Der russisch-britische Medienunternehmer Evgeny Lebedev bei seiner Vereidigung im britischen Oberhaus.

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Kiew/Moskau – In Russland wird nur selten Kritik an der Regierung seitens der Wirtschaftselite laut. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine haben sich jedoch mehrere russische Oligarchen gegen das Vorgehen von Präsident Wladimir Putin gewandt. Der russische Milliardär Oleg Tinkow, Gründer der Tinkoff-Bank, kritisierte den Angriff auf die Ukraine in einem Beitrag auf Instagram am Montag. "Heute sterben in der Ukraine jeden Tag unschuldige Menschen, das ist undenkbar und inakzeptabel", erklärte er.

Ende des Krieges gefordert

In einem am Montag veröffentlichten offenen Brief an Putin schrieb der Medienmogul Evgeny Lebedev: "Als Bürger Russlands bitte ich Sie, den Zustand zu beenden, in dem Russen ihre ukrainischen Brüder und Schwestern töten." Lebedev, der auch die britische Staatsbürgerschaft hat und im britischen Oberhaus sitzt, veröffentlichte den offenen Brief in der Zeitung "London Evening Standard", die ihm gehört. Europa stehe "am Rande eines weiteren Weltkriegs" und die Welt vor einer "möglichen atomaren Katastrophe", warnte er darin. Putin müsse die derzeitigen Verhandlungen mit Vertretern Kiews nutzen, um "diesen schrecklichen Krieg in der Ukraine zu beenden".

"Als britischer Bürger rufe ich Sie dazu auf, Europa vor diesem Krieg zu schützen", schrieb Lebedev. "Als russischer Patriot bitte ich Sie, den unnötigen Tod weiterer junger russischer Soldaten zu verhindern. Als Weltbürger rufe ich Sie auf, die Welt vor der Auslöschung zu schützen."

Am Sonntag hatte auch der russische Oligarch Michail Fridman erklärt: Krieg kann niemals die Antwort sein." In einem Schreiben an die Mitarbeiter seiner Beteiligungsgesellschaft Letter One forderte der gebürtige Ukrainer nach Unternehmensangaben ein Ende des "Blutvergießens".

Einer der reichsten Männer Russlands, der Oligarch Roman Abramowitsch, wurde nach Angaben einer Sprecherin von ukrainischer Seite um Hilfe gebeten. Er sei kontaktiert worden, "um bei der Suche nach einer Lösung zu helfen und bemüht sich nun zu helfen", erklärte Sprecherin Rola Brentlin.

Deripaska fordert Ende von "Staatskapitalismus"

Der Milliardär Oleg Deripaska forderte angesichts der gegen Moskau verhängten Wirtschaftssanktionen am Montag ein Ende des "Staatskapitalismus" in Russland. "Das ist eine echte Krise, und wir brauchen echte Krisenmanager", erklärte der Gründer des Aluminiumkonzerns Rusal auf Telegram. Die Regierung könne nicht "einfach abwarten", erklärte Deripaska. Er erwarte vom Kreml "Klarstellungen" zur "Wirtschaftspolitik in den nächsten drei Monaten". Auf Twitter schrieb er außerdem am Sonntag: "Der Frieden hat Vorrang. Verhandlungen müssen so bald wie möglich beginnen."

Die EU-Staaten, die USA, Kanada, Japan und weitere westliche Verbündete haben wegen des Angriffs auf die Ukraine eine ganze Reihe äußerst harter Sanktionen gegen Russland beschlossen. Dazu zählen unter anderem ein Ausschluss wichtiger russischer Banken aus dem internationalen Zahlungssystem Swift, die Sperrung von Transaktionen der russischen Zentralbank zur Stützung der russischen Währung und Exportverbote für Hightechgüter. Die Strafmaßnahmen richten sich aber auch gegen Oligarchen und deren Vermögenswerte.

Nachdem die EU die Sanktionen verkündet hatte, traf sich der russische Präsident Wladimir Putin am Montag mit Topbankern zu einer Krisensitzung. Zuvor hatte Kreml-Sprecher Peskow eingeräumt, dass sich die "wirtschaftliche Realität" im Land "erheblich geändert" habe. "Das sind schwere Sanktionen, sie sind problematisch", sagte er vor Reportern. Aber Russland habe das Potenzial, sie zu kompensieren. (APA, red, 28.2.2022)