Aus der heute altmodisch klingenden "Frauenemanzipation" oder der "Frauenforschung" wurde Geschlechtergerechtigkeit und Genderforschung.

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Es hat lange gedauert, bis die engen Grenzen für Frauen erweitert wurden. Dass das "Frausein" ihr Leben nicht mehr streng vorsortiert und bestimmt, wie sie zu sein, was sie zu erwarten haben. In wenigen Tagen, am Internationalen Frauentag am 8. März, werden wir an die harten politischen Kämpfe für Frauenrechte erinnert. Und daran, dass Frauen bis heute Sexismus, Gewalt und Unterdrückung erleben – nur aufgrund ihres Geschlechts.

Der Widerstand gegen diese Unterdrückung hat sich inzwischen vervielfältigt, und es geht längst nicht mehr nur um "die Frauen". Aus der heute altmodisch klingenden "Frauenemanzipation" oder der "Frauenforschung" wurde Geschlechtergerechtigkeit und Genderforschung. Das finden nicht alle Feministinnen gut.

Warum sollen wir nur mehr von "queer" sprechen? Wo bleibt da die Sichtbarkeit von Lesben? Warum heißt es statt "Frauen" in emanzipatorischen Kreisen immer öfter "Flinta", was für Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre und Transpersonen steht? Genau diese Fragen stehen im Zentrum von derzeit sehr harten Debatten darüber, wer angesichts der vielen neuen geschlechterpolitischen Perspektiven überhaupt das feministische Subjekt ist.

Feminismus für wirklich alle?

Für wen muss sich Feminismus einsetzen? Auch für Transpersonen, die sich dem ihnen bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht nicht zugehörig fühlen, und nichtbinäre Menschen, die sich nicht ausschließlich als männlich oder weiblich identifizieren? Denn natürlich leiden auch sie unter Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, sagen die einen. Wir müssen auf die zäh errungene Sichtbarkeit der Probleme von Frauen – ganz im klassischen Sinne – achten, sagen die anderen.

Diese Debatte ist nicht ganz neu. Seit Jahren gibt es in Wien am 8. März nicht eine gemeinsame Frauentagsdemo, sondern mindestens zwei – von denen eine darauf besteht, dass eine 8.-März-Demo allein für Cis-Frauen sei, also für Frauen, für die das biologische Geschlecht mit dem sozialen, gelebten Geschlecht zusammenpasst. Transfrauen sind zum Beispiel nicht erwünscht.

Die Kritik daran lautet, dass das paradox sei, denn hinter allen feministischen Bestrebungen stehe doch der Gedanke, dass Geschlecht nicht bestimmen dürfe, wer wir sind und was wir tun. Andererseits: Während der zweiten Frauenbewegung war die Schaffung von geschützten Frauenräumen wichtig. Ein männerfreier Raum bedeutete einen sicheren Rahmen. Demnach steckt hinter den Ausschlüssen von Trans- oder nichtbinären Menschen wohl auch das Misstrauen, dass Transfrauen doch keine "richtigen Frauen" seien. Dabei stellen gerade Feministinnen seit Ewigkeiten infrage, was das überhaupt sein soll: eine richtige Frau.

Kein Rekurs auf die Biologie

Rhonda D’Vine ist Transaktivistin und versteht derartige Ausschlüsse nicht. "Allein durch ihre Existenz stellen nichtbinäre Menschen oder Transpersonen doch von Grund auf das Patriarchat und seine Muster infrage", sagt sie. Um auf Diskriminierung hinzuweisen, bräuchte es keinen Rekurs auf die Biologie, denn genau mit dieser wurde Unterdrückung doch immer gerechtfertigt.

"Diskriminierung findet doch nicht wegen eines Uterus statt, sondern weil man mit der Biologie immer Geschlechterstereotype verknüpft hat." D’Vine selbst hat das erlebt: Nach ihrer Transition zur Frau wurden ihr in ihrem Job als Informatikerin plötzlich immer wieder bestimmte Kompetenzen abgesprochen, erzählt sie.

Trotzdem sehen Teile der Frauenbewegung die zunehmende Sichtbarkeit und Forderungen von Menschen mit Geschlechtsidentitäten abseits von "Mann" und "Frau" als Bedrohung an.

Von Alice Schwarzer wird demnächst ein Buch erscheinen, in dem sie die These vertritt: "Trans ist Trend." Ein gewisses Unbehagen mit der geschlechtlichen Identität bewirke bei jungen Menschen schon, mal schnell in ein anderes Geschlecht wechseln zu wollen, ist einem Vorabdruck zu entnehmen.

