Mit der Regiotax-Linie 8365 sieben Tage die Woche bis ins hintere Navistal.

Foto: Steffen Arora

Von der Haus- bis zur Hüttentür und wieder retour. Für den Selbstversuch "Freizeitgestaltung mit öffentlichem Personennahverkehr in Tirol" fiel die Wahl auf die Naviser Hütte. Weil diese auf der bei Tiroler Ausflüglern beliebten Website winterrodeln.org am vergangenen Sonntag noch die beste Bewertung für den Zustand ihrer Rodelbahn erhielt. Verbindungssuche und Ticketkauf funktionieren bequem über die Apps, die der Verkehrsverbund Tirol (VVT) kostenlos bereitstellt. Für die Fahrt vom Inntal über das Wipptal ins hintere Navistal heißt es erst den Stadtbus in Hall in Tirol zu nutzen, dann auf den Zug bis Matrei am Brenner umzusteigen, um schließlich wieder mit dem Bus ans Ziel "Navis Dorf" zu gelangen.

So einfach die Routenplanung ist und so problemlos die Verknüpfung der einzelnen Verkehrsmittel (siehe Details zum Ausflug oben) funktioniert, so happig ist der Preis. Für einen Erwachsenen kostet der Ausflug hin und retour 26,80 Euro. Fährt man, wie in diesem Fall zu zweit und mit Hund, wird es dank "Gruppenrabatt" etwas günstiger: 42,60 Euro.

Kostenwahrheit zeigt Öffi-Vorteil

Das ist nicht billig, aber verglichen mit den Kosten, die für die Autofahrt auf selber Strecke anfallen, durchaus im Rahmen. Die Maut für die Brennerautobahn kostet hin und retour 21 Euro, dazu kommt eine Zehn-Tages-Vignette der Asfinag um 9,60 Euro. Dann noch den Spritverbrauch für die rund 76 Kilometer sowie die anteiligen Kosten für Erhalt und Betrieb des Fahrzeugs.

8:02 Uhr – Abfahrt direkt vor der Haustür. Mit dem Stadtbus 2 bis zum Bahnhof Hall in Tirol. 9:06 Uhr – Ankunft Bahnhof Matrei am Brenner (im Bild der Bahnhof in Hall). Mit Hund und Kegel bequem per Eisenbahn vom Inn- ins Wipptal.
Foto: Steffen Arora

Natürlich werden die meisten eine Jahresvignette und womöglich auch die Jahresmaut für den Brenner besitzen, die hier unterwegs sind. Umgekehrt wird die Öffi-Fahrt mit Ermäßigungs- oder Jahreskarten ebenfalls ungleich günstiger. Allein durch die ÖBB-Vorteilscard reduzierte sich der Preis für den Ausflug auf 32,80 Euro für zwei Erwachsene plus Hund.

Tourismus finanziert Tiroler Öffis mit

Rund ein Viertel der insgesamt 220 Millionen Euro, die der VVT jährlich zur Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zur Verfügung hat, werden über die Fahrtgelder lukriert. 107 Millionen steuert das Land Tirol bei, den Rest schultern Gemeinden, der Bund, aber auch Tourismusverbände und Seilbahnen. Ohne die finanziellen Beiträge aus der in Tirol bedeutsamen Tourismuswirtschaft wären viele Täler sehr viel schwieriger zu erreichen, erklärt VVT-Geschäftsführer Alexander Jug: "Es gibt natürlich kleinere regionale Unterschiede, aber das Grundprinzip ist immer ident. Wenn das Angebot verdichtet wird, vom Stunden- auf Halbstundentakt zum Beispiel, dann tritt da ganz wesentlich der Tourismus als Mitfinanzier auf."

Zahlreiche Skitourengeher nutzen das Regiotax 8365 von Matrei nach Navis – Ankunft 9:21 Uhr. Manche planen Öffi-unterstützt die Querung hinüber in die Wattener Lizum. Der eigene Pkw wäre dabei nur Ballast, den man wieder in Navis abholen müsste.
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Das Ötztal sei ein klassisches Beispiel dafür, sagt Jug. Dort sind die Regiobusse ganzjährig im Halbstundentakt unterwegs, was auf das hohe Gästeaufkommen zurückgeht, aber zugleich den Einheimischen zugutekommt, die Öffis nutzen.

