Die Juristin Andreea Muresan schreibt im Gastblog über einen Fall, bei dem der Vater mehr Kontakt zu seiner Tochter wollte und die Mutter einen kompletten Kontaktabbruch anstrebte.

Es kommt häufig vor, dass die Eltern eines Kindes sich trennen – manchmal sogar vor der Geburt des Kindes. Es stellt sich die Frage, welche Rechte die jeweiligen Elternteile haben, um einen Kontakt mit dem eigenen Kind sicherzustellen.

Das Gesetz sieht ein Recht auf regelmäßige und den Bedürfnissen des Kindes entsprechende persönliche Kontakte zu seinen Eltern vor. Dabei handelt es sich um ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung, welcher als Teil des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens auch von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt wird.

Im Idealfall sollten solche Kontaktrechtsregelungen von den Eltern einvernehmlich getroffen werden. Allerdings tritt öfters eben nicht der Idealfall ein, sondern genau das Gegenteil: Die Eltern können keine Regelung vereinbaren, die sowohl für sie selbst als auch für das Kind geeignet ist und landen vor dem Pflegschaftsgericht. Dieses hat in weiterer Folge über die konkrete Gestaltung des Kontaktrechts zu entscheiden. Dabei wird das Wohl des Kindes als primärer Maßstab herangezogen. Insbesondere hat das Gericht darauf zu achten, dass das bereits hergestellte Näheverhältnis zwischen dem jeweiligen Elternteil und dem Kind aufrecht bleibt und eine Entfremdung verhindert wird.

Kontaktrecht von Fall zu Fall anders

Wie das Kontaktrecht mit seinen einzelnen Facetten im konkreten Fall zu gestalten ist, wird vom Gesetz nicht vorgeschrieben; vielmehr muss das Gericht diese Entscheidung auf Basis der Umstände des Einzelfalles unter Heranziehung der von dem Obersten Gerichtshof (OGH) bereits entwickelten Grundsätze treffen.

Zuletzt hat sich der OGH im Oktober 2021 mit einem solchen Fall auseinandergesetzt (OGH 4 Ob 122/21a vom 21.10.2021). Dieser Fall basierte auf dem folgenden Sachverhalt: Die Eltern waren nie verheiratet und trennten sich sogar vor der Geburt der gemeinsamen Tochter. Diese lebte von Anfang an bei der Mutter, die auch alleine obsorgeberechtigt war. Beide Eltern waren aufgrund des eigenen Lebens – mit schwerer Kindheit und Jugend – psychisch belastet. Die Eltern waren aber bereit, die eigenen Problemen abzuarbeiten und entsprechende psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um für ihre Tochter ein familiäres Umfeld schaffen zu können. Ursprünglich konnten die Eltern eine Kontaktregelung vereinbaren, infolge derer der Vater an einem Nachmittag pro Woche für fünf Stunden und alle 14 Tage zusätzlich einen Wochenendtag mit zehn Stunden Kontakt zu seiner Tochter haben konnte. Die Beziehung zwischen den Eltern verschlechterte sich jedoch, da der Vater der Mutter gegenüber kontrollierend und belehrend auftrat, obwohl er die eigenen Defizite bei der Erziehung nur eingeschränkt einsehen konnte.

Der Anlass für die erneute Einschaltung des Pflegschaftsgerichts durch die Mutter war die Behauptung des Vaters, die Mutter habe die gemeinsame Tochter misshandelt; in diesem Zusammenhang gab es zwei Polizeieinsätze, die sich auf die gemeinsame Tochter belastend auswirkten. Deswegen beantragte die Mutter die gänzliche Aussetzung des Kontakts des Vaters zum Kind. Hingegen beantragte der Vater die Durchsetzung der zuvor vereinbarten Kontaktregelung sowie eine Ausdehnung, wonach er zwei volle Tage in der Woche bei seiner Tochter sein sollte.

Das Erstgericht räumte dem Vater ein Kontaktrecht im Ausmaß von fünf Stunden pro Woche ein. Die weiteren Anträge der Mutter und des Vaters wurden jedoch abgewiesen. Den Eltern wurde auch Elternberatung aufgetragen und dem Vater zusätzlich auch Erziehungsberatung. Das Rekursgericht erachtete diese Entscheidung als berechtigt.

Wie oft ein Kind den jeweiligen Elternteil sehen kann, wird unterschiedlich entschieden.
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Welche Aspekte hat der OGH bei seiner Entscheidung berücksichtigt?

Auch der OGH konnte bei den Entscheidungen der Vorinstanzen keine Fehler entdecken und bestätigte diese.

Der OGH zog unter anderem die rechtlichen Argumente der Vorinstanzen heran. In diesem Sinne habe das angespannte Verhältnis zwischen den Eltern zu einer Belastung der gemeinsamen Tochter geführt. Allerdings würde eine gänzliche Unterbindung des Kontaktrechts des Vaters aufgrund der guten Beziehung zwischen Vater und Tochter nicht dem Kindeswohl entsprechen. Ferner betonte der OGH, dass das Erstgericht bei der Entscheidung über eine allfällige Einschränkung des Kontaktrechts die Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände der betroffenen Personen im Einzelfall zu berücksichtigen hat. Das oberste Prinzip bei einer solchen Entscheidung ist das Wohl des betroffenen Kindes, weswegen die Interessen der Elternteile – und auch allfällige Interessenkonflikte zwischen diesen – als nachrangig zu behandeln sind.

Konkret hat die bisherige Rechtsprechung des OGH festgehalten, dass bei Kindern im Kindergartenalter häufigere, jedoch kürzere Kontakte zu bevorzugen sind, wobei in der Regel zwei Besuche pro Monat als angemessen erachtet wurden (6 Ob 108/05h; 2 Ob 71/10w; 6 Ob 182/16g). Laut dem OGH hat das Erstgericht richtig gegen die Ausdehnung des Kontaktrechts des Vaters entschieden. Zwar lag diesem Fall ein sehr gutes Vater-Tochter-Verhältnis zugrunde; allerdings bestand eine für die gemeinsame Tochter spürbare Spannung zwischen den Eltern – welche von der Mutter wegen des kontrollierenden und belehrenden Verhaltens des Vaters sogar als "Psychoterror" eingestuft wurde. Im Übrigen wies der Vater nur wenige Einsicht im Hinblick auf die eigenen Erziehungsfehler auf.

Der OGH ließ daher die Entscheidung des Erstgerichts, wonach der Vater fünf Stunden pro Woche seine Tochter besuchen konnte, aufrecht.

Aus dieser Entscheidung ist ersichtlich, dass das Pflegschaftsgericht bei einer solchen Entscheidung nicht nur die Eltern-Kind-Beziehung, sondern auch die potenzielle Auswirkung eines schlechten Verhältnisses der Eltern zueinander auf das gemeinsame Kind zu überprüfen hat. (Andreea Muresan, 4.3.2022)