Die Zentrale der RBI in Wien.

Foto: imago

Wien – Angesichts der weiteren Eskalation des Ukraine-Kriegs hat die Aktie der Raiffeisen Bank International (RBI) am Montag weiter an Boden verloren. Die Titel der in der Ukraine und in Russland tätigen Bank brachen kurz nach Sitzungsbeginn um knapp 18 Prozent auf 14,03 Euro ein. In den vergangenen fünf Handelstagen hatten die Papiere bereits rund ein Drittel ihres Werts verloren. Die RBI macht fast die Hälfte ihres Gewinns mit ihren Geschäften in Russland, der Ukraine und Belarus.

In einem Statement der Bank vom Montagvormittag hieß es, die Bank wolle in der Ukraine "nach wie vor alle wichtigen Bankleistungen" anbieten, um die Kunden unter den schwierigen Bedingungen zu unterstützen. "Dienstleistungen werden unter der Voraussetzung angeboten, dass keine Gefahr für die Sicherheit von Mitarbeitern und Kunden besteht", hieß es in dem Statement. Und: "Die Sanktionen werden fast täglich ausgeweitet, und daher kann noch keine abschließende Einschätzung gegeben werden. Sie sind hart und in ihren Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft weitreichend. Die Auswirkungen auf die RBI-Gruppe werden analysiert."

Rote Zahlen auch anderswo

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Gabriel Felbermayr, hat bereits am Montag dazu aufgerufen, einen Schutzschirm über die RBI zu spannen: Die RBI sei wahrscheinlich das am stärksten betroffene Institut überhaupt, so Felbermayr in Ö1.

Für die RBI geht es nicht nur darum, dass Ukraine und Russland zu ihren Cashcows gehören. Das Institut muss auch darum fürchten, nennenswert an Eigenkapital zu verlieren. Alle Banken müssen laut europäischen Bankenregeln genügend Sicherheitspuffer, also Eigenkapital, halten. Eigenkapital ist nicht Geld, das irgendwo herumliegt – es besteht aus eigenen Vermögenswerten der Bank, um mögliche Verluste abdecken zu können. Die RBI hat stark Eigenkapitalreserven aufgebaut seit der Weltwirtschaftskrise. Allerdings können drohende Verluste in Russland oder der Ukraine dazu führen, dass Bewertungskorrekturen durchgeführt werden müssen. Ob das notwendig sein wird, ist aktuell unklar.

Unter den anderen heimischen Bankwerten zeigte sich am Montag die Aktie der Erste Group um gut acht Prozent schwächer, und die Papiere der Bawag büßten knapp vier Prozent ein. Auch außerhalb Österreichs litten Bankwerte unter dem beschlossenen Ausschluss Russlands aus dem Swift-Zahlungssystem und den Sanktionen gegen die russische Zentralbank. Die Aktien der Deutschen Bank gaben um gut sieben Prozent nach, jene der Commerzbank um 7,6 Prozent. ING, Société Générale, und BNP haben zuletzt jeweils um über sieben Prozent nachgegeben.

Allerdings betreffen die Probleme nun nicht mehr nur Aktienmärkte – zumindest nicht bei einer der größten russischen Landesbanken, genauer genommen bei ihrer europäischen Tochter.

Sberbank-Tochter in Österreich in Schieflage

Wie die EZB-Bankenaufsicht in der Nacht zu Montag mitteilte, sind die in Wien ansässige Sberbank Europe AG und ihre beiden Tochtergesellschaften in Kroatien und Slowenien wahrscheinlich nicht mehr überlebensfähig. Die Bank werde voraussichtlich bald nicht mehr in der Lage sein, ihre Schulden zu bedienen. In den vergangenen Tagen wurden offenbar hohe Beträge von Kunden der Bank abgehoben. Der Industrielle Siegfried Wolf teilte mit, er werde sich mit 22. März aus dem Aufsichtsrat der Bank zurückziehen.

Was bedeutet die Schieflage bei der Bank für Kunden? Die Einlagen von Sparern bis zu einer Summe von 100.000 Euro sind gesichert. Dafür sorgt das System der Einlagensicherung. Für die gesetzlich gedeckten Einlagen der Sberbank Europe in der Höhe von 1,1 Milliarden Euro wird nicht nur die Einlagensicherung Austria (ESA) geradestehen – sondern alle österreichischen Banken, inklusive Raiffeisen- und Sparkassen.

Zwar haben der Raiffeisen- und der Sparkassensektor ihre eigenen Einlagensicherungssysteme gegründet – im konkreten Fall werden aber auch sie für die Sparer geradestehen müssen. Denn gemäß den gesetzlichen Vorschriften fällt die Sberbank Europe mit Sitz in Wien unter dem sogenannten Sechser- oder gesonderten Rechnungskreis, bei dem auch die Raiffeisen- und Sparkassen noch anteilig mitzahlen müssen. Geregelt ist das im Paragrafen 27 Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz zur "Finanzierung in besonderen Fällen" für bestimmte Institute, zu denen die Sberbank Europe gehört.

Die verschiedenen Einlagesicherungssysteme zahlen (je nach der Höhe der bei ihr veranlagten gedeckten Einlagen) anteilsmäßig mit – per Stichtag Juni 2021 würde die ESA 40 Prozent der 1,1 Milliarden Euro der Sberbank bezahlen müssen, der Raiffeisensektor 37 Prozent und der Sparkassensektor würde mit 23 Prozent zur Kassa gebeten. Bei Raiffeisen- und Sparkassen hält sich die Freude darüber in Grenzen – die Gespräche mit der ESA laufen aber bereits.

Die Sberbank Europe macht in Österreich kein Retailgeschäft und hat keine Filialen im Lande, die Internet-Sparte Sberbank direkt ist de facto nur in Deutschland aktiv und hat fast nur deutsche Kunden. Auch da ist es zuletzt zu massiven Abhebungen gekommen.

Direkt beaufsichtigt wird die Sberbank von der Europäischen Zentralbank. Im Auftrag dieser hatte die Finanzmarktaufsicht in Wien bereits in der Nacht auf Montag ein Moratorium über die Bank verhängt, das vorerst bis zum 1. März gilt. Demnach sind alle "Zahlungs- und Lieferverpflichtungen der Sberbank Europe AG gegenüber ihren Gläubigern ausgesetzt". Die Sberbank darf während des Moratoriums auch keine Auszahlungen, Überweisungen oder andere Transaktionen durchführen. Einleger gesicherter Einlagen haben aber "zur Sicherung des nötigsten täglichen Bedarfs" bis zum Ende des Moratoriums Zugang zu bis zu 100 Euro. (Renate Graber, András Szigetvari, 28.2.2022)