China hat wichtige Handelsbeziehungen mit Moskau und Kiew – nicht nur deshalb gibt sich das Land zweideutig.

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Für China ist der Ukraine-Krieg brisant – und das gleich mehrfach. Die Linie der Regierung in Peking ist daher alles andere als eindeutig. Offiziell jedenfalls gibt man sich als Partner Russlands. Noch Anfang Februar hatten Präsident Xi Jinping und Putin eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie eine "multipolare Welt" forderten. Beide sehen in den USA den Gegner für ihre Ambitionen. Bei einer Resolution im UN-Sicherheitsrat, die die russische Invasion verurteilte, enthielt sich China der Stimme. Andererseits pocht Peking auf eine diplomatische Lösung des Konflikts und auf das Recht auf territoriale Unversehrtheit der Ukraine, wie Außenminister Wang Yi am Montag nochmals betonte. All das geschieht nicht ohne eigennützige Hintergedanken: Autonomiebestrebungen lehnt Peking ab, weil man seine Ansprüche auf Tibet, Xinjiang, Hongkong und Taiwan nicht gefährdet sehen will.

Frage: Warum verhält sich China aber gar so zurückhaltend?

Antwort: Beide Staaten, China und Russland, sind autoritäre Systeme, die Demokratien grundsätzlich als Bedrohung für ihre eigene Herrschaft verstehen. Gemeinsames Ziel ist außerdem eine "multipolare Welt". Was nett klingt, bedeutet nichts anderes als die Gleichstellung von Demokratien und autoritären Herrschaftsformen und die Aufteilung der Welt in Einflusszonen.

Frage: Profitiert Peking vom aktuellen Krieg?

Antwort: Nein. Zwar gibt es indirekt positive Folgen. So fokussieren die USA ihre Aufmerksamkeit auf Putin, die Rivalität mit Peking gerät aus dem Fokus. Die chinesische Wirtschaft wird aber ebenso unter den höheren Rohstoffpreisen und der Inflation leiden. Die Ukraine ist zudem einer der wichtigsten Lebensmittelexporteure für China. Außerdem bekommt man in Peking eine Ahnung davon, wie sich der Westen bei einem Angriff auf Taiwan verhalten würde. Die geschlossene Reaktion von USA und EU dürfte für die Strategen in Peking nicht ermutigend sein. Und schließlich muss man der eigenen Bevölkerung einen Propagandaspagat vermitteln.

Frage: Was denkt die denn über die Lage?

Antwort: Gerade erst kursierte das Video eines Bloggers im chinesischen Netz, der Putin pries und den US-Imperialismus verurteilte. Das gibt die landläufige Meinung vieler Chinesen wieder, die in den vergangenen Jahren mit Parteipropaganda gefüttert worden sind: Die Nato und die USA sind die Aggressoren, unter denen Staaten wie Russland, aber auch China leiden. Trotz massiver Zensur und Propaganda gibt es auch zaghaft andere Stimmen: Über 100 Alumni von Chinas Top-Universitäten unterzeichneten eine Petition, die die russische Invasion verurteilt.

Frage: Was erwartet sich Russland von China und könnte es das bekommen?

Antwort: Ob sich Putin tatsächlich etwas von China erwartet, wissen wir nicht. Tatsache aber ist, dass eine militärische Invasion in Taiwan – die in der bloßen Theorie Russland entlasten würde – zum jetzigen Zeitpunkt wohl einen dritten Weltkrieg auslösen und den Westen vor eine gewaltige Herausforderung stellen würde. Sicherlich aber hofft man in Russland, weiter Rohstoffe nach China exportieren zu können.

Frage: Was bedeutet der Konflikt für Taiwan?

Antwort: In Taiwan betrachtet man die Ereignisse mit großer Sorge. In den vergangenen Jahren hat Peking den Druck auf die Insel immer weiter erhöht. Immer öfter kam es auch in den vergangenen Tagen wieder zu Verletzungen des Luftraums durch Kampfjets vom Festland. Die USA haben deswegen am Dienstag eine Delegation früherer US-Verteidigungspolitiker nach Taiwan entsandt, um die Unterstützung der USA für die demokratische Insel zu demonstrieren.

Frage: Könnte China tatsächlich die Folgen der westlichen Sanktionen abfedern?

Antwort: Ja. In Peking arbeitet man seit langem an Alternativen zum Swift-System. 2015 wurde deswegen als Konkurrenz das Cross-Border Interbank Payment System (CISPS) gestartet, das eine Zahlungsabwicklung in der chinesischen Währung Renminbi unterstützt. Erklärtes Ziel von Peking ist es, den Status des US-Dollars als internationale Leitwährung zu beenden. Da Peking zudem von russischen Rohstofflieferungen abhängig ist, wird es sich nicht an Wirtschaftssanktionen beteiligen. Erst Anfang Februar verkündeten Putin und Xi einen neuen Vertrag über Erdgaslieferungen im Wert von 100 Milliarden Euro.

Frage: Und was passiert mit den in China liegenden Reserven der russischen Zentralbank?

Antwort: Rund 17 Prozent der russischen Reserven liegen bei der People's Bank of China – rund 77 Milliarden US-Dollar. Bisher hat sich Peking nicht dazu geäußert, wie es mit dem Geld verfahren will. Angesichts der "strategischen Partnerschaft" mit Moskau und der Absicht, die Handelsbeziehungen fortzuführen, gilt ein Einfrieren der Reserven aber als unwahrscheinlich. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 2.3.2022)