Heute kann Stefan Hainzl wieder laufen. Aber durch seine MS-Erkrankung war das lange Zeit nicht möglich.

Foto: Gregor Hartl

Das Leben von Stefan Hainzl ist von Erfolg geprägt. Er war selbst lange aktiver, erfolgreicher Leistungssportler, als ÖSV-Teamarzt betreute er ab dem Jahr 2005 die Nordischen Kombinierer und Skispringer. Doch 2008 kam die Diagnose: Multiple Sklerose. Anfänglich sah er nur auf einem Auge schlechter, hatte ab und zu Schwindel, zog ein Bein nach. Tatsächlich verschlechterten sich diese Symptome lange nur minimal. Hainzl konnte seinen Beruf, auch als Teamarzt, weiter ausüben, niemand wusste von der Diagnose.

Doch ab 2017 hatte er massive Krankheitsschübe, 2018, bei den Olympischen Winterspielen in Südkorea, war er am körperlichen Tiefpunkt – und musste sich eingestehen: So geht es nicht weiter. Zurück in Österreich gestand er sich erstmals ein, wie sehr die Krankheit sein Leben in den vergangenen zehn Jahre schon geprägt hatte und dass er mit seinen Kräften am Ende war. Hainzl litt an einem ausgeprägten Fatigue-Syndrom, wenn er nicht arbeitete, schlief er praktisch nur, ohne sich tatsächlich zu erholen.

Um die Probleme mit dem linken Fuß abzuklären, ging Hainzl ins Spital – und dort hatte er Zeit. Erstmals seit langem, nur für sich. Und das erste Mal überhaupt googelte er seine Krankheit. Eine medizinische Lösung für die Fußprobleme bekam er nicht. Aber im Netz fand er Informationen zu einer alternativen Therapie mit hochdosiertem Vitamin D. Darauf und auf eine umfassende Lebensstilveränderung setzte er all seine Hoffnungen – und heute geht es ihm besser denn je. Seinen Weg zurück hat er jetzt in einem Buch niedergeschrieben ("Comeback", Edition A). Dem STANDARD berichtet er im Interview über diese lange Reise.

STANDARD: Sie sind Arzt und Sportler – und auf einmal waren Sie selbst mit einer Erkrankung konfrontiert, für die es eigentlich keine Heilung gibt. Was hat das mit Ihnen gemacht?

Hainzl: Enorm viel. Als ich 2008 die Diagnose bekommen habe, war das tatsächlich psychisch viel schwieriger als körperlich. Mir ist es ja physisch gar nicht so schlecht gegangen, obwohl mein Befund eher auf eine fortgeschrittene Krankheit hingewiesen hätte. Aber psychisch ist es mir unfassbar schlecht gegangen. Ich habe sehr lange mit Depressionen gekämpft, auch gehadert, warum das gerade mir passiert. Und ich hatte immer wieder den Gedanken, bald geht es los und irgendwann endet es im Rollstuhl. Als Mediziner wusste ich ja, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist.

STANDARD: Wie hat sich die Krankheit im Alltag ausgewirkt?

Hainzl: Da ging es erstaunlich gut. Meine Arztpraxis ist in meinem Wohnhaus, ich habe immer sehr viel gearbeitet, und da ist es mir auch am besten gegangen. Abseits der Arbeit wurde es schwierig. Da litt ich unter extremer Müdigkeit, einem echten Fatigue-Syndrom. In der Arbeit war ich so fokussiert, da konnte ich das ausschalten, aber zu Hause bin ich nur dagelegen. Mein Alltag war über lange Zeit halb arbeiten und halb schlafen.

2018, bei den Olympischen Winterspielen in Südkorea, war Stefan Hainzl am Tiefpunkt. Er wusste: Etwas muss passieren.
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STANDARD: Sie haben die Krankheit recht lange gestemmt, im März 2018 ging dann nichts mehr. Was hat sich dann verändert?

Hainzl: Das war nach den Olympischen Winterspielen in Südkorea, von denen ich körperlich und psychisch am Boden zurückgekommen bin. Ich hatte Sehstörungen, Schwindel, mein linker Fuß hat überhaupt nicht so getan, wie ich wollte. Aber ich klammerte mich an die Hoffnung, dass es ein orthopädisches Problem sei, darum bin ich ins Spital, um das abzuklären. Als ich dort gelegen bin, hatte ich das erste Mal seit langem wirklich Zeit für mich. Und ich wusste, es muss irgendwas passieren. Da habe ich, so absurd das klingt, das erste Mal Multiple Sklerose und alternative Methoden gegoogelt. Ich bin ja selbst Mediziner, für mich war bis dahin immer klar, ich gehe den klassischen, schulmedizinischen Weg.

STANDARD: Was hat das Googeln verändert?

