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"Ich kenne ihn auch persönlich recht gut. Wir haben nie über Politik gesprochen. Aber ich muss sagen, ich bewundere ihn sehr", sagte Christian Thielemann am Mittwoch.

Foto: dpa-Zentralbild/Robert Michael

Kiew/Moskau/Wien – Dirigent Christian Thielemann hat sich differenziert zum Fall seines russischen Kollegen Waleri Gergijew geäußert. "Mir ist bei dieser Diskussion ein bisschen zu viel Häme oft im Spiel", sagte Thielemann am Mittwoch in Dresden. Gergijew sei ein großartiger Dirigent. "Ich kenne ihn auch persönlich recht gut. Wir haben nie über Politik gesprochen. Aber ich muss sagen, ich bewundere ihn sehr." Gergijew sei einer der Kollegen, bei denen er gern ins Konzert gehe.

Gergijew hatte am Dienstag wegen seiner Freundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin seinen Job als Chef der Münchner Philharmoniker verloren. Der Russe hatte zuvor ein Ultimatum verstreichen lassen, sich klar vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu distanzieren. Auch andere Orchester und Konzerthäuser strichen geplante Auftritte von Gergijew.

Fehlender menschlicher Aspekt

Thielemann hat nach eigenem Bekunden auch mit dem russischen Opernstar Anna Netrebko ein sehr gutes Verhältnis. Sie hatte alle Auftritt für die kommenden Monate abgesagt. Thielemann sagte, die Entwicklung tue ihm sehr leid, weil die künstlerischen Leistungen von Netrebko und Gergijew unglaublich gut seien. Wenn man diese nicht mehr hören könne, sei das sehr schade: "Mir fehlt bei dieser Diskussion ein bisschen der menschliche Aspekt."

Die Sächsische Staatsoper Dresden, an der Thielemanns Sächsische Staatskapelle Dresden beheimatet ist, will indes weiter mit Künstlerinnen und Künstler aus Russland zusammenarbeiten. Eine Nichtdistanzierung gegenüber dem Putin-Regime finde er allerdings verwerflich, unterstrich Intendant Peter Theiler bei der Spielplanpräsentation am Mittwoch: "Herr Gergiev ist sicher ein großer Künstler, aber er hätte sich auch distanzieren können." Theiler sicherte der Ukraine und ihren Bürgern Solidarität zu. Dabei bezog er ausdrücklich auch Menschen in Russland ein, die ihre Stimme gegen diesen "Wahnsinn" erheben und damit rechnen müssen, bei Protesten verhaftet zu werden. Aus Solidarität mit der Ukraine will die Sächsische Staatskapelle Dresden vor der Premiere der Verdi-Oper "Aida" an diesem Samstag in der Semperoper die ukrainische Nationalhymne spielen.

Konzert für Frieden

Die Kollegen von der Berliner Staatsoper Unter den Linden kündigten unterdessen ein "Konzert für Frieden" mit der Staatskapelle Berlin unter Leitung von Daniel Barenboim an. Die Einnahmen des Konzerts am Sonntag (6. März) gehen an den Ukraine Humanitarian Fund (UHF) der Vereinten Nationen. Auch hier wird die ukrainische Nationalhymne von Michailo Werbizki gespielt, zudem Sinfonien von Schubert und Beethoven.

Unterdessen kritisierte der Kultursprecher der Wiener FPÖ, Stefan Berger, die Kündigung von Verträgen mit Künstlern aus Russland: "Man soll alle Künstler unabhängig von der Staatsbürgerschaft ihre Arbeit verrichten lassen und sie nicht ständig zu politischen Aussagen zwingen." Es stehe jedem frei, ein Ticket für eine Kulturveranstaltung zu kaufen oder nicht. "Aber jemandem die Möglichkeit zu nehmen, aufgrund der Nationalität seinem Beruf nachzugehen, darf in einem demokratischen Land nicht vorkommen", unterstrich Berger. (APA, 2.3.2022)