Die Ausstellung "Face to Face – Marc Quinn meets Franz Xaver Messerschmidt" lässt zeitgenössischen und zeitlosen Wahnsinn aufeinanderprallen.

Foto: Marc Quinn Studio / Belvedere Wien

Bis heute ist er trocken geblieben, sagt Marc Quinn. Mit den Skulpturen, die er jetzt im Belvedere ausstellt, hat er vor vielen Jahren seine Dämonen ausgetrieben. Abgetrennte Hände greifen in verzerrte Grimassen und tasten über durchlöcherte Körper, wie um sie zu entgiften. Inspiriert hat den britischen Künstler einer der berühmten Charakterköpfe von Franz Xaver Messerschmidt, den er Mitte der 1990er-Jahre immer wieder im Londoner V&A Museum besucht.

Vor einigen Jahren kommt Marc Quinn dann auf das Belvedere zu, das die größte Sammlung von Messerschmidts weltweit besitzt. Nun stehen sich 13 Werke des Briten und 13 Werke jenes Bildhauers gegenüber, der an der Schwelle vom Barock zur Aufklärung steht.

Kopf aus Blut

Marc Quinn wird 1964 in London geboren. 1991 schlägt sein Selbstporträt Self in der britischen Kunstszene ein. Dazu formt er seinen Kopf mit eigenem Blut. Damit der Abguss nicht zerfließt, muss er ständig unter Null gekühlt bleiben. Marc Quinn ist damals alkoholabhängig. So wie sein Selbstbildnis muss auch er einen anderen Treibstoff anzapfen, um zu überleben, wie es es auf seiner Website heißt. Seine Körperskulpturen brauchen damals fast immer externe Apparaturen, um in Form zu bleiben.

Foto: Marc Quinn Studio / Belvedere Wien

Mit der Serie Emotional Detox findet Marc Quinn dann zurück zur festen Skulptur. Er arbeitet mit Wachs, Gips und Blei, Eine der Gipsarbeiten ist über die Jahre verschwunden, so wie auch der Untertitel der Serie, Die sieben Todsünden, von 1995 in der Tate Modern.

Beim Presserundgang im Oberen Belvedere sieht Marc Quinn aus wie ein gut gealterter Raver mit Jogginghose, New-Era-Camouflage-Kappe und roter Steppjacke. Vor einigen Jahren arbeiteten immerhin acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in seinem Studio. Heute betreibt Marc Quinn einen Shop und weltweit stehen seine Skulpturen an prestigeträchtigen Orten.

Laute Inszenierung

Damit passt er in jenes Bild, das sich die Welt von "Young British Artists" wie wie Damien Hirst, Tracey Emin oder Sarah Lucas gemacht hat. Sex, Tod und Geburt werden laut inszeniert und gezielt vermarktet. Manchmal ging das auf die eigenen Kosten, manchmal auch auf die Kosten anderer. So willigte Quinn nach jahrelangem Streit vor Kurzem ein, dass er Nacktskulpturen von seiner Ex-Freundin Jenny Bastet zerstören oder sie nie wieder zeigen wird.

Die sehenswerten frühen Arbeiten von Marc Quinn können wenig dafür. Sie setzen den Dialog mit Franz Xaver Messerschmidt fort, den schon Tony Cragg und die Sammelausstellung "Talking Heads" mit Arnulf Rainer oder Maria Lassnig begonnen hatten. Und damit zeigt sich nicht zuletzt, wie fruchtbar die "Kopf-Stücke", die Messerschmidt zeitlebens nie verkauft hat, für die Nachwelt bleiben. (Stefan Niederwieser, 1.3.2022)