Hainzl: Ich bin auf ein Therapieschema mit hochdosiertem Vitamin D gestoßen. Das gibt es bereits seit Anfang der Nullerjahre, es kommt von einem brasilianischen Arzt, einem Professor Coimbra. Das geht davon aus, dass Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose unter anderem mit einem Vitamin-D-Aufnahmeproblem in Zusammenhang stehen, deshalb verabreicht man es in hochdosierter Form. Das darf man auch keinen Fall selbstständig machen, bei falscher Anwendung kann es zu Problemen mit den Nieren kommen. Deshalb habe ich mir einen Arzt gesucht, bei dem ich das ausprobiert habe.

STANDARD: Und was war die Auswirkung?

Hainzl: Der Schwindel und die unglaubliche Müdigkeit waren innerhalb weniger Wochen weg, ich war wie ein neuer Mensch. Ich hatte endlich etwas gefunden, was mir so geholfen hat, dass ich den Heilungsweg weiter gehen konnte. Auf dieser Basis habe ich quasi meine eigene Therapie entwickelt und für mich vier wichtige Säulen etabliert. Das ist die Ernährung, ich ernähre mich rein pflanzlich und esse auch keine verarbeiteten Lebensmittel. Außerdem esse ich nur zweimal täglich, um die körpereigene Autophagie anzukurbeln, also die positiven Effekte des Fastens. Ich mache täglich Sport. Ich arbeite an meiner gedanklichen Einstellung und an einem positiven Zugang, meditiere täglich. Und ich nehme eben hochdosiertes Vitamin D.

STANDARD: Das klingt fast nach einer Wunderheilung ...

Hainzl: Nein, das ist es nicht, es war und ist harte Arbeit. Nur die schlimmen Symptome waren rasch weg. Aber es hat ungefähr zwei Jahre gedauert, bis ich mein linkes Bein nicht mehr nachziehen musste und ich wieder laufen konnte. Auf dem Schädel-MRT sieht man auch nach wie vor Läsionen, die typischen Gewebebeschädigungen. Sie sind zwar zurückgegangen, aber nicht verschwunden. Medizinisch gesehen bin ich also immer noch krank, aber für mich selbst bin ich geheilt.

Gemeinsam mit seiner Frau Laura hat Hainzl nun ein Buch über seinen Weg geschrieben: "Comeback", erschienen bei Edition A.
Foto: Gregor Hartl

STANDARD: Die Methode ist wissenschaftlich nicht anerkannt, sie gilt als Alternativmedizin. Was sagen Sie Kritikern?

Hainzl: Man muss schon dazu sagen, dass die Methode sicher nicht bei jedem Menschen gleich gut wirkt, wie das auch bei vielen anderen Methoden der Fall ist. Es gibt mehrere Ursachen für Multiple Sklerose, erst kürzlich wurde in großen Studien bestätigt, dass es etwa einen Zusammenhang mit dem Eppstein-Barr-Virus gibt. Aber ein Vitamin-D-Mangel spielt bei vielen Krankheiten eine Rolle, es beeinflusst den Stoffwechsel jeder Zelle. Tatsache ist, dass jede Zelle einen Vitamin-D-Rezeptor hat, aber der funktioniert nicht bei allen gleich gut. Ist diese Aufnahme gestört, kann man mit hochdosiertem Vitamin D große Erfolge haben.

Natürlich darf man das keinesfalls im Alleingang machen. Als Arzt ist es für mich natürlich einfacher, die Publikationen zu lesen, ich kenne die Begriffe und Wirkstoffe. Trotzdem habe ich mir Unterstützung geholt. Denn es gibt Fälle von Niereninsuffizienz aufgrund der Therapie, das darf man nicht verschweigen. Aber diese Methode ist ja auch nicht völlig unerforscht. Im Gegenteil, es gibt dazu tausende Publikationen auf "PubMed". An der Charité in Berlin wird außerdem aktuell eine großangelegte, hochwissenschaftliche Studie dazu durchgeführt.

STANDARD: Was ist Ihr wichtigstes Learning aus Ihrer eigenen Geschichte?

Hainzl: Für mich ist klar, jeder Mensch kann sein Leben selbst in die Hand nehmen, das ist auch die wichtigste Message meines Buchs. Es gibt ja nicht nur einen Weg zu denken, es gibt unterschiedliche und man muss den für sich selbst richtigen finden. Man darf nie aufgeben. Dafür braucht es natürlich Disziplin, aber die brauchen wir für alles im Leben, damit etwas gelingt. Der Lebensstil spielt außerdem eine wahnsinnig große Rolle. Wir werden alle älter, aber die Lebensqualität wird bei vielen nicht besser. Dabei kann man mit einem gesunden Lebensstil so vieles zum Positiven verändern. (Pia Kruckenhauser, 12.3.2022)