Am Freitag präsentierte sich der designierte Minister Johannes Rauch erstmals der Öffentlichkeit.

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Im Bund hätte er alles werden können, erzählt Johannes Rauch gerne. Offenbar hatten die Grünen beim heute 62-jährigen Urgestein ihrer Partei schon des Öfteren um einen Wechsel nach Wien geworben. Aber Rauch blieb im Ländle, wo er mehr als ein Jahrzehnt lang Oppositionsarbeit machte, eher er 2014 mit der ÖVP einen Koalitionsvertrag verhandelte und als Landesrat in die Regierung in Bregenz kam. Bereut habe er das Zuhausebleiben nie.

All das schien Freitagmittag in weite Ferne gerückt. Denn da stand Rauch plötzlich auf dem bundespolitischen Parkett, auf dem er nie tanzen wollte. Er freue sich auf den Perspektivenwechsel, sagte der Noch-Landespolitiker, den sein Parteichef und Freund Werner Kogler zuvor als jemanden mit Tiefgang und Weitblick, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit beschrieben hatte. Nachsatz von Rauch: Es sei nicht so, dass er sich das Amt antue. "Wenn ich Ja sage, dann mache ich das aus ganzem Herzen und aus voller Kraft." Es sei Zeit gewesen, in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen.

Ein prägender Beruf

Rauch wurde bereits am Donnerstag in ersten Porträts vor allem als eines beschrieben: Politprofi. Was heißt das konkret – und wie tickt der Mann, der nun das laut Politikwissenschafter Peter Filzmaier "undankbarste Regierungsamt" übernimmt?

Begonnen hat Rauchs politische Laufbahn in seiner Heimatgemeinde Rankweil. 1990 wird er Mitglied der Gemeindevertretung – und bleibt das bis 2010. Als Gemeinderat widmet er sich bis 1996 einem Thema, für das er auch später in der Landesregierung zuständig sein wird: der Umwelt. Rauch, damals noch mit langer Mähne, arbeitet zu dieser Zeit außerdem bereits als Sozialarbeiter.

Die vielen Jahre, die Rauch in der sozialen Arbeit verbringt – er arbeitet in den Bereichen Sozialpsychiatrie, Arbeitslosenbetreuung und Schuldenberatung – prägen auch sein Politikverständnis. "Politische Arbeit muss immer auch soziale Arbeit sein", sagt er am Freitag. Er wolle auch als Sozialminister wahrgenommen werden und jene Menschen in den Vordergrund stellen, die mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Armutsbekämpfung sei eine zentrale Aufgabe. Auch die Pflegereform spricht Rauch am Freitag an.

Sehr verbindend

Zurück nach Rankweil und in die 1990er. Rauch sei damals "ein richtiger Wadlbeißer" gewesen, sagt einer, der ihn noch aus der Zeit kennt. Das habe sich mit dem Wechsel ins Landhaus – Rauch wird 2000 als Landtagsabgeordneter angelobt – aber geändert. "Glücklicherweise", meint der Mann.

Tatsächlich wird Rauch von vielen Wegbegleitern – egal ob aus der eigenen oder aus anderen Parteien – als jemand beschrieben, der sehr verbindend arbeite. "Er ist hartnäckig. Arbeitet kreativ und konstruktiv an Lösungen", sagt Parteikollege Bernd Bösch, der zehn Jahre lang mit Rauch im Landtag saß. "Johannes ist nicht jemand, der ins Blaue argumentiert, sondern der Dinge umsetzen will."

Das gelingt den Grünen damals mit Rauch als Klubobmann auch: Sie setzen unter anderem das 365-Euro-Ticket aus der Opposition heraus um. "Das war nur möglich, weil in der ÖVP erkannt wurde, dass unser Vorschlag fundiert ausgearbeitet war", erzählt Bösch, der aus dem Landtag ausschied, als die Grünen in Regierungsverantwortung kamen.

Berechtigte Vorschusslorbeeren

Seither gibt es in der eigenen Partei immer wieder Stimmen, die kritisieren, dass für die Zusammenarbeit mit der ÖVP zu viele Werte über Bord geworfen worden seien. Bösch sieht das anders. "Natürlich hat er gewusst, dass manche Positionen nicht haltbar sind, gerade im Verkehr. Aber er hat einfach auch erkannt, was alles machbar ist. Johannes ist da sehr pragmatisch." Fünf Jahre später wird diese Denkweise auch im Bund propagiert, wo Rauch die türkis-grüne Koalition mitverhandelt. Hier spricht man bekanntlich vom "Besten aus beiden Welten".

Ein anderer ehemaliger Landtagskollege, allerdings von der ÖVP, spricht von berechtigten Vorschusslorbeeren, die Rauch bereits erhalten habe. Dass mit ihm einer Minister werde, der aus der Kommunal- und Landespolitik komme, sei sehr viel wert, sagt Lustenaus Bürgermeister Kurt Fischer. Denn schlussendlich würden zahlreiche der großen Herausforderungen in den Kommunen umgesetzt.

Eine lange To-do-Liste

Rauch bringe aber nicht nur Politik-, sondern auch Lebenserfahrung mit. Was Fischer, der ab 2010 einige Monate lang in der "Vorarlberger Neuen Zeitung" Briefe mit Rauch austauschte, damit auch meint, ist die 2005 diagnostizierte Krebserkrankung Rauchs. Ein Schicksal, das die beiden Politiker teilen. "Natürlich erhält man da einen völlig neuen Blick auf die Welt." Und Fischer fällt eine Beschreibung ein, die auch Kogler nannte: Tiefgang.

In seinem neuen Amt warten viele Aufgaben auf den designierten Minister. Wie er zur Impfpflicht und den Öffnungsschritten steht, wollte Rauch am Freitag noch nicht sagen. Er werde die Pandemie aber sicher nicht vorschnell für beendet erklären und wolle daher schon für Herbst und Winter vorsorgen.

Rauch wird sich auch der Reform des Testregimes widmen müssen. Mit Ende des Monats läuft bekanntlich die Finanzierung der Gratistests aus. Die Massenscreenings von Symptomlosen dürften so nicht mehr möglich sein. Das bringt Rauch auch gleich seinen ersten Gegner. In Wien will man von seinem Programm nicht abrücken. Das Thema sorgte bereits zwischen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Mückstein für schlechte Luft.

Rauch sagt, er trete das Amt mit dem Anspruch an, mehr an Gemeinsinn, Solidarität und Gerechtigkeit herzustellen. "Ich weiß, dass es keine Schonfrist gibt. Ich gebe mein Bestes." (Lara Hagen, Oona Kroisleitner, 5.3.2022)