Die meisten Menschen kennen Anna Veith durch ihre sportlichen Leistungen auf der Piste vor allem in Rennanzug und Helm. In neonfarbenem Tüll, patiniertem Leder oder grünen Plateauschuhen sah man die ehemalige Profiskifahrerin hingegen bisher kaum.

Anna Breit hat die ehemalige Skifahrerin Anna Veith in einem Outfit von Prada in Szene gesetzt.
Foto: Anna Breit

Dabei macht sie gute Figur in den High-Fashion-Looks. "Es ist spannend, Kleidung zu tragen, die man sonst nicht anzieht. Wenn man sich darauf einlässt, kann man neue Seiten an sich entdecken", sagt sie im Rahmen des RONDO-Modeshootings im Reaktor in Wien.

Doch Model im zweiten Bildungsweg wird Veith nicht. Derzeit liegt ihre Aufmerksamkeit ganz auf der Familie. Nachdem alle Bilder im Kasten sind, geht es auch gleich wieder heim nach Schladming zu Ehemann Manuel und Sohn Henry.

Vor acht Monaten kam er auf die Welt und hat den Alltag seiner Eltern ziemlich auf den Kopf gestellt. "Ich genieße meine neue Rolle. Ich habe großen Respekt vor berufstätigen Müttern und fühle mich privilegiert, nicht täglich arbeiten gehen zu müssen und die Zeit meinem Sohn widmen zu können – das ist nicht selbstverständlich. Planbarkeit und Kontrolle haben in meiner früheren Karriere mein Leben bestimmt. Das sieht jetzt ganz anders aus."

Anna Veith trägt ein
Tweedkleid, Bolero, Kreolen und Sandalen von Chanel. Hose von Rudi Gernreich.
Foto: Anna Breit

Impuls zur Veränderung

2020 beendete Anna Veith ihre Karriere als Profiskifahrerin. Der Entscheidung ging ein längerer Prozess voraus. "In meiner letzten Saison fühlte ich mich nicht mehr zu hundert Prozent am richtigen Ort. Es war emotional zwar sehr hart, sich das Ende einzugestehen, aber ich spürte einen Impuls zur Veränderung, und den habe ich schlussendlich zugelassen."

Anna Veith in einem Outfit von Prada.
Foto: Anna Breit

Während ihrer aktiven Zeit als Athletin hat Veith, die damals noch Fenninger hieß, ohnedies so ziemlich alles erreicht, was man im alpinen Skisport erreichen kann: Gold im Super-G bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014, Silber in Pyeongchang 2018, Gesamtweltcupsiege in den Saisonen 2013/14 sowie 2014/15 sind nur einige wenige Beispiele für ihre sportlichen Erfolge.

Trotz schwerer Knieverletzungen 2015 erreichte sie auch nach ihrem Comeback wieder Podiumsplätze. Sie nahm es auch mit dem Österreichischen Skiverband auf und kämpfte erfolgreich für mehr Selbstbestimmung und bessere Arbeitsbedingungen.

Im Unruhestand

Frotteejacke von Amaaena, Top von Falconeri, Tüllrock von Jana Wieland.
Foto: Anna Breit

Anna Veiths Karriereende im Skifahren bedeutet aber nicht ihren Pensionsantritt: Die gebürtige Halleinerin kümmert sich um ihr Baby, unterstützt ihren Ehemann, den Ex-Snowboarder Manuel Veith, bei der Führung seiner Hotels und Concept-Stores und engagiert sich noch anderweitig bei vielen Projekten: Wie im Profisport üblich ist auch Anna Veith verschiedene Markenpartnerschaften eingegangen. So wirbt sie etwa für Head-Ski, Rauch-Säfte oder Augenbrauen- und Wimpernstyling von Beautylash.

Auf die Frage nach der Glaubwürdigkeit beteuert Veith, nur mit Unternehmen zu kooperieren, zu denen sie selbst einen Bezug hat. Authentisch wolle sie bleiben und nicht nur Testimonial sein, sondern eine gemeinsame Entwicklerrolle einnehmen und sich mithilfe ihrer Partner für Herzensprojekte engagieren.

Top und Hose von Giorgio Armani, Loafers von Camper.
Foto: Anna Breit

Anna Veiths wohl größtes Anliegen ist die Jugendförderung. So hat sie etwa hat ein Mentorship für die Nachwuchsskifahrerin Viktoria Bürgler übernommen. Gemeinsam mit Head veranstaltet sie im Sommer ein mehrtägiges Camp, bei dem sie ihre Erfahrungen im Spitzensport mit jungen Athletinnen und Athleten teilt, diese mit Trainern, Mentalcoaches und Physiotherapeutinnen zusammenbringt. Mit Rauch wiederum plant sie ein breitensportliches Projekt, das Kinder zu mehr Bewegung animieren soll. "Die Jungen sollen Ski fahren lernen. Es ist Teil der österreichischen Kultur und das müsse man pflegen," sagt Anna Veith.

Umdenken wünschenswert

Sie hoffe, dass es hierzulande trotz Klimawandel auch in Zukunft weiße Pisten geben werde. Von der Strategie, immer mehr Kunstschnee einzusetzen und unberührte Gletscher für den Wintersport zu erschließen, hält sie wenig. Massentourismus sei generell nichts für sie. "Bei den Mengen an Speisen, die auf so mancher Hütte tagtäglich serviert werden, weiß man schon, dass es mit Nachhaltigkeit und Qualität nicht weit her ist. Hier wäre ein sukzessives Umdenken wünschenswert."

Outfit von Louis Vuitton, Brille von Prada.
Foto: Anna Breit

Beim Skifahren solle generell der sportliche Aspekt im Vordergrund stehen. Die Pandemie hätte das begünstigt, als nur Liftanlagen geöffnet waren, Hütten und Après-Ski-Bar aber geschlossen blieben.

Sie selbst betreibt auch nach dem Ende ihrer Skikarriere noch regelmäßig Sport. "Im Vergleich zu früher ist mein Pensum recht gemütlich. Es fühlt sich aber nicht so an, weil ich nach Schwangerschaft und Geburt auf einem ganz anderen konditionellen Level bin", sagt Veith. Heute gehe es nicht um Leistung oder Technik, sondern rein um die Bewegung an der frischen Luft – etwa bei einer Skitour gemeinsam mit Ehemann Manuel: "Ich genieße die Zeit zu zweit in der Natur, während sich die Oma um Henry kümmert."

Ob der irgendwann mal auf zwei Brettern, wie seine Mutter, oder auf einem, wie sein Vater, der Ex-Snowboarder, die Pisten runterfahren wird, darf er ganz frei entscheiden. Seine Eltern werden ihm jedenfalls beides beibringen. (Michael Steingruber, RONDO, 3.3.2022)

Kleid und Plateauschuhe von Versace, Blazer von Our Legacy, Hose von Alpha Tauri.
Foto: Anna Breit