Nairobi – Meterhohe Müllberge, so weit das Auge reicht. Bei jedem Schritt gibt der Boden nach. Die Stadthitze von fast 30 Grad lässt den Gestank in der Nase brennen. Das ist die Müllhalde Dandora in Nairobi. Eigentlich will hier keiner sein, dennoch kommen täglich tausende Menschen her, um mit dem Sammeln von Müll, besonders Plastik, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie stehen gebückt, durchforsten den Abfall. Genauso wie die Marabus, die sich daran laben.

Die Situation in der ostafrikanischen Millionenmetropole hat etwas Paradoxes. Viele Menschen leben inmitten und von dem Plastikmüll. Zugleich verhandeln andere im modernen UN-Gebäude im Norden der kenianischen Hauptstadt, um das Müllproblem in dne Griff zu bekommen.

Tausende Menschen sammeln täglich Müll, um zu überleben.
Foto: EPA

Es war ein erster wichtiger Schritt für den Umweltschutz, der am Mittwoch gelang. 175 UN-Mitgliedsstaaten haben auf der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA) einstimmig beschlossen, einen rechtsverbindlichen Vertrag gegen globale Plastikverschmutzung auszuarbeiten. Ein internationales Gremium soll bis Ende 2024 den genauen Vertragsinhalt erarbeiten. Sowohl mitverhandelnde Akteure als auch Umweltorganisationen nennen den Zeitraum ambitioniert, aber schaffbar.

Breites Spektrum

In europäischen Kreisen freut man sich, dass das Verhandlungsmandat breit gefasst ist. Was bedeutet das? Gemäß der UNEA-Entscheidung soll der Vertrag Regeln und Verpflichtungen für den Lebenszyklus von Plastikprodukten, Abfallsysteme, Kreislaufwirtschaft und Plastik sowie Mikroplastik im Meer enthalten. Zudem soll es periodische Überprüfungen der Staaten und fortlaufende Berichterstattung geben. Es war nicht klar, dass die Resolution in dieser Form durchgeht. Anfangs soll sich vor allem Indien gegen den Plan gesträubt haben. Auch Japan und China zögerten.

Teilerfolg ja, doch all das verpflichtet niemanden zu etwas, 2024 muss der Vertrag ratifiziert werden. Das Gremium erstellt die Rahmenbedingungen, die anschließend in nationales Recht übergehen. "Es waren harte Verhandlungen. Was bei Plastikmüll in Mitteleuropa lange Standard ist, sieht in Afrika und Südostasien ganz anders aus", sagt eine Sprecherin des Klimaschutzministeriums im Gespräch mit dem STANDARD.

Wer zahlt?

Konfliktpotenzial birgt die Finanzierung. Arme Staaten können ambitionierte Ziele nicht ohne Unterstützung umsetzen. "Es wäre möglich, Hilfen über bestehende Umweltfonds wie den Global Environment Facility (GEF) abzuwickeln", heißt es im Ministerium. Der GEF ist ein internationaler Fonds für die Finanzierung von Umweltschutzprojekten in Entwicklungsländern. Optional könnte es einen eigenen Fonds geben, dieser müsste allerdings erst aufgebaut werden.

Die Marschrichtung für eine Zukunft mit weniger Plastikmüll ist also vorgegeben, bei derartigen Verhandlungen steckt aber der Teufel im Detail.
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Einer Schätzung des WWF zufolge landen jährlich rund zwölf Millionen Tonnen Plastikmüll im Meer. Deswegen hat die Ozeanthematik für EU-Kommissionsmitglied und Verhandlungsleiter auf Beamtenebene Hugo Schally besondere Bedeutung: "Es gibt immer wieder Bestrebungen, nur die Abfallbewirtschaftung zu stärken und Plastik aus dem Meer zu holen. Das ist lobenswert, aber nicht genug. Wir müssen den Hahn ganz zudrehen. Plastik ist Ausdruck eines nicht nachhaltigen Lebensstils."

Weiters heißt es in Verhandlungskreisen, dass es sowohl von der Plastik- als auch von der Konsumgüterindustrie in Europa, Japan und den USA keinen Gegenwind gebe. Das stimme positiv, auch wenn der Industrie nicht alle Maßnahmen gefallen würden, die anstehen.

Pariser Abkommen

Das Plastikabkommen dürfte eines der anspruchsvollsten Umweltschutzvorhaben seit dem Pariser Klima-Abkommen im Jahr 2015 werden. Für Jacob Duer, Gründer der Non-Profit-Organisation Alliance to End Plastic Waste, passt der Vergleich mit dem 1,5-Grad-Ziel. "Sowohl der politische als auch der gesellschaftliche Druck ist da. Für viele Menschen ist das Plastikproblem leichter zu verstehen als der Klimawandel. Es sticht ins Auge." Duer bringt mit seiner Allianz milliardenschwere Konzerne zusammen, um Geld für Projekte in Entwicklungsregionen zu sammeln. Etwa ein Abfallsystem in Indonesien.

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Marabus laben sich zuhauf an Weggeworfenem auf den Müllhalden Afrikas.
Foto: AP Photo/Ben Curtis

Keine echten Sanktionen

Was passiert, wenn sich ein Land nicht an die Vorgaben hält? Sanktionen im klassischen Sinn gibt es nicht. "Multilaterale Umweltübereinkommen funktionieren nicht nach dieser Logik", heißt es im Klimaministerium. Im Klimabereich etwa gebe es detaillierte, umfangreiche Berichtspflichten und Überprüfungen. "Man setzt bei derartigen Abkommen auf Transparenz, Kritik und viele Fragen an säumigen Staaten erzeugen Gruppenzwang, um sich an die Vorgaben zu halten", sagt die Sprecherin.

Die Marschrichtung für eine Zukunft mit weniger Plastikmüll ist also vorgegeben, bei derartigen Verhandlungen steckt aber der Teufel im Detail. Schally, Duer und Klimaministerium stimmen darin überein, dass diese Resolution "keine Garantie für ein gutes Endergebnis ist". Nun sei es wichtig, bestehende Allianzen aufrechtzuerhalten. (Andreas Danzer aus Nairobi, 2.3.2022)