Die Deutschen sind seit 2011 nicht mehr zum Wehrdienst verpflichtet.

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"Gas, Wasser, Schießen" – mit diesen drei Worten hat die Bundeswehr einmal um Handwerker geworben. Es gab einiges an Kritik, ebenso an einer Miniserie auf Youtube über die Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK). Gas und deutsche Soldaten, das sei geschmacklos, lautete der Tenor. Und die KSK sahen viele als zu martialisch dargestellt.

Man müsse eben junge Leute gezielt ansprechen, verteidigten sich die Landesverteidiger. Denn die Zeiten, in denen der Nachwuchs alljährlich ohnehin in die Kasernen musste, um den Wehrdienst abzuleisten, waren in Deutschland da schon vorbei.

2011 hatte die damalige deutsche Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP die Wehrpflicht ausgesetzt. An ihre Stelle trat ein neuer freiwilliger Wehrdienst. Und mit diesem sollte jetzt wieder Schluss sein, finden nun die ersten Politiker in Deutschland und fordern angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine ein Umdenken.

"Entscheidendes Signal"

"Die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist ein entscheidendes Signal zur Sicherstellung einer wirksamen militärischen Abschreckungs- und Bündnisfähigkeit durch Deutschland", erklärt der niedersächsische CDU-Landesparteichef Bernd Althusmann. Sein Landesverband fordert ein Ende der "Sicherheitspolitik nach Kassenlage".

Auch der CDU-Politiker und Präsident des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr, Patrick Sensburg, meint in der Rheinischen Post: "Es ist möglich, die Wehrpflicht über eine allgemeine Dienstpflicht umzusetzen. Das würde für Männer und Frauen gelten." Um ein Land zu verteidigen, brauche es nicht nur gute Ausrüstung, sondern auch Soldaten und Soldatinnen. "Deswegen benötigen wir die Wehrpflicht, zum Aufwuchs und zur Durchhaltefähigkeit", so Sensburg.

Die Wehrpflicht hatte in Deutschland seit 1956 gegolten. Abgeschafft hatte sie 2011 der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Wobei "Abschaffung" vor elf Jahren nicht das völlige Aus bedeutete. Vielmehr wurde die Wehrpflicht "ausgesetzt" und auf den "Spannungs- und Verteidigungsfall" beschränkt.

Kleiner, aber professioneller

Die Idee dahinter: Deutschland wähnte sich ohnehin nur von Freunden umgeben, wollte sparen und sah mehr Sinn in einer auf Auslandseinsätze spezialisierten Truppe.

"Wir brauchen heute keine unverhältnismäßig hohen Umfangzahlen mehr, sondern hochprofessionelle Streitkräfte, die über weite Distanzen für schwierige und in schwierigen Einsätzen und Szenarien schnell und nachhaltig eingesetzt werden können und auch entsprechend verlegt werden können", sagte Guttenberg damals.

Einer kompletten Abschaffung der Wehrpflicht hätte sich die Union wohl verweigert, die Aussetzung konnte sie mittragen. Zudem wurde damals beschlossen, die Anzahl der Soldatinnen und Soldaten von 255.000 auf 185.000 zu verringern.

Nun hat der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) angesichts der russischen Aggression entschieden, der Bundeswehr ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zukommen zu lassen. Er will dieses sogar im Grundgesetz verankern, damit Investitionen nicht leicht einkassiert werden können. "Unser Ziel ist, dass wir im Laufe dieses Jahrzehnts eine der handlungsfähigsten, schlagkräftigsten Armeen in Europa bekommen", sagt dazu Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Die deutschen Verteidigungsminister und -ministerinnen der vergangenen Merkel-Jahre (allesamt aus der CDU/CSU) dürften nur so mit den Ohren geschlackert haben. Sie alle mussten Jahr für Jahr um jeden Cent kämpfen. Soldaten beklagten immer wieder, dass die Bundeswehr kaputtgespart werde. In desolatem Zustand ist sie seit Jahren.

"Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da", erklärt der Inspekteur des deutschen Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, und stellt auch die militärische Gefechtsbereitschaft in der aktuellen Lage infrage. "Die Optionen, die wir der Politik zur Unterstützung des Bündnisses anbieten können, sind extrem limitiert."

Keine Unterwäsche, keine Jacken

Laut der Wehrbeauftragten des Bundestags, Eva Högl (SPD), fehlen den Soldaten, die in Litauen stationiert sind, warme Unterwäsche und dicke Jacken. "Mir haben reihenweise Soldatinnen und Soldaten erzählt, dass sie keinen ausreichenden Kälte- und Nässeschutz haben", sagt Högl.

Das soll sich nun mit der gigantischen Finanzspritze jedoch rasch bessern. Die erste Verteidigungsministerin der SPD – Christine Lambrecht – wird aus dem Vollen schöpfen.

Einer neuen Wehrpflicht kann sie aber nichts abgewinnen. "Ich glaube nicht, dass die Wehrpflicht uns gerade in der aktuellen Diskussion jetzt wirklich weiterhilft", sagt sie. Denn: "Das wäre eine große Reform, es wären auch große rechtliche Fragen zu klären."

Lambrecht verweist auf die Frage, ob dann auch Frauen zum Dienst bei der Bundeswehr verpflichtet werden sollten. Derzeit heißt es in Paragraf 1 des ausgesetzten Wehrpflichtgesetzes: "Wehrpflichtig sind alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind." (Birgit Baumann aus Berlin, 1.3.2022)