegriffen werden muss. Allerdings ist die Bilanz der vergangenen Jahrzehnte ernüchternd: Seit dem Ende der Apartheid in Südafrika, zu dem die jahrelange Isolierung des Landes viel beigetragen hat, haben Sanktionen kein Regime der Welt zum Einlenken bewegt oder seiner Handlungsfähigkeit beraubt. Allzu oft treffen sie die ohnehin unterdrückte Bevölkerung, während sich die Mächtigen schützen können – oder gar daran verdienen.

Besser stehende Chancen

Im Falle Russlands stehen die Chancen auf Erfolg etwas besser. Denn Wladimir Putins Herrschaft basiert nicht nur auf Nationalismus und Repression, sondern auch auf dem kleinen Wohlstand, den er der Mittelschicht nach den katastrophalen Wendejahren ermöglicht hat – und dem Reichtum, den die Eliten genießen. Ein Kollaps der Wirtschaft würde seine Macht akut gefährden. Und bei allen Bemühungen um Autarkie ist Russland mit der europäischen und globalen Wirtschaft so eng verflochten, dass Sanktionen wirklich beißen können.

Allerdings sind dafür noch weitere Schritte notwendig. Der Ausschluss vom internationalen Zahlungssystem Swift muss alle relevanten Banken treffen, nicht nur wenige. Die russische Zentralbank muss komplett vom Kapitalmarkt abgeschnitten werden. Die USA erwägen bereits ein Verbot aller Dollar-Transaktionen; wenn die Europäische Zentralbank beim Euro gleichzieht, könnte Russland seine riesigen Währungsreserven nur noch eingeschränkt einsetzen.

Viel Spielraum

Auch beim Außenhandel gibt es noch viel Spielraum, bis hin zu einem Exportverbot für alle Waren und nicht nur ausgewählte. Importe gehören auf Erdgas beschränkt, das kurzfristig nicht ersetzt werden kann – mit dem Risiko, dass Russland selbst den Gashahn zudreht. Damit aber würde es seine wichtigste Einnahmequelle verlieren.

Unklar ist, ob die ukrainische Armee lang genug durchhalten kann, bis solche Maßnahmen Wirkung zeigen. Deshalb muss Europa auch der Regierung in Kiew jede mögliche Hilfe bieten, um die kommenden Wochen zu überleben. Dazu gehören neben den anlaufenden Waffenlieferungen auch Treibstoff und andere Versorgungsgüter für das Militär, den Staatsapparat und die Zivilbevölkerung.

Aber die wichtigste Waffe der Ukrainerinnen und Ukrainer ist ihre Moral – und für die brauchen sie Gewissheit, dass sie nicht alleingelassen werden. Deshalb sollte die EU die jüngste Forderung von Präsident Wolodymyr Selenskyj rasch erfüllen: eine EU-Beitrittsperspektive für eine demokratische Ukraine. Die tapferen Menschen in dem Land haben sich das verdient. (Eric Frey, 27.2.2022)