Karl Nehammer war die erste Auskunftsperson des ÖVP-U-Ausschusses. Seine Befragung gab einen Vorgeschmack auf türkise Obstruktionen.

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"Es fängt so an, wie es aufgehört hat", seufzt eine Abgeordnete am Mittwoch. Damit ist gemeint: Genau wie im Ibiza-Untersuchungsausschuss setzen die ÖVP und ihr Parteigrande, Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka, auf destruktive Geschäftsordnungsdebatten, um den Fragefluss zu stören.

Die Opposition bezeichnete das im letzten U-Ausschuss als "Sobotage", und die ist am Mittwoch wieder in vollem Gang. Die Irritationen beginnen schon vor der ersten Befragung, als die Abgeordneten entdecken, dass Sobotka ihre Mikrofone auf- und abdrehen kann: eine Neuerung, die vorab nicht mit den Parteien besprochen worden ist.

Mikrofon-Querelen

Nach Protest durch Opposition und Grüne gibt Sobotka die Kontrolle über die Mikrofone dann doch ab, sein Büro lässt später wissen, die Intention habe darin gelegen, eine "geregelte und klare Gesprächskultur" zu schaffen – und Sobotka könne ja als Vorsitzender das Wort erteilen oder entziehen.

Mit einiger Verspätung beginnt dann die Befragung von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), der in seinem Eingangsstatement gegenseitige "Wertschätzung" fordert und auf den Ukraine-Krieg verweist.

Ihm sei Transparenz wichtig, behauptet Nehammer – Fragen beantwortete er danach jedoch kaum. Das Dreigestirn aus Auskunftsperson Nehammer, Vorsitzendem Sobotka und der ÖVP-Fraktion schafft es immer wieder, Debatten über die Zulässigkeit von Fragen auszulösen.

Zermürbungstaktik

So kommt es, dass für den U-Ausschuss zentrale Themen nicht abgefragt werden können. Zum Beispiel zur Causa Siegfried Wolf. Ob der Kanzler sich nach der Enthüllung der Affäre rund um Steuernachlässe und Interventionen mit Finanzminister Magnus Brunner darüber unterhalten habe? Für Sobotka liegt das außerhalb des Untersuchungszeitraums, der nur bis zum Ende der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz (ÖVP) reicht. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl will die Frage zuerst zulassen, nach einer intensiven Debatte mit Sobotka dann doch nicht; nach einer Stehung aller Abgeordneten dann doch wieder.

So geht es die ganze Zeit dahin: Fragen, was Nehammer einst als Generalsekretär der ÖVP von der Umfragenaffäre rund um Sabine B. mitbekommen hat, werden blockiert. Zu türkis-grünen Nebenvereinbarungen will Nehammer nur etwas erzählen, wenn man ihm das Papier dazu vorlegt – das der Ausschuss natürlich nicht in seinen Akten hat.

Die Frage, ob die ÖVP von Werbe- oder Umfrageagenturen Rabatte erhält, indem sie ihnen öffentliche Aufträge verspricht, sei zu unbestimmt, meint der Verfahrensrichter. Also versucht es SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer konkreter: ob dem Kanzler etwas von Rabatten einer bestimmten Agentur bekannt sei als Gegenleistung für öffentliche Aufträge. Christian Stocker (ÖVP) meldet sich und behauptet, Nehammer würde hier "in eine Falle" gelockt, die Frage sei "unterstellend".

Nichts gewusst

So geht es dahin, bis die vier Stunden Befragungszeit vorbei sind, ohne jedwede substanzielle Antwort von Nehammer. Bei der Frage, woher er den ÖVP-Berater Stefan Steiner kennt, unterbricht Nehammer die Befragung, um sich mit seiner Vertrauensperson zu besprechen.

Auch bei anderen heiklen Themen wie Spenden an die ÖVP reagiert Nehammer zurückhaltend. Das habe alles nichts mit seinem Aufgabengebiet als Generalsekretär zu tun gehabt, meinte Nehammer.

Das alles führte dazu, dass die Neos erstmals um 15.30 Uhr zu Wort kamen, also fünfeinhalb Stunden nach dem angesetzten Beginn der Befragung – immerhin noch besser als beim damaligen Kanzler Kurz. Da hatte die türkise Verzögerungstaktik dafür gesorgt, dass nicht einmal alle Parteien Fragen stellen konnten. (Fabian Schmid, Renate Graber, 2.3.2022)