Die Folgen des russischen Angriffskriegs haben auch die Raumfahrt erreicht.
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Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat inzwischen auch außerirdische Konsequenzen. Als Reaktion auf westliche Sanktionen gegen Moskau setzte Russlands Raumfahrtbehörde Roskosmos bereits Ende vergangener Woche die Zusammenarbeit bei Weltraumstarts in Kourou in Französisch-Guayana aus. Doch auch andere Projekte wackeln: Wie die Europäische Weltraumorganisation (Esa) am Montag mitteilte, sei der für Herbst 2022 geplante Start der gemeinsamen Marsmission Exomars unwahrscheinlich.

Eine russische Proton-M-Trägerrakete sollte den europäischen Rover "Rosalind Franklin" im Herbst zum Mars bringen – doch die Zeichen stehen auf Stopp.
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"Wir setzen die von unseren Mitgliedstaaten gegen Russland verhängten Sanktionen vollständig um", heißt es in einer Stellungnahme der Esa. "Wir bewerten die Folgen für jedes unserer laufenden Programme, die in Zusammenarbeit mit der russischen staatlichen Raumfahrtbehörde Roskosmos durchgeführt werden, und richten unsere Entscheidungen in enger Abstimmung mit industriellen und internationalen Partner an den Entscheidungen unserer Mitgliedstaaten aus."

Man nehme die russische Entscheidung zum vorläufigen Stopp einer Zusammenarbeit am europäischen Weltraumbahnhof in Kourou zur Kenntnis und werde auf europäische Trägerraketen zurückgreifen. "In Bezug auf die Fortsetzung des Exomars-Programms machen die Sanktionen und der weitere Kontext einen Start im Jahr 2022 sehr unwahrscheinlich", heißt es weiter. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen soll demnächst fallen.

Weiter warten auf den Mars

Europa hat wenig Glück am Mars. Exomars ist ein Gemeinschaftsprojekt mit Roskosmos, die russische Agentur sollte neben der Trägerrakete zur Beförderung ins All auch die Landeplattform für den Rover bereitstellen. Der Rover, der zu Ehren der britischen Biochemikerin Rosalind Franklin benannt wurde, hätte ursprünglich bereits 2020 losfliegen sollen, Probleme mit dem Fallschirmsystem und mit der Elektronik des Landemoduls verhinderten den Start.

Wann der europäische Rover so wie in dieser Illustration Marsboden unter den Rädern haben wird, steht in den Sternen.
Illustration: ESA/ATG medialab

Der erste Teil der Mission war im Oktober 2016 zum Fiasko geworden: Zwar konnte die Sonde Trace Gas Orbiter damals in eine Umlaufbahn um den Roten Planeten gebracht werden, die Testlandung mit dem kleinen Roboter Schiaparelli schlug jedoch fehl – er krachte wegen eines Softwarefehlers mit 540 km/h auf den Mars.

Esa-Chef Aschbacher: "Schwierige Entscheidungen"

"Wir bedauern die tragischen Ereignisse in der Ukraine, eine Krise, die in den letzten Tagen dramatisch zu einem Krieg eskalierte", schrieb Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher im Kurznachrichtendienst Twitter. "In Anbetracht der von den Regierungen unserer Mitgliedstaaten verhängten Sanktionen werden derzeit bei der Esa viele schwierige Entscheidungen getroffen."

Außerirdische Drohungen

Ob der Krieg und die wachsende Eskalation auch Auswirkungen auf die Internationale Raumstation (ISS) haben wird, die seit bald 22 Jahren permanent bewohnt ist und gemeinsam von den USA, Russland, Europa, Japan und Kanada betrieben wird, ist derzeit nicht klar. Vergangene Woche hatten Roskosmos und Nasa betont, laufenden Verpflichtungen nachkommen zu wollen und auf der ISS weiterhin zu kooperieren.

Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin zeigte sich aber wenig diplomatisch, als er die USA warnte, es seien russische Motoren, die die ISS in ihrer Umlaufbahn hielten. "Wer wird ohne uns die ISS vor einem möglicherweise unkontrollierten Absteigen aus der Umlaufbahn und einem Absturz auf amerikanisches oder europäisches Territorium bewahren?"

Am Dienstag stellte Roskosmos dann eine längerfristige Zusammenarbeit auf der ISS infrage: "Die Frage einer Verlängerung der Vereinbarung unter den aktuellen Bedingungen sehen wir skeptisch", zitierten Nachrichtenagenturen die russische Weltraumorganisation. Roskosmos habe bisher nur die Erlaubnis, die Station bis 2024 zu betreiben, dann laufe der Vertrag der internationalen Partner aus. Die NASA hatte bereits vor längerem einer Betriebsdauer bis 2030 zugestimmt.

Interview auf ISS abgesagt

Die Nasa betonte am Montag, die Situation weiter genau beobachten zu wollen. "Derzeit läuft unser Betrieb normal", sagte Kathy Lueders, Chefin des bemannten Raumfahrtprogramms der Nasa, am Montag bei einer Pressekonferenz. "Es wäre ein trauriger Tag für den internationalen Betrieb, wenn wir im Weltraum nicht weiter zusammenarbeiten könnten." Die Teams beider Länder seien nach wie vor in ständigem Kontakt und es gebe "keinerlei Hinweise von unserem Gegenüber, dass sie den Betrieb nicht weiterführen wollen", sagte Lueders.

Dass die Spannungen zwischen den ISS-Betreiberländern im Erdorbit aber spürbar sind, zeigt eine aktuelle Meldung der Esa: Ein für Donnerstag geplantes Livegespräch mit dem deutschen ISS-Astronauten Matthias Maurer, der sich aktuell mit zwei Russen, drei Amerikanern und einer Amerikanerin auf der Raumstation aufhält, wurde "mit Blick auf den Krieg in der Ukraine" abgesagt. (David Rennert, 28.2.2022)