Zwei Dinge zeichnen Behareh Najafian (36) aus: Zum einen ist sie es als Technikerin gewohnt, flexibel zu sein. Mit mathematischen Modellen optimierte sie schon die unterschiedlichsten Systeme: Für ihren Bachelor an der Universität in Isfahan entwickelte sie ein Simulationsverfahren für die Wärmeverteilung in einem Drei-Scheiben-System.

Für ihren Master untersuchte sie an der Universität in Teheran das Temperaturverhalten von Gasbrennern, für ein großes iranisches Technologieunternehmen entwickelte sie Simulationsmodelle für optimierte Abwasserbehandlung in Kläranlagen.

Bahareh Najafian beschäftigt sich für ihr Dissertationsprojekt am metallurgischen Forschungszentrum K1-Met mit der Prozessoptimierung von Stranggussverfahren.
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Zudem ist sie mutig und weiß genau, was sie will. Das hat sie zuletzt im Herbst 2019 bewiesen, als sie sich entschloss, gemeinsam mit ihrem Mann den Iran zu verlassen. Nun beschäftigt sie sich für ihr Dissertationsprojekt am metallurgischen Forschungszentrum K1-Met, mit Arbeitsplatz an der Linzer Johannes-Kepler-Universität (JKU), mit der Prozessoptimierung von Stranggussverfahren. Ihre spezielle Frage: Wie kann man mit Elektromagnetismus den Strömungsfluss von flüssigem Stahl so beeinflussen, dass die Materialstruktur stets die beste Qualität aufweist?

Dafür verwendet sie Simulationsverfahren, mit denen sie am Rechner die Ansteuerung großer Elektromagnete in noch größeren Stranggussanlagen simuliert. Eine Stellschraube dafür ist die Fließgeschwindigkeit, die mit Elektromagneten erhöht oder verringert werden kann. Zum anderen können mit elektromagnetischen Kräften aber auch spezielle Strömungsmuster erzeugt werden, um den Einschluss von Gasbläschen oder Schlackeresten zu reduzieren. "Stahlverrührung" auf höchstem Niveau also.

95 Prozent der Stahlproduktion

Die Stahlindustrie wartet jedenfalls gespannt auf Najafians Ergebnisse. Denn mehr als 95 Prozent der Stahlproduktion laufen über Stranggussverfahren. Schon kleine Prozessoptimierungen können große Auswirkungen auf die Produktivität haben.

Dass Najafian Technik studieren wollte, war für sie bereits seit ihrer Jugend klar. Das hatte zum einen damit zu tun, dass auch ihr Vater Techniker war, meint sie. Zum anderen studieren Frauen im Iran relativ häufig naturwissenschaftliche Fächer. Viele wählen aber die Chemie. "Fluidmechanikerinnen werden die wenigsten. In meinem Jahrgang an der Universität in Teheran waren von 160 Studierenden nur zehn Frauen."

Für ihr Projekt war der Herbst 2019 wohl nicht der optimale Startpunkt, meint sie heute. Denn ein paar Monate später saß sie im pandemischen Lockdown und Homeoffice. "Das machte das Deutschlernen und die Kulturumstellung nicht leichter. Ich würde es aber wieder so machen." Zum Glück fand ihr Mann, auch ein Experte für Fluidmechanik, nach langer Suche auch eine Stelle an der JKU in Linz. "Dann saßen wir wenigstens zu zweit in unserem Appartement fest."

Geht alles nach Plan, wird Najafian die Ergebnisse ihrer Simulation nächstes Jahr im Hochfeld-Magnetlabor am Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf experimentell überprüfen. Danach will sie entscheiden, ob sie in Linz bleibt oder weiterzieht. "Man wird sehen. Möglich ist alles." (Norbert Regitnig-Tillian, 6.3.2022)