Im Gastblog portätiert die Physikerin Andrea Navarro-Quezada eine Pionierin auf dem Feld der Medizinphyisk.

Letztes Jahr am Weltfrauentag habe ich über die Physikerin Monika Ritsch-Marte geschrieben. Eine ursprünglich Theoretische Physikerin, deren Forschung sich auf die Verbesserung der Auflösung von Mikroskopen und die Manipulation von mikrometergroßen Partikeln für Anwendungen in der biomedizinischen Forschung fokussiert. In diesem Jahr möchte ich über die Frau berichten, die als Pionierin der medizinischen Physik gilt: Edith Stoney. Sie war eine irische Mathematikerin und Physikerin, die durch die Anwendung von Röntgenstrahlung dazu beigetragen hat, mehrere Leben während des Ersten Weltkriegs zu retten.

Medizinische Physik

Unter dem Begriff Medizinische Physik versteht man den Gebrauch der Grundlagen der Physik in medizinischen Anwendungen. Medizinphysikerinnen und Medizinphysiker beschäftigen sich mit klinischen und prä-klinischen Fragestellungen des Gesundheitswesens. Zu den Forschungsbereichen der Medizinischen Physik gehören unter anderem Krebsforschung, Dosimetrie und Medizintechnik. So befasst sich dieser Bereich der Physik auch mit der Verbesserung in der Patientenbehandlung und der Entwicklung neuer Techniken.

Die bekannteste Anwendung der Medizinischen Physik ist die Radiologie, die durch die Entdeckung der Röntgenstrahlung durch Wilhelm Konrad Röntgen und der Radioaktivität durch Marie Curie entwickelt werden konnte. Zurzeit wird intensiv auf dem Gebiet der Ionenbestrahlung und der Tumorbehandlung mit Lasertherapie geforscht. Darüber hinaus tragen Medizinphysiker auch zu Bereichen wie Optik, Akustik, Ultraschall oder Magnetresonanz bei, indem sie neue Geräte sowie Algorithmen zur Bildgebung und -verarbeitung entwickeln.

Die vielfach ausgezeichnete Edith Stoney.
Foto: Public Domain

Von der Mathematik zur Radiologie im Ersten Weltkrieg

Edith Stoney wurde am 6. Jänner 1869 in Dublin, Irland geboren. Ihr Vater war ebenfalls ein prominenter Physiker, der dafür bekannt ist, den Begriff „Elektron“ als fundamentale Einheit der Elektrizität eingeführt zu haben. Als kleines Kind hat sich Edith für die Mathematik begeistert und zeigte ein hohes Talent in diesem Bereich. So erhielt sie ein Stipendium für das Newham College Cambridge, zu einer Zeit, in der Frauen ein Studium nicht offiziell abschließen konnten. Ihr wurden erst im Nachhinein vom Trinity College Dublin die Titel Bachelor und Master verliehen.

Im Jahr 1899 bekam Stoney eine Stelle als Leiterin des Physiklabors in der London Medical School for Women, wo ihre Schwester vier Jahre zuvor ein Studium abgeschlossen hatte. Gemeinsam mit ihrer Schwester Florence gründete sie später ein Radiologie-Service für Untersuchungen mit Röntgenstrahlung im Royal Free Hospital. Diese Expertise wendete sie später während des Ersten Weltkriegs erfolgreich an, um Granatsplitter und Kugeln in verwundeten Soldaten zu lokalisieren und deren Entfernung in der Chirurgie zu vereinfachen. Das führte dazu, dass die Wunden schneller heilen konnten.

Sie diente in ihrer Zeit als Radiologie-Expertin in gefährlichen Kriegszonen und musste mehrmals mit ihrem ganzen Equipment aus den Krankenhäusern, in denen sie arbeitete, evakuiert werden. Dennoch machte Stoney weiter, da sie es als ihre Pflicht sah, den Verwundeten zu helfen. Wegen ihrer Tapferkeit während des Ersten Weltkriegs wurde sie mit dem französischen Croix de Guerre, dem serbischen St.-Sava-Orden und der britischen Victory Medal geehrt. 

Nach dem Krieg kehrte Stoney nach England zurück, wo sie am King’s College for Women Mathematik und Physik lehrte. In ihrem Ruhestand reiste sie gemeinsam mit ihrer Schwester nach Indien und Südafrika, um den Einfluss von Vitamin D und Ernährung bei Osteomalazie - eine Krankheit, bei der Knochen erweichen - zu erforschen. Sie starb im Jahr 1938 im Alter von 69 Jahren.

Über die Physik hinaus

Stoney hat sich während ihres Lebens aktiv für Frauenbewegungen, wie die Suffragetten-Bewegung für das Wahlrecht der Frauen, eingesetzt. Sie wurde 1909 zur Kassiererin der Britischen Föderation der Universitäten für Frauen (BFUW) gekürt, worauf sie sich auch aktiv in der Politik engagierte. So war sie an der Verabschiedung des Gesetzes zur Aufhebung der Geschlechterdiskriminierung aus dem Jahr 1919 beteiligt, welches Frauen ermöglichte, öffentliche Ämter und alle bürgerlichen Berufe auszuüben. 

Nach ihrer Pensionierung vom King’s College for Women, kehrte sie ins BFUW zurück und gründete zwei Stipendien, benannt nach ihrer Schwester und ihrem Vater, um Studentinnen aus Großbritannien und Irland ein Studium im Ausland in den Bereichen Biologie, Geologie, Meteorologie und Radiologie zu ermöglichen. Heute werden die Stipendien vom Newham College in Cambridge an Medizin-Studentinnen für Auslandsaufenthalte vergeben.

Edith Stoney war eine ermutigende Frau, die für ihre Pionierarbeit auf dem Gebiet der Medizinischen Physik, ihre Tapferkeit im Krieg und ihr Engagement in der Frauenförderung in die Geschichte eingegangen ist. (Andrea Navarro-Quezada, 8.3.2022)

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