Der am Montag veröffentlichte aktuellste Bericht des Weltklimarats IPCC fasst den wissenschaftlichen Stand zu Auswirkungen der globalen Erwärmung auf Mensch und Umwelt zusammen. Damit wird die Öffentlichkeit daran erinnert, wie wichtig es für eine lebenswerte Zukunft ist, rasche und langfristig erfolgreiche Maßnahmen zur Eindämmung der Emissionen und zur Anpassung an den Klimawandel zu ergreifen.

Wieder einmal sorgte die Veröffentlichung für entsetzte Reaktionen: "Die größten Verschmutzer machen sich der Brandstiftung in unserem einzigen Zuhause schuldig", sagte etwa UN-Generalsekretär Antonio Guterres und drängte, mehr Geld in Klimaschutz und Klimawandelanpassung zu stecken. "Verzögerung bedeutet Tod", so Guterres.

Auch bei Umweltschutzorganisationen und innerhalb der wissenschaftlichen Community sorgt der Bericht für Alarmstimmung. Die österreichische Meteorologin Helga Kromp-Kolb nannte die Ergebnisse etwa "eine beeindruckende und beängstigende Zusammenstellung der Auswirkungen, Risiken und Vulnerabilitäten des Klimawandels".

Die Folgen des Klimawandels sind bereits heute zu spüren. Wie gehen wir mit ihnen um?

Der Bericht verdeutlicht vor allem die Dringlichkeit der Klimakrise und beziffert ihre Auswirkungen auf die Menschheit. Vereinzelt zeigt das rund 3000 Seiten starke Papier aber auch Optionen auf, um das Leben in einer vom Klimawandel betroffenen Welt, die heute bereits Realität ist, erträglicher zu machen.

Die Natur als Verbündete

"Lasst die Natur ihre Arbeit machen!", sagte Inger Andersen, Leiterin des UN-Umweltprogramms UNEP, am Montag bei der Präsentation des Berichts. Die Umwelt könne unsere Retterin in der Klimakrise sein – aber nur, wenn wir sie zuerst retteten. Gesunde Ökosysteme könnten nämlich dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen, schreiben die Forschenden. Denn dort regenerieren sich Ressourcen, welche die Menschheit zum Leben braucht, etwa Nahrungsmittel und Wasser.

Intakte Natur kann unter Umständen aber auch Katastrophen und Extremwetterereignisse abschwächen. Ganz konkret nehmen etwa naturbelassene Feuchtgebiete, Flüsse und Wälder überschüssiges Wasser auf und könnten die Menschheit in einer Welt mit extremen Niederschlägen vor Hochwasser schützen.

Während sich die Temperaturen weltweit erhöhen, können diejenigen in intakten Ökosystemen künftig weniger stark steigen. Dies würde auch Infektionskrankheiten die Chance nehmen, sich in neuen Gebieten auszubreiten. Hans-Otto Pörtner, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe des IPCC, schlägt etwa vor, 30 bis 50 Prozent der Lebensräume an Land und in den Ozeanen zu schützen, um diese widerstandsfähiger zu machen.

DER STANDARD

Städte als Chance

Städte identifiziert der Weltklimarat als Hotspot für die Auswirkungen des Klimawandels, allein schon deshalb, weil sie immer weiter wachsen würden – an vielen Orten unkontrolliert. So seien "informelle" Siedlungen, wie sie vor allem in Großstädten des globalen Südens vorkommen, besonders verwundbar in Hinsicht auf die Folgen der Klimakrise. Auch weil Temperaturen im bebauten Gebiet oft höher sind als im grünen Umland, ist extreme Hitze für Bewohnerinnen und Bewohner von Städten besonders gefährlich. Küstenstädte sind wiederum am stärksten vom steigenden Meeresspiegel betroffen.

In den vergangenen Jahren haben immer mehr Städte deshalb den Klimanotstand ausgerufen. Die Forschenden merken jedoch an, dass weitere Maßnahmen oft ausgeblieben seien. Um Städte wirklich klimafit zu machen, brauche es einen Mix aus technischen Maßnahmen – etwa bessere Abflusssysteme gegen Überschwemmungen – und mehr Natur in der Stadt. Als Beispiel wird im Bericht etwa ein Projekt im chinesischen Xi’xian genannt: Dort haben groß angelegte grüne Korridore und Parks die Temperatur in der Stadt wesentlich reduziert.

Die Klimakrise müsste jedenfalls bei sämtlichen Stadtplanungsentscheidungen mitgedacht werden. Je mehr die Bevölkerung dabei eingebunden werde, desto besser. Denn so könnten Städte nebenbei auch gleich inklusiver und gerechter werden.

Bei der Agroforstwirtschaft wachsen Bäume auf den Feldern.

Mehr Felddurchmischung

Der Klimawandel setze außerdem die Landwirtschaft enorm unter Druck. Hitze, Wassermangel und extremes Wetter würden in Zukunft dazu führen, dass Felder weniger Ertrag abwerfen. Die Welt müsse sich auf geänderten Bedingungen einstellen, etwa, indem robustere Tier- und Pflanzenarten eingesetzt oder die Aussaat und Ernte stärker an die neuen Wetterverhältnisse angepasst werden.

Mehr Durchmischung in der Landwirtschaft könnte diese außerdem widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen machen. Bei der sogenannten Agroforstwirtschaft etwa wachsen Bäume auf Feldern oder Viehweiden, was nicht nur Kohlenstoff bindet, sondern auch Erosion und Verdunstung verhindert.

Die Grenzen der Anpassung

Doch wie sehr diese Maßnahmen die Auswirkungen des Klimawandels wirklich abschwächen können, sei oft unklar, heißt es im Bericht. Denn vieles, was gegen Klimaschäden hilft, kann woanders schaden: Der IPCC nennt als Beispiel etwa Schutzwälle gegen steigende Meeresspiegel, welche die Ökosysteme an den Küsten zerstören.

Auch wenn Anpassungen an die neue Klimarealität wichtig sind, seien diese kein Ersatz für ambitionierten Klimaschutz. Viele Maßnahmen könnten etwa bereits bei einem Temperaturanstieg von über 1,5 Grad nicht mehr wirken, weil es etwa an Süßwasser fehlt. Ab zwei Grad Erwärmung wäre der Anbau bestimmter Grundnahrungsmittel an vielen Orten nicht mehr möglich. Es sei daher wichtig, sich möglichst viele Optionen der Klimawandelanpassung offenzuhalten, sagt Debra Roberts, Co-Vorsitzende des IPCC. Und das funktioniere nur mit ausreichendem Klimaschutz.

Anstatt die Auswirkungen nachträglich abzuschwächen, sei es zudem günstiger und erfolgversprechender, die Ursachen direkt zu bekämpfen. Das heiße: Runter mit CO2 und anderen Klimagasen!

Wie das im Detail gelingen kann, ist Thema des nächsten Teils des Sachstandsberichts des IPCC, der im März erscheinen soll. Darauf warten muss die Menschheit freilich nicht – denn die Lösungen liegen seit Jahrzehnten auf dem Tisch. (Nora Laufer, Philip Pramer, Julia Sica, 28.2.2022)