Eingestellt: Der unabhängige Sender Echo Moskau gibt auf.

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Kiew/Moskau – Russland belegt die Verbreitung von – nicht in die offizielle Darstellung des Ukraine-Kriegs passenden – "Fake News" über die russischen Streitkräfte mit drastischen Strafen. Das Parlament stimmte am Freitag für eine Gesetzesänderung, die hohe Geldstrafen und bis zu 15 Jahre Haft vorsieht.

Zuvor hatten die russischen Behörden den Zugang zu den Websites der Deutschen Welle und weiterer unabhängiger Medien nach eigenen Angaben "eingeschränkt" und Bezeichnungen wie "Krieg" oder "Angriff" für den Einmarsch in der Ukraine untersagt.

"Ungeheuerlicher Angriff"

  • Reaktion: Das von der Duma beschlossene Gesetz bedeute ein Verbot journalistischer Arbeit auch für Korrespondenten österreichischer Medien in Russland, protestierte Eike-Clemens Kullmann, der Vorsitzende der österreichischen Journalistengewerkschaft den "ungeheuerlicher Angriff auf die Pressefreiheit". Nur noch russische Quellen verwenden zu dürfen, nicht mehr von einem Krieg sprechen zu dürfen und diesen stattdessen "großflächige, aber regional begrenzten Kampfhandlungen" zu berichten, sei völlig inakzeptabel. Auch die österreichische Bundesregierung sei "dringend aufgefordert, gegen diese Zensur Russlands offensiv zu protestieren", fordert Kullmann.

Putins Unterschrift

Damit die Gesetzesänderung in Kraft tritt, sind noch die Zustimmung des Föderationsrats, der zweiten Parlamentskammer, sowie die Unterschrift von Präsident Wladimir Putin notwendig. Beides gilt aber als Formalie. Unter Strafe stehen laut dem Gesetzestext das Verbreiten angeblicher Falschinformationen über russische Soldaten, das Diskreditieren russischer Streitkräfte und Aufrufe zu Sanktionen gegen Russland.

Auslandssender und BBC online betroffen

Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor teilte am Freitag mit, dass von dem Schritt neben dem deutschen Auslandssender auch die Websites der BBC, der in Lettland ansässigen russisch- und englischsprachigen Nachrichtenwebsite Medusa und von Swoboda betroffen sind. Swoboda ist der russischsprachige Sender von Radio Free Europe / Radio Liberty, einem vom US-Kongress finanzierten Medium.

Der Medienaufsichtsbehörde zufolge wurde der Zugang zu den Websites auf Antrag der Staatsanwaltschaft "eingeschränkt". Die russischen Behörden haben ihr Vorgehen gegen kritische Stimmen in den Medien seit Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine massiv verschärft.

Echo Moskwy eingestellt

Der unabhängige Radiosender Echo Moskwy (Moskauer Echo) etwa hatte am Donnerstag seine Auflösung bekanntgegeben, nachdem er wegen seiner Berichterstattung über die Invasion in der Ukraine mit einem Sendeverbot belegt worden war. Auch der unabhängige Fernsehsender Doschd wurde verboten.

Invasion darf nicht "Invasion" genannt werden

Russische Medien waren nach dem Einmarsch in die Ukraine angewiesen worden, nur offizielle Informationen der russischen Behörden für ihre Berichterstattung zu verwenden. Begriffe wie "Angriff" oder "Invasion" im Zusammenhang mit dem Einmarsch in die Ukraine sind verboten. Die Behörden stellen den Angriffskrieg auf die Ukraine lediglich als "Sondereinsatz" des Militärs oder gar als Friedensmission zum Schutz russischsprachiger Ukrainer dar.

"Unwahre Informationen"

Wer Inhalte, die gegen die Vorgaben verstoßen, nicht löscht, muss mit einer Blockade rechnen, hieß es bereits vorige Woche. Das gelte auch für die Verbreitung "unwahrer Informationen über den Beschuss ukrainischer Städte und den Tod von Zivilisten in der Ukraine durch Handlungen der russischen Armee". Mehrere Medien wurden bereits blockiert.

Westliche Medien nicht mehr abrufbar

Das Onlineangebot der Deutschen Welle (DW) und weiterer westlicher Medien ist in Russland nicht mehr abrufbar. Wie der deutsche Auslandssender am Freitag unter Berufung auf seine Cybersecurity-Experten mitteilte, war "dw.com" seit der Nacht in allen Sendesprachen in Russland gesperrt. Wie die BBC berichtete, war auch der Zugang zu deren eigener Nachrichtenwebsite sowie zu mehreren anderen westlichen Medien, Facebook und dem Google Playstore ganz oder teilweise eingeschränkt.

Erst kürzlich hatte die BBC von einem starken Anstieg der Zugriffe auf die BBC-Webseite in Russland berichtet. Die britische Sendeanstalt gab ebenfalls Tipps via Twitter, wie die Blockade technisch zu umgehen sein könnte. Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor begründete den Schritt der Nachrichtenagentur Interfax zufolge mit einer angeblichen Verbreitung von Falschnachrichten über "die Spezial-Militäroperation" in der Ukraine. So wird in Russland der Krieg gegen das Nachbarland bezeichnet. Der Angriff läuft bereits seit mehr als einer Woche.

Im Gegenzug stellte das US-Programm des russischen Staatsmediums RT seinen Betrieb in den Vereinigten Staaten ein. Die stellvertretende Chefredakteurin des Nachrichtensenders, Anna Belkina, teilte mit: "Wir sind traurig und enttäuscht, dass unser bahnbrechender Sender RT America nach mehr als zehn Jahren den Betrieb einstellen musste." (APA, dpa, AFP, Reuters, red, 4.3.2022)