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Wie viel ist transparente Herkunft des Schnitzels beim Wirt wert?

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Wien – Es waren Kampfpreise, mit denen XXX Lutz den Zorn der Bauern und Tierschützer auf sich zog. Um 2,90 Euro bot der Möbelriese in seinen Restaurants das Schnitzel mitsamt Beilage feil, um Kunden in seine Häuser zu locken. Vom Verramschen wertvoller Lebensmitteln und Sterben der Landwirte war die Rede. Und von Tierleid, das mit auf dem Teller lande.

An Gewicht fehlt es der Handelskette als Gastronom nicht: Bis zu neun Millionen Gäste bedient Lutz in Österreich jährlich in seinen Restaurants. Allein der Burgerbrater McDonald’s macht mehr Geschäft.

"Viele haben uns abgestempelt – als würde nur der Preis zählen, egal woher das Fleisch für die Schnitzel kommt", sagt Andreas Haderer im Gespräch mit dem STANDARD. Haderer führt für Lutz hierzulande 47 Restaurants – und wurde harter öffentlicher Debatten über Herkunft und Qualität seiner verarbeiteten Rohstoffe müde. Zwei Jahre lang baute der gelernte Koch mit Haube die Beschaffung daraufhin um. Nun garantiert Lutz, nicht nur den überwiegenden Teil, sondern alles Schweinerne für seine Großküchen aus Österreich zu beziehen.

80 Prozent Schwein

Dieses macht 80 Prozent seiner Speisekarte aus. Ein Teil davon wird mittlerweile unter strengeren Tierwohlstandards produziert, die den Schweinen mehr Platz, Stroh und gentechnikfreies Futter zubilligen. Lutz nahm dafür fünf Bauern unter Vertrag, die ihm jede Woche 100 Schweine liefern, die für den Konzern zur Gänze verarbeitet werden.

Lutz schafft sich damit nicht nur etliche Kritiker vom Hals. Die Kehrtwende trifft den Nerv der Branche, in der um eine verbindliche Kennzeichnung der Herkunft für Milch, Fleisch und Eier gerungen wird. Diese soll in der Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie ebenso gelten wie für verarbeitete Nahrungsmittel. Treiber dafür sind Bauern – ihre Gegner Industrielle und Wirte.

Wirte drohen mit Klage

"In der Sekunde" werde man dagegen klagen, gelte die Verpflichtung, den Ursprung dieser Rohstoffe offenzulegen, auch für alle Wirte, stellt Mario Pulker klar. Der Gastronomieobmann warnt vor einem Bürokratiemonster für eine ohnehin von der Krise gebeutelte Branche.

Tatsache sei, dass Konsumenten nicht bereit seien, dafür den kleinsten Preisaufschlag zu akzeptieren. Erst jüngst hätten Kindergärten ihre Verpflegung neu ausgeschrieben. "Die Eltern wollten nicht einmal 50 Cent mehr für Bio bezahlen."

Vielen Kunden sei die Herkunft der Lebensmittel einerlei, nur wenige fragten im Restaurant danach, erzählt auch Haderer. Dennoch hält der Lutz-Gastrochef die Kennzeichnungspflicht im Sinne eines "besseren Gewissens" für seine Branche für richtig und für zumutbar. "Es geht nicht von heute auf morgen, aber es ist auf jeden Fall machbar."

Lutz hob den Preis für Schnitzel um 60 Cent an. Wer Schweinen aus Österreich weniger Tierleid zugesteht, zahlt um weitere zwei Euro mehr. Aktionen, bei denen man auf Marge verzichte bzw. diese über zusätzliche Getränke oder Suppen finanziere, setzen nunmehr bei 4,50 Euro an, rechnet Haderer vor. In Summe dürfe dabei nichts überspannt werden. Ein um zwei Euro teurerer Grillteller mache in der Werbung einen Riesenunterschied. "Wir kochen für Pensionisten, für die breite Masse. Auswärts essen zu gehen ist für viele fast nicht mehr leistbar."

40 Cent mehr für weniger Tierleid

Dass Wirte durch den Einkauf in Österreich und mehr Tierschutz Umsatz verlieren, bezweifelt Johann Schlederer. Der Chef der Schweinebörse ortet für diese vielmehr Gewinne.

Für auf Stroh gehaltene Schweine etwa müssten für das Kilo Fleisch zwei Euro mehr ausgelegt werden. Auf ein Schnitzel heruntergebrochen mache das 40 Cent aus. Auf vielen Speisekarten würden dafür jedoch zwei bis drei Euro mehr verlangt, beobachtet Schlederer. Was nahelege, dass eine klar deklarierte Herkunft des Fleisches "für alle ein gutes Geschäft ist". Viel Bewegung kam in eine genauere Kennzeichnung bisher dennoch nicht – trotz großer politischer Ankündigungen.

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) machte sich erst jüngst auf EU-Ebene dafür stark. Sie fordert von der Kommission heuer einen Gesetzesentwurf für einheitliche Regeln in Europa.

"Ablenkungsmanöver"

Das Thema auf Brüsseler Ebene zu heben bedeute aber, es auf den Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben, klagt Schlederer. Köstinger sträube sich dagegen, die Wirte ins Boot zu holen. Sie stehe zu stark unter dem Einfluss des Wirtschaftsbundes, sei zu sehr Tourismusministerin, kritisiert der Bauernvertreter. Einer drohenden Klage der Gastronomie sieht er gelassen entgegen. "Sollen sie nur klagen, dann klagen auch wir."

Sebastian Bohrn Mena nennt den Vorstoß in Brüssel ein Manöver, um vom Stillstand auf nationaler Ebene abzulenken. Der Sprecher der Bürgerinitiative Oekoreich wirft auch Händlern ein doppeltes Spiel vor, da diese hinter den Kulissen gegen weitere Kennzeichnungspflichten lobbyierten. Zu groß sei die Angst, dass das Bild ihrer Liebe zu Regionalität, Tier- und Klimaschutz verzerrt werde, erhielten Konsumenten tieferen Einblick in die Rohstoffe zahlreicher Produkte, glaubt er.

Was den Widerstand der Wirte betrifft, so sei dieser längst gebröckelt. "Viele haben es satt, deswegen schief angesehen zu werden." Wenn ein Gastrokonzern wie Lutz es schaffe, die Fleischbeschaffung auf neue Beine zu stellen, müsse dies auch kleineren Betrieben möglich sein, die auf geringere Menge angewiesen seien.

Vollautomatische Panierstraße

Lutz lässt das Fleisch für seine Lokale von Produzenten wie Großfurtner, Wiesbauer und Hütthaler verarbeiten. Eingebröselt und tiefgefroren werden Schnitzel und Cordon bleu von Gierlinger: Der oberösterreichische Betrieb errichtete in Andorf für Lutz Haderer zufolge eine vollautomatische Panierstraße.

Herausforderung bleibe die Herkunft der Hühner auf der Speisekarte der Möbelkette. Ein in Wintergärten gehaltenes Hendl koste gleich einmal das Doppelte, ärgert sich Haderer. Einen Backhendlsalat um 16 statt um neun Euro zu servieren spiele es nicht. "Dafür fehlt unseren Gästen das Verständnis." (Verena Kainrath, 2.3.2022)