Andreas Hanger wird wieder Fraktionsführer der ÖVP sein, er plädierte anlässlich der politischen Situation in Europa für ein gutes Miteinander im Ausschuss. Das dürfte allerdings schwierig werden.

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Das Team der Volkspartei für den Untersuchungsausschuss, der Korruptionsvorwürfe im Umfeld der eigenen Partei zum Thema hat, betonte am Montag, zur Aufklärung mit vollem Einsatz beitragen zu wollen. "Alle Akten her, alles auf den Tisch", sagte Fraktionsführer Andreas Hanger in einer Pressekonferenz. Man sehe den Untersuchungsgegenstand zwar "juristisch kritisch", nehme diesen aber dennoch "mit einer hohen Gelassenheit zur Kenntnis", so Hanger, der auch im Ibiza-Untersuchungsausschuss die ÖVP anführte.

Wer der ÖVP zuzurechnen ist

Zu den juristischen Bedenken äußerte sich sein Kollege Christian Stocker, selbst Jurist. Er persönlich halte den Untersuchungsgegenstand teilweise für nicht gesetzeskonform, vor allem den zweiten Teil. Insgesamt liege laut Stocker eine "Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsgegenstandes vor". Ein weiteres Problem könne die Breite sein – "dann ist das Aktenliefervolumen ein enormes, da darf man sich dann nicht wundern".

Die Breite sei auch deswegen gegeben, weil eine aktenliefernde Stelle nicht entscheiden könne, ob eine Person der ÖVP zuzurechnen sei. "Wer mit der ÖVP verbunden ist, lässt sich juristisch nicht beurteilen. Jede Partei, die mit der ÖVP in einer Regierung war, war mit der ÖVP verbunden", sagt Hanger dazu. Weil entschieden wurde, dass alle abstrakt relevanten Akten zu liefern seien, müsse das auch eingehalten werden. Das gelte für alle Parteien.

ÖVP will Änderungen bei Persönlichkeitsrechten

Abermals kritisch äußerte sich die ÖVP auch bezüglich der Persönlichkeitsrechte von Auskunftspersonen, die laut Hanger und Stocker im Untersuchungsausschuss nicht ausreichend genug gewahrt würden. "Ich kenne das als Jurist in dieser Weise überhaupt nicht", sagt Stocker. Hanger kenne keinen Juristen, der hier nicht für eine Änderung sei – erst vor wenigen Tagen habe er das bei einer Fachtagung zum Thema wieder mitbekommen. Veranstaltet wurde diese Fachtagung von Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka, der den Vorsitz des U-Ausschusses trotz Kritik bekanntlich führen wird. Am Panel und im Publikum waren Teilnehmer, die in der Vergangenheit bereits mit sehr U-Ausschuss-kritischen Aussagen aufgefallen sind, etwa Strafverteidiger Manfred Ainedter oder Andreas Khol. Hanger und Stocker wünschen sich für die Zukunft in diesem Thema jedenfalls Änderungen.

Auch an "ausufernden Geschäftsordnungsdebatten" habe man kein Interesse, man werde deswegen darauf achten, dass die Geschäftsordnung "penibel eingehalten wird", sagt Stocker. Es solle um die Kontrolle von Verwaltungshandlungen gehen.

Wo die SPÖ im Fokus steht

Stocker und Hanger widmeten sich aber auch aktuellen Themen und lenkten die Scheinwerfer auf andere Parteien. Die vor wenigen Tagen öffentlich gewordenen Einvernahmeprotokolle von Meinungsforscherin Sabine B. würden etwa zeigen, dass es keinen Kontakt zwischen ihr und Ex-Kanzler Sebastian Kurz gegeben habe. "Die Vorwürfe, die immer wieder genannt wurden, fallen wie ein Kartenhaus zusammen." Allerdings: Dass B. mit Kurz in Kontakt stand, hatten Ermittler freilich nie behauptet. Außerdem kündigte Hanger an, dass man sich hier wohl auf Verbindungen zur SPÖ konzentrieren werde – Sabine B. sprach Ermittlern gegenüber davon, dass auch die SPÖ und die Gratiszeitung "Heute" einst ein Modell der Meinungsmanipulation durch Umfragen am Laufen gehabt haben sollen. Es sei "lebensfremd" zu glauben, dass die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures nichts davon gewusst habe, immerhin sei ihr Lebensgefährte damals Geschäftsführer von "Heute" gewesen, so Hanger.

Am frühen Nachmittag reagierte Bures auf die Aussagen. "Bei allem Verständnis für die Nöte der ÖVP angesichts der zahlreichen Skandale und Verstrickungen, müssen die abenteuerlichen Unterstellungen von Herrn Hanger doch klar und unmissverständlich zurückgewiesen werden. Die Beteuerungen von Herrn Hanger, den bevorstehenden Untersuchungsausschuss zur ÖVP-Korruption mit einem neuen, sachlicheren Stil beginnen zu wollen, entpuppen sich somit als völlig leer und bedeutungslos", ließ Bures in einer Aussendung wissen.

Personalakte Egisto Ott als "aufgelegter Elfmeter"

Auch die Neos und die FPÖ brachte Hanger ins Spiel. Von einem "aufgelegten Elfmeter" durch die FPÖ sprach Hanger etwa anlässlich der jüngsten Enthüllungen zum ehemaligen Verfassungsschützer Egisto Ott und anderen BVT-Ermittlern, die unter anderem verdächtigt werden, geheime Informationen verkauft zu haben. Hanger spricht in dem Zusammenhang Kontakte mit dem Ex-FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein an – hier wird ermittelt –, nennt aber auch den Neos-Abgeordneten Helmut Brandstätter und Peter Pilz. Hier gehe es um möglichen Amtsmissbrauch. "Das ist ein großer Themenkomplex, dem wir uns widmen werden", so Hanger.

Gelassenheit derzeit eher Wunschdenken

Brandstätter reagierte auf Twitter umgehend auf die Aussagen Hangers. Dieser sei "ein dummer und plumper Lügner. Und ein mieser Verleumder. Das ist wohl allen hier klar", so Brandstätter, der immer wieder mit dem ÖVP-Fraktionsführer aneinandergeriet.

Hanger hatte, während Brandstätter seinen Tweet absetzte, noch zu "Gelassenheit und Ruhe" im Untersuchungsausschuss aufgerufen und an die anderen Parteien appelliert. Die politische Situation in Europa erfordere, dass man hier nicht noch hitzige Wortgefechte führe. Die Frage einer Journalistin, ob dieser Appell nicht ins Leere gehe, weil die Beziehung zu den anderen Fraktionen durch den vorangegangenen Untersuchungsausschuss schon sehr belastet sei, verneinte Hanger.

Keine Interpretation der Aussagen Sobotkas

Ein anderes aktuelles Thema – den historischen Vergleich von Parteikollege Wolfgang Sobotka, der bekanntlich den Vorsitz des Ausschusses innehat – wollte Hanger nicht kommentieren. Eine Interpretation Dritter halte er nicht für sinnvoll. (Lara Hagen, Fabian Schmid, 28.2.2022)