Vor vielen Jahren galt Russland als aufstrebendes Land und war in fast jedem Ostfonds fixer Bestandteil. Mit Bric (Brasilien, Russland, Indien und China) floss viel Geld in diese Regionen. Seit 2014 haben viele Investoren ihre Investments infolge der Krim-Annexion zurückgeschraubt. Verbliebene Anlagen hängen vorerst fest.

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Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hatte umfangreiche Sanktionen des Westens zur Folge. Die Abkoppelung einiger russischer Banken vom Finanzkommunikationssystem Swift, die Beschränkung der russischen Zentralbank und das Einfrieren von Vermögen einflussreicher Russen im Ausland haben auch auf den Finanzmarkt heftig durchgeschlagen.

Die Sanktionen ziehen mittlerweile weitreichende Maßnahmen nach sich. Der Handel mit den sanktionierten russischen Bankaktien und anderen Unternehmen, die von den Sanktionen betroffen sind (etwa der Ölkonzern Rosneft und der Gaskonzern Gazprom), wurde in Europa bereits eingestellt. An der deutschen Börse werden seit Mittwoch russische Anleihen, Aktien und Derivate ebenfalls nicht mehr gehandelt. "Im öffentlichen Interesse" wurde der Kauf und Verkauf dieser Papiere mit dem Ende des Handels am Dienstag bis auf weiteres eingestellt, teilte der Frankfurter Börsenbetreiber mit. Mehr als 30 weitere russische Aktien, die in Frankfurt notieren, sind damit nicht mehr handelbar.

Völlig neue Situation

Auch an der Wall Street wurde der Handel mit russischen Aktien ausgesetzt. Betroffen davon sind etwa der Suchmaschinenbetreiber Yandex, der Onlinehändler Ozon, der Finanzdienstleister Qiwi, der Telekomkonzern Mobile Telesystems und der Stahl- und Kohleproduzent Mechel. Auch Papiere des Spieleentwicklers Nexters, der Onlinejobbörse Headhunter und der Immobilienplattform Cian werden vorerst nicht mehr gehandelt. Der US-Kreditkartenanbieter Mastercard schließt mehrere russische Finanzdienstleister vom Zahlungsnetzwerk aus.

Für Anleger hat all das auch eine neue Situation gebracht. Als Folge der Sanktionen haben Bank- und Finanztitel bereits starke Kursverluste hinnehmen müssen. Bei Rüstungswerten setzte hingegen eine Rallye ein. Rohstoffwerte zogen deutlich an. Erschwert wird die Situation dadurch, dass die russische Börse seit Montag geschlossen ist – eine Preisbildung ist nicht mehr möglich.

Lage neu bewerten

Jetzt gilt es, die Lage neu zu bewerten. Für Anleger, die einen Russland-Anteil in ihren Portfolios haben oder gar reine Russland-Fonds, heißt es schlicht abwarten. Da russische Werte derzeit nicht mehr handelbar sind, können auch Fondsmanager diese Positionen nicht mehr abbauen, erklärt Gabriela Tinti, Aktienchefin der Erste Asset Management; sie leitet auch den Aktienfonds Erste Stock EM Global. Die Folge ist, dass die Kapitalanlagegesellschaften in den vergangenen Tagen betroffene Fonds ausgesetzt haben. "Das heißt, dass es hier zu keinen neuen Rechenwerten mehr kommt", erklärt Tinti.

Wie lange diese Aussetzungen dauern, könne aktuell nicht gesagt werden. Wie lange Russland seine Börse geschlossen hält und russische Aktien und Anleihen nicht handelbar sind, sei aktuell überhaupt nicht abzusehen, so Tinti. Anleger können in so einer Situation ihre Fonds auch der Bank oder der KAG, bei der sie den Fonds gekauft haben, nicht zurückverkaufen. Ohne Rechenwert könne auch das nicht stattfinden. Anlegern bleibt also nichts anderen übrig, als abzuwarten. Denkbar ist laut Tinti auch, dass der Russland-Anteil aus Produkten abgespalten wird, damit für das restliche Portfolio wieder ein Handel aufgenommen werden kann.

Gleiches gilt für jene, die Indexpapiere – etwa ETFs – haben, die immer einen Index nachbilden. Der US-Finanzdienstleister MSCI, der unzählige Indizes berechnet, überlegt, Russland aus seinen Indizes auszuschließen. Theoretisch müssten dann alle EFT-Anbieter nachziehen, wenn ihre zugrunde liegenden Indizes betroffen sind. Praktisch gehen wird auch das nicht – mangels der Handelbarkeit der betroffenen Titel.

Wenig Engagement in Russland

Doch Fondsexpertin Tinti versucht auch zu beruhigen. Die Sanktionen gegen Russland haben 2014 mit der Annexion der Krim begonnen. Seit damals wurde das Risiko für Russland-Investitionen erhöht und der Anteil in den Portfolios abgebaut. Im MSCI-Emerging-Market-Index etwa beträgt der Russland-Anteil nur noch 1,6 Prozent.

Dass die Sanktionen auch viele Russland-Werte betreffen werden, hat sich abgezeichnet. All jene, die versucht haben, vor der offiziellen Verlautbarung der Maßnahmen russische Werte zu verkaufen, konnten das nicht mehr tun. "All diese Trades hängen in den Clearingstellen, jeder einzelne Vorgang muss jetzt geprüft werden", erklärt Tinti. (Bettina Pfluger, 7.3.2022)