Dasselbe gelte für Skibusse, die von Bergbahnen in der jeweiligen Region finanziert werden. Die Gemeinden selbst leisten ihre Beiträge gestaffelt nach der Finanzkraft. "Deren Anteil beträgt dann in der Regel zwischen 25 und 50 Prozent", sagt Jug.

Fahrplan gemeinsam gestalten

Bei der Gestaltung der Fahrpläne richtet sich der VVT so gut es geht nach den Bedürfnissen der Kunden und Gemeinden. Die STANDARD-Versuchsstrecke nach Navis ist ein gutes Beispiel dafür. Bislang gab es die Busverbindung von Matrei am Brenner nach Navis nur wochentags. Doch gerade an den Wochenenden wollen viele Ausflüge auf die dortigen Almen und Berge unternehmen. Die Gemeinde trat an den VVT heran und schlug eine Erweiterung des Busverkehrs auf sieben Tage pro Woche vor, die nun ab März eintritt. Auch Bürgerinnen und Bürger können sich mit Wünschen bezüglich Taktungen und Verbindungen direkt an den VVT oder ihre jeweilige Gemeinde wenden.

10:48 Uhr – Nach anderthalb Stunden Aufstieg ist die Naviser Hütte erreicht. Mit Kaspressknödel und Bier gestärkt – man muss ja nicht mehr Auto fahren – geht es schwungvoll zurück ins Tal. Die Rodelbahn ist ein einziger Traum!
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Hinsichtlich der Verkehrslösungen wird man immer kreativer. "Der Zwölf-Meter-Bus mit 50 Plätzen ist längst nicht mehr überall zeitgemäß und praktikabel", erklärt dazu Jug. Im Falle der Regiotax-Linie 8365 nach Navis setzt man dafür auf einen deutlich kleineren 15-Sitzer-Bus.

Dasselbe Modell besteht auf der Linie Regiotax 460T, die zwischen den Gemeinden Grinzens, Sellrain und Oberperfuss verkehrt. Dort galt es, die Siedlungen in den steilen, schwer zugänglichen Hanglagen mittels öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zu erschließen. Der Kleinbus erwies sich als ideale Lösung. Er pendelt quasi zwischen den Bergflanken. In der Praxis bedeutet das gerade für ältere Personen einen enormen Vorteil. Sie fahren hinunter nach Sellrain, erledigen ihre Einkäufe, während der Bus die andere Bergseite hochfährt, und steigen auf dem Rückweg mitsamt Einkäufen wieder zu, wenn es zurück auf ihre Bergflanke geht.

On-demand-Lösungen auf dem Land

Neu seit 1. März ist der Regioflink in Wattens. Dieser On-demand-Service wird im Rahmen eines Pilotprojekts als Ergänzung zum bestehenden Öffi-Angebot getestet. Zwei Fahrzeuge verkehren ohne vorgegebene Route und ohne fixen Fahrplan im gesamten Gemeindegebiet. Via App oder per Telefon kann der Shuttle "bestellt" werden. Ein Algorithmus kombiniert im Hintergrund eingehende Fahrtwünsche, bündelt ähnliche und berechnet daraus die optimalen Routen. Die Passagiere erhalten Nachricht, wo in ihrer Nähe sie abgeholt werden. Bedarfsorientierte Lösungen setzt der VVT bereits seit Jahren im Defereggental in Osttitirol erfolgreich ein. Dort verkehrt das Anrufsammeltaxi zusätzlich auf der Strecke des Linienverkehrs. Bestellt wird es per Anruf eine Stunde vor der gewünschten Fahrt.

Hund und Herrl genießen die bequeme Rückreise im Bus. Ankunft zurück daheim war um 14:28 Uhr. Das Fazit: Öffentlicher Personennahverkehr in Tirol funktioniert einwandfrei bis ins hinterste Seitental.
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Die Lösungen stünden also bereit, wie auch der Selbstversuch zeigte, nun bedarf es noch eines Umdenkens beim Mobilitätsverhalten, damit ÖPNV in entlegenen ländlichen Regionen zum Standard wird. (Steffen Arora, 3.3.2022)