Die Vorzüge von Signal sind gefragt wie noch nie.

Foto: Signal

In Friedenszeiten mag die Privatsphäre ein hohes Gut sein, kommt der Krieg, kann sie aber überlebenswichtig werden. Mit dieser Realität sehen sich nun viele Menschen in der Ukraine konfrontiert und ziehen daraus die Konsequenzen. In den vergangenen Tagen hat der verschlüsselte Messenger Signal einen massiven Wachstumsschub in dem derzeit von Russland angegriffenen Land erlebt.

Ranking

Das Ergebnis: Signal führt mittlerweile die Download-Zahlen bei Apples App Store in der Ukraine an. Doch die App wird nicht nur viel heruntergeladen, sie wird offenbar auch intensiv genutzt; das zeigt eine Statistik, die Cloudflare-CEO Matthew Prince auf Twitter veröffentlicht hat. Demnach hat Signal am Montag zum ersten Mal den in Osteuropa besonders beliebten Konkurrenten Telegram überholt.

Auch wenn die konkreten Zahlen mit etwas Vorsicht zu genießen sind – sie bilden lediglich die Zahl der Anfragen an die jeweiligen Server ab, nicht das Gesamtvolumen des Datenverkehrs –, so ist der Trend unübersehbar. Der Einsatz von Signal hat sich seit dem Einmarsch russischer Truppen am Donnerstag vervielfacht.

Relationen

Interessant ist die Statistik aber auch beim Blick auf andere populäre Messenger. Whatsapp befand sich schon vor dem Konflikt in der Ukraine bei den DNS-Anfragen kaum über Signal, mittlerweile ist die Nutzung offenbar noch weiter zurückgegangen. Apropos Facebook: Der offizielle Facebook Messenger spielte schon vorher kaum eine Rolle und tut dies nun noch weniger.

Unverändert bleibt hingegen die hohe Relevanz von Telegram, wobei hier der Einsatz etwas anders sein dürfte. Bei Telegram dominieren vor allem die Kanäle, über die zum Teil hunderttausende User gleichzeitig informiert werden. So werden derzeit auch von Hacktivisten und der ukrainischen Regierung laufend über Telegram neue Ziele für Attacken gegen die russische Infrastruktur ausgegeben.

Warnung

Gleichzeitig warnen Sicherheitsexperten immer wieder, dass Telegram kein sicherer Messenger ist. Während Signal viel Wert darauf legt, möglichst wenige Daten zu sammeln, sind bei Telegram die Chats nicht einmal von Haus aus Ende-zu-Ende-verschlüsselt. Dazu kommt, dass hier eine Fülle von Daten online zwischengespeichert werden, was in der aktuellen Situation besonders problematisch ist. Dieser Umstand scheint sich auch bei ukrainischen Smartphone-Usern herumgesprochen haben, die nun für die privaten Chats lieber auf Signal vertrauen.

Desinformation

Die steigende Signal-Nutzung dürfte aber nicht allen gefallen. So kursieren derzeit Gerüchte, dass Signal gehackt und kompromittiert wurde. Dieser Behauptung treten die Entwickler der App nun öffentlich entgegen: Es handle sich um eine gezielte Desinformationskampagne, um die User vom Einsatz von Signal abzuhalten. Jedenfalls seien diese Behauptungen falsch, Signal sei derzeit nicht unter Angriff.

Selbst wenn einzelne Signal-Server gehackt würden, würde dies den Angreifern nur begrenzt etwas bringen, da hier eben nur sehr wenige Daten gespeichert sind. Durch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung haben sie zudem auch an dieser Stelle keinen Einblick in die Gespräche.

Offline-Apps

Die aktuellen App-Store-Statistiken in der Ukraine zeigen aber auch sonst die geänderten Notwendigkeiten. So befinden sich im Ranking derzeit auch die auf die Offline-Nutzung ausgelegten Messenger Zello und Bridgefy ganz oben. Über diese kann lokal selbst dann noch kommuniziert werden, wenn das Internet ausfällt.

Ebenfalls in den Top Ten: Maps.me, ein Programm für die Nutzung von Offline-Karten, sowie die offizielle Starlink-App für das Satelliteninternet von Elon Musk. Dieser hatte zuvor versprochen, sein Netz für die Ukraine anzubieten, passende Basisstationen sind am Montagabend in dem Land angekommen. (Andreas Proschofsky, 1.3.2022)