Verwaiste Ordination: Rund 300 Planstellen für Ärztinnen und Ärzte mit Kassenvertrag sind in Österreich unbesetzt.

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Längere, mühsame Autofahrten, um zur nächsten passenden Arztpraxis zu kommen: In manchen Gegenden Österreichs ist das Realität. Das liegt nicht immer nur an der Abgeschiedenheit der Wohnorte. Zahlreiche Kassenordinationen, wo Patientinnen und Patienten nach Vorlage der E-Card auf Kosten der Sozialversicherung behandelt werden könnten, sind unbesetzt.

Von einem flächendeckenden Phänomen zu sprechen wäre übertrieben. Laut Österreichischer Gesundheitskasse (ÖGK) sind derzeit 304 von 10.147 Planstellen für Ärztinnen und Ärzte mit Kassenverträgen wegen fehlenden Interesses verwaist. Die Lücke macht also drei Prozent aus – was für die betroffenen Bürger aber kein Trost ist.

Kein Arzt trotz hohen Umsatzes

Warum sich nicht genügend Mediziner finden lassen? "An der Honorarhöhe liegt es nicht", sagt ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer im Widerspruch zur Ärztekammer und erzählt über das Beispiel der Wildschönau. Die dortige Praxis habe den höchsten Umsatz von ganz Tirol verbucht – trotzdem war sie eine Zeitlang unbesetzt.

Dass abgelegene Standorte manche Anwärter entmutigen, lässt sich schwer ändern, andere Hürden will die ÖGK aber beiseite räumen. Das alte Bild des einzelnen, selbstverantwortlichen Hausarztes sei für den medizinischen Nachwuchs oft "nicht mehr sexy", sagt Wurzer, viele wollten sich lieber in Teams fachlich austauschen. Außerdem schrecke oft die mit der Führung der Ordination und Abrechnung mit der Kasse verbundene Bürokratie ab.

Schon jetzt kämen flexible Vertragsmodelle den Bedürfnissen entgegen, erläutert Wurzer – vom Teamwork in multiprofessionellen Gruppenpraxen über die Aufteilung von Kassenstellen bis zur unkomplizierten Variante, sich als Arzt bei einem anderen Arzt anstellen zu lassen. Doch in Zukunft will die ÖGK auch ein "Susi sorglos"-Paket anbieten: Ärztinnen und Ärzte zahlen einen Teil ihrer Einnahmen und bekommen dafür einen Workspace zum Einmieten zur Verfügung gestellt. Kümmern müssen sie sich weder um die Ausstattung noch um die Verwaltung oder die EDV. Die eigene Zeit kann voll der medizinischen Arbeit gewidmet werden.

Lehren aus der Pandemie

Die Pandemie werde derartige Pläne nicht zunichtemachen, versichert Wurzer, trotz prognostizierter Defizite für die nächsten Jahre sei die Lage "finanziell stabil". Die ausstehenden Beiträge von Unternehmen seien im Zuge der gewährten Stundungen vorübergehend auf 2,4 Milliarden angewachsen, nun aber wieder auf unter eine Milliarde gesunken.

Mitnehmen sollte das Land aus zwei Jahren Pandemie aber manche Lehre, rät der Generaldirektor. Dass mitunter jedes Bundesland ein eigenes Süppchen koche, sei der Bekämpfung des Virus nicht dienlich. Die verschiedenen Impfanmeldesysteme müssten zu einer gemeinsamen Plattform zusammengeführt werden, empfiehlt Wurzer und wünscht sich: Das Gesundheitsministerium solle mehr Verantwortung übernehmen statt zu viel den Ländern zu überlassen. (Gerald John, 2.3.2022)