Angriffe auf Transfrauen

Auch Erwachsene sieht Schwarzer bedroht: "Eine lautstarke Minderheit der Transfrauen geht so weit, ihre neue Identität aggressiv gegen die Interessen biologischer Frauen zu richten, fordert Zugang zu geschützten oder privilegierten Frauenräumen, also in Frauenhäuser oder auf Quotenplätze."

Damit meint sie auch die deutsche Grüne Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer, die als Transfrau nach Schwarzers Ansicht ungerechtfertigterweise einen Quotenplatz hat. Damit ist Schwarzer auf Linie mit der deutschen AfD, deren Parteivorsitzende Beatrix von Storch Ganserer kürzlich verbal attackierte. Sie könne zwar Lippenstift tragen, bleibe aber ein Mann. Wenn sie dank der Frauenquote in den Bundestag einziehe, sei das "rechtswidrig".

Ganserer stand bei den Bundestagswahlen mit dem männlichen Vornamen auf dem Wahlzettel. In Deutschland wie in Österreich gilt ein Gesetz, nach dem erst dann offiziell der Name geändert werden darf, wenn einiges an Bürokratie und psychologische Gutachten absolviert wurden. Dieser Prozess bedeutet oft auch, sehr intime Auskünfte geben zu müssen, was viele – auch Tessa Ganserer – ablehnen.

Queere Communitys, in Österreich etwa die Plattform "Genderklage", fordern daher ein Selbstbestimmungsrecht, nach dem der Personenstand in Dokumenten ohne Festlegung, bürokratische Hürden oder Gutachten geändert werden kann.

Extrempositionen

Positionen, die das wie Alice Schwarzer strikt ablehnen – das ist die eine Seite. Auf der anderen steht durchaus harsche und undifferenzierte Kritik an Feministinnen, Veranstaltungen und einzelnen Wortmeldungen, die die Situationen von Transpersonen angeblich nicht genügend berücksichtigt hätten. Beides sind Extrempositionen, die aber sehr viel Gehör bekommen und so differenzierte Zwischentöne verhallen lassen.

Die grüne Sprecherin für Menschenrechte und LGBTQI, Ewa Ernst-Dziedzic, diskutiert in einer Arbeitsgruppe mit der Plattform "Genderklage" und anderen Vereinen die Forderung einer Liberalisierung der Personenstandseinträge. Wenn es keine Definition von Geschlecht mehr gäbe, "geht das ans Eingemachte, denn der Staat organisiert sich ja noch an dichotomen Geschlechterverhältnissen", sagt Dziedzic.

So gibt es etwa die Wehrpflicht für Männer oder das unterschiedliche Pensionsantrittsalter – vieles ist entlang von "Mann" und "Frau" organisiert. "Wir müssen es schaffen, dass Trans- und nichtbinäre Menschen nicht schikaniert werden und das Recht haben, ihre Geschlechtsidentität zu leben. Gleichzeitig müssten wir die Machtverhältnisse im Auge behalten", sagt Dziedzic über die massive Unterdrückung aufgrund des weiblichen Geschlechts.

"Wir" als Basis des politischen Handelns

Die Kulturvermittlerin Petra Unger kennt die feministischen Debatten schon sehr lange und sehr gut. Sie erinnert an die "Leistung der Frauenbewegung, über jegliche Differenzen hinweg eine gemeinsame Agenda zu schaffen". Jede politische Bewegung brauche ein "Wir", das sei die Basis des politischen Handelns. Dass sich nun selbst Feministinnen auf das biologische Frausein beziehen, darin sieht sie die Angst, an Handlungsmacht, Kraft und klaren Forderungen zu verlieren.

"Ich denke, das ist eine unbegründete Sorge, weil etwa Transfrauen auch dieselbe Diskriminierung erleben wie Cis-Frauen – manchmal sogar noch härter." Denn Uneindeutigkeiten bei etwas, das unsere Gesellschaft so stark präge wie das Geschlecht, das irritiere viele.

Hier lägen die zentrale Gemeinsamkeit und die Chance zu Solidarität: Egal, wie jemand zu seiner Geschlechtsidentität gekommen ist, gemeinsam ist Frauen, Lesben, inter, nichtbinären und Transpersonen, dass sie wegen ihrer Genderidentität diskriminiert werden. (Beate Hausbichler, 8.3.2022)