Am Ende hatten sie noch eine Überraschung parat, die Damen und Mannen von DS Automobiles, den flundrigen Versuchsträger E-Tense Performance, siehe Bild unten. Davor, da ging es zwar auch um Elektro, aber nur halb, um zwei Plug-in-Hybrid-Versionen des Markenflaggschiffs DS 9.

Top-Antriebsversion ist jene mit 265 kW Systemleistung und Allrad. Im Vergleich zu großen avantgardistischen Würfen aus Frankreich eher konventionelles Design.
Foto: DS Automobiles

Wie denn, werden Sie sagen, hat der nicht schon? Ja, aber besagter E-Tense 225 stuft sich somit zum Einstiegs-9er zurück, darüber positionieren sich E-Tense 250 und 4x4 360. Um beide gebührend kennenzulernen, wurden wir ins provenzalische Hinterland der Azurküste gelotst, auf Autobahnen und auf kurvenreiche Straßen, des Spannungsbogens wegen: von gleiten bis hetzen.

Ersteres kann der 250er schon gut, Letzteres mit Abstrichen, der 360er beherrscht beides gleichermaßen und ist damit auf aktive Selbstfahrerinnen jedweden Geschlechts zugeschnitten. Für dynamische Eventualitäten ist dieser Allradler obendrein extra tiefergelegt, vorne um 15 Millimeter, hinten um fünf.

Foto: DS Automobiles

In beiden Fällen ist ein Turbo-Benziner mit 16 – nein, Komma verrutscht: 1,6 Litern Hubraum bei der Arbeit, mit 147 kW, in alter Währung 200 PS. Beim Fronttriebler (E-Tense 250) trägt weiters ein E-Motor vorn mit 81 kW an der Systemleistung von 183 kW bei, beim 4x4 detto – plus einer hinten mit 83, daraus ergeben sich 265 kW Systemleistung. Der Klang des kleinen Vierzylinders ist nicht atemberaubend, aber auch nicht aufdringlich, da gute Arbeit bei der Dämmung geleistet wurde.

Fluss der Kräfte

Der unter den Rücksitzen verbaute Akku mit netto 13,6 kWh Kapazität bringt den Fronttriebler bis zu 67 km weit, der mit 10,2 – wie beim Einstiegs-DS-9 – ist im Allradler für bis zu 55 km gut, und die elektrische Vmax beträgt 135 km/h. Apropos 4x4: Im Hybridmodus verteilt sich der Fluss der Antriebskräfte flexibel, wählt man den Allradmodus an, gerinnt das fix zu 53:47 vorne-hinten.

Ungewöhnlich verspielt für eine Limousine mit Premiumanspruch, richtet sich der DS 9 vorwiegend an eine chinesische Klientel.
Foto: DS Automobiles

Stichwort DS: In die Göttinnenfalle tappen wir bewusst nicht, zum Anspruch aber ein Wort. Der "Geist der Avantgarde", wie der Firmenslogan lautet, wurde nämlich fest in die Flasche gesperrt – zuletzt frei gelassen ward er 2005 in Form des Citroën C6. Der DS 9 ist schlicht und ergreifend eine große, konventionell designte, freilich elegante, komfortable Reiselimousine. Die Insassen werden sich vorn wie hinten gut behaust finden, der Kofferraum muss sich aber die Kritik gefallen lassen, dass er zwar tief, aber ziemlich flach ist. Und das Interieur ist womöglich für die Zielgruppe zu verspielt, jedenfalls für die außerhalb Chinas.

Grafik: Der Standard

Anspruch und Wirklichkeit: Premium ist schnell herausposaunt, ob es auch zutrifft, ist dann die Frage. Infiniti, der entsprechende Ableger von Nissan, hat in Europa zuletzt leidvolle Erfahrungen gemacht, die Leute haben das dem Hersteller nicht abgekauft. DS erhebt einen ähnlichen Anspruch, ob der 9er sich aber tatsächlich mit den Wunschgegnern Mercedes E-Klasse, BMW 5er, Audi A6 oder Jaguar XF messen kann, steht auf einem anderen Blatt.

In Europa. Im kapitalkommunistischen Reich der Mitte spielt Langnasen-Historie weniger eine Rolle, dort zählt schiere Größe, nämlich Länge. Dennoch ist die DS-9-Nachfrage dort geringer als vom Hersteller erwartet – die in Europa aber größer, vielleicht aus dem "Ist schließlich mal was anderes"-Kalkül. Gebaut wird der große Wagen jedenfalls, bienvenue à Francochine, von Chang’an Automobile in Shenzen.

Mit DS 3 (Crossback), 4, 7 (Crossback) und 9 ist die Palette jetzt halbwegs komplett. Nach branchenüb lichem Corona-Einbruch 2020 um 29,5 Prozent auf 43.686 Fahrzeuge konnte der globale DS-Absatz ’21 um 22 Prozent auf über 53.000 gesteigert werden, was etwa auf dem Niveau von Alfa Romeo liegt. Und die Franzosen steuern stramm auf die Mobilitätswende zu: Ab 2024 kommen nur noch rein elektrische DSsen. (Andreas Stockinger, 7.3.